Freitag, 10. Oktober 2008

Das Prinzip Hoffnung, Gedanken zum Doping im Sport und Triathlon

Die Trainingskumpels mit denen sich man sonst durch die harten Trainingseinheiten quält liegen schon seit Tagen am Magic Sands Beach und genießen die Ruhe vor dem Startschuss. Und während die einen in der Idylle unter Palmen, zwischen einem Cafe Latte im Lava Java und einer kristallklaren Schwimmeinheit am Pier schwelgen, sitzen die anderen mit der Zeitung auf dem Sofa und müssen zwischen den täglichen Hiobsbotschaften der Börsen in Tokio, Frankfurt und New York auch noch die letzten Neuigkeiten aus dem „Sport“ verkraften.

Unter den Radlern, deren Proben man nach der Tour mit verfeinerten Methoden ein weiteres Mal „nachuntersucht“ hat, ist einer von dem man es befürchtet hatte, aber, wie so oft mal wieder nicht glauben wollte. Ausgerechnet die „Gerolsteiner“ Überraschungszeitfahrmaschine Stefan Schumacher soll diesen Sommer auf dem Epoprodukt der dritten Generation „CERA“ unterwegs gewesen sein, weitere unerfreuliche Neuigkeiten haben möglicherweise auch noch andere Teams zu erwarten, denn die Analysen sind anscheinend noch lange nicht abgeschlossen.

Super, kaum drei Wochen ist es her und wir haben erfahren, dass der vermutlich erfolgreichste Dopingbetrüger der Radsportgeschichte, der Tour de France Dauerchampion und Ex-Triathlet Lance Armstrong wieder die Tour fahren, nein, gewinnen will. Die UCI findet auch, dass der Amerikaner ein echtes Aushängeschild für den Sport ist und erteilt ihm eine Sondergenehmigung für die Tour Down Under in Australien, an der er eigentlich wegen zu später Anmeldung beim Dopingkontrollsystem nicht hätte teilnehmen dürfen.

Und damit nicht genug, wie immer wenn dass Thema Doping mal wieder in die Schlagzeilen und damit ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zappt, läuft es darauf hinaus, dass man mit interessierten Zeitgenossen, Arbeitskollegen, entfernten Verwandten und Sportsfreunden alles zum 100.000ten Mal durchkauen muss. In diesen Diskussionen fällt stellt sich immer wieder heraus, dass es mehr oder weniger zwei grundsätzliche Sichtweisen zum Thema gibt.

Die einen, wir nennen sie die „Abgezockten“ (manche nennen sie Realisten), sind eigentlich sicher, dass in allen professionell betriebenen Sportarten beschissen wird, was das Zeug hält. Jede Spitzenleistung wird von den Abgezockten grundsätzlich mit dem Sperrvermerk „na ja, ist ja ganz nett, aber der (oder die) ist doch sowieso voll bis oben hin“ versehen.

Für die „Optimisten“ (oder Romatiker) gilt seit Jahren im Bezug auf Doping das Prinzip Hoffnung. Egal wer und wie viele womit auch immer erwischt werden, und egal in welcher Sportart die Sünder unterwegs waren, der Optimist glaubt immer weiter fest daran, dass die Möglichkeit besteht das Rennen auch sauber, ohne den Einsatz unerlaubter Hilfsmittel zu gewinnen, und arbeitet deshalb grundsätzlich mit der Unschuldsvermutung. Einen Ironmansieger, am besten einen aus den „eigenen Reihen“ möchte man feiern, man möchte mitfiebern und man will mit ein wenig Gänsehaut dabei zusehen wie die Sieger nach vollbrachter Spitzenleistung freudestrahlend über die Ziellinie kommen.

Denn die Freude am Sport an der Leistung und auch am Erfolg (und damit ist nicht zwangsläufig ein Sieg gemeint) ist das, was die Faszination ausmacht und was Pros und Amateure gemeinsam haben. Was Amateure und Pros auch gemeinsam haben sind gleiche Spielregeln, denn es ist die Grundidee einer jeden Sportart, dass man sich im fairen Wettstreit in einem Spiel mit festen Regeln misst, und über Sieg oder Niederlage entscheidet, was man in diesem gegeben Rahmen im Vergleich zu den anderen aus seinen Körper herausholen kann. Topathleten, die es schaffen Leistungen zu bringen die manchen Hobbysportlern utopisch erscheinen werden aber besonders auch als spezielle Persönlichkeiten wahrgenommen. Jeder Dopingsünder bedeutet deshalb für die Optimisten eine echte Enttäuschung, vor allem wenn es sich bei den Athleten um Persönlichkeiten handelt, die Vorbilder oder Sympathieträger sind.

Die „Abgezockten“ sind in der Regel weniger emotional und deshalb ist es für sie auch keine besonders Ereigniss, wenn in der Zeitung oder im Fernsehen mittlerweile im Wochenrythmus eine Dopingsau enttarnt und durch das Dorf der Medienschaffenden getrieben wird, denn sie haben es ja sowieso schon immer gesagt. Die Abgezockten sind vermutlich näher an der Realität, denn sie haben die besseren Argumente, zum Beispiel „Es geht um Geld, da spielt Moral keine Rolle“.

Vor ein paar Jahren haben wir noch gedacht, dass gutes Doping so teuer ist, dass es sich vermutlich beim vor allem im Verhältnis zum Trainingsaufwand geringen Einkommen von Profitriathleten nicht rechnet. Heute sind viele Substanzen billiger geworden und die Geldbörsen größer geworden sind. Einige prominente Fälle haben uns gezeigt, dass Moral manchmal doch weniger Wert ist als Geld, vor allem, wenn auch noch der unbedingte Siegeswille von der Moral abgekoppelt wird. Moral hat häufig sogar einen noch geringeren Stellenwert als kurzfristige Erfolgserlebnisse.

Eigentlich hättet ihr es wissen müssen, sagen die „Abgezockten“ in den Diskussionen auf 3athlon.info: „Bei euch Triathleten ist Sportbetrug doch bereits im Amateurbereich ein absolutes Massenphänomen“. Damit sprechen sie die Windschattenproblematik an, und ganz unrecht haben sie nicht, denn die meisten von uns, zumindest die die sich nichts vormachen, wissen ziemlich genau, was auf einer Langdistanz mit hoher Teilnehmerdichte passiert, wenn die Kampfrichter nicht konsequent durchgreifen und es den Anschein hat, dass man möglicherweise straffrei davon kommt.

Und traurigerweise geht es für die große Mehrzahl derjenigen, die sich in einer solchen Situation zum Windschattenfahren und damit zum Betrug an den regelkonform agierenden Konkurrenten hinreißen lassen, noch nicht mal um Geld, sondern meisten „nur“ um Ruhm und Ehre, eine gute Zeit, oder um einen Kona-Slot. Aber dafür würden manche sogar töten, oder?

Notorische Windschattenfahrer haben kein Recht Athleten zu verurteilen, die sich mit EPO, CERA, Insulin, Eigenblut oder Hormoncocktails in Topform bringen, denn auch wenn sich das Strafmaß stark unterscheidet, es gibt keinen wirklich kategorischen Unterschied zwischen Windschattenfahren, Streckenabkürzen, körperlicher Gewalt im Wasser auf der einen Seite und Spritzen auf der anderen, denn durch alle verschiedenen Veraltensweisen werden faire, hart trainierende Konkurrenten um die Früchte ihrer Trainingseinheiten gebracht!

Zum Glück sind positive Dopingfälle im Triathlon, im Vergleich zum Radsport noch keine Routine. Allerdings ist es nicht so einfach zu beurteilen warum. Liegt es daran, daß die Athleten integrer und sauberer unterwegs sind, als im Radsport, oder ist es vielleicht einfach nur so, dass noch kein hochorganisiertes und gut finanziertes Kontrollsystem vor allem für die Gesamtheit der Ironman-Athleten und der gesamten Leistungssporteben unterhalb des ITU World Cups gibt.

Was den Triathlon angeht sind und bleiben wir (hoffnungslose) Optimisten, denn während für Sportarten in denen man sich auf Grund mangelnder Erfahrung nicht richtig gut auskennt, die Haltung der Optimisten mehr oder weniger auf reinem Wunschdenken beruht, kann man in der „eigenen Sportart“ etwas genauer beurteilen kann, wo denn vermutlich die Grenzen dessen liegen was durch die Kombination aus einer geeigneten genetischen Prädisposition und jahrelangem, konsequenten und verletzungsfreiem harten Training erreicht werden kann. Aus diesem komplett subjektiven Blickwinkel heraus bin ich fest davon überzeugt, dass sich die derzeit von den Topathleten im Ironman abgelieferten Leistungen alle mit dem richtigen Talent, viel Erfahrung und noch mehr konsequenter, harter Trainingsarbeit realisieren lassen.

Das heißt nicht, dass nicht möglicherweise einige Leute trotzdem versuchen sich die Sache leichter zu machen, so wie auch die Windschattenfahrer es immer wieder probieren, aber es verhindert, dass wir vom Optimisten zum Abgezockten werden, denn solange nicht das Gegenteil bewiesen ist gilt die Unschuldsvermutung und das Prinzip Hoffnung, dass in unserem Sport die meisten Champions ohne verbotene Pharmatricksereien ihre Leistung bringen.
Skeptisch stimmen natürlich immer Leistungssprünge, wie sie derzeit in der Frauenspitze anzutreffen sind. Die richtige Antwort wäre ein weltumspannendes sinnvolles Anti-Doping-System, das für den Ironman gesprochen, Hand in Hand mit den Agenturen und Verbänden arbeiten muss. Eine der großen Aufgaben der neuen Ironman-Besitzer.

Rühmliche Eigeninitaitiven, wie die „Eisernen Transparenz“ des Ironman Germany 70.3 Wiesbaden und Ironman Frankfurt mit einem eigenen der NADA unterstellten Kontrollpool von Athleten, einer Blutdatenbank und unabhängigen Kontrollen sind lobenswert. Dennoch muss auch hier dringend die Frequenz der Tests im Training erhöht werden.Das Team der Dresdner Kleinwort geht in den Kontrolldichte noch einen Schritt weiter und ist lobenswert auch völlig dem nationalen Verbänden unterworfen.

Jetzt liegt es an den Veranstaltern, Sponsoren, den Fachverbänden und auch den Anti-Doping Agenturen den Rahmen für die Glaubwürdigkeit des Sports und damit auch seiner wirtschaftlichen und moralischen Werthaltigkeit zu stabilisieren und weiter zu erhöhen. Abgekapselte Trainingsgruppen, unerreichbar für internationale Dopingkontrolleure oder wie bei Olympia offensichtlich bei einigen Verbänden geschehen telefonisch vorangekündigte „unangekündigte Trainingskontrollen“ konterkarieren alle Bemühungen ehrlich und sauber zu werden und zu bleiben.

Aloha sagen Holgi und Kai und wir freuen uns auf das Rennen am Samstag: 1 x Schlafen noch...