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Freitag, 18. Januar 2013

Alte Freunde: Lance Armstrong gesteht Doping, Hintermänner bleiben unbenannt

Lance Armstrong hat im ersten Teil des Interviews mit Oprah Winfrey Doping mit Wachstumshormonen, Epo, Testosteron, Kortison und Bluttransfusionen gestanden. Doping sei bei seinen sieben Tour de France Siegen wie "Luftaufpumpen" und das "Auffüllen der Trinkflaschen" gewesen. Armstrong hat Fehler eingeräumt, sich bei seinen Fans für den jahrelangen Betrug und die Lügen entschuldigt und sich selbst Charakterschwächen attestiert. "Es waren meine Fehler, und ich sitze hier heute, um zu sagen, dass es mir leid tut. Ich betrachte das als eine große Lüge, die ich sehr häufig wiederholt habe." [1, Youtube]
Wie erwartet hat Lance Armstrong bei Oprah Winfrey ein unspektakuläres Dopinggeständnis ohne konkrete Namensnennung abgeliefert. Screenshot: oprah.com
Dennoch war das Interview gerade wegen seiner guten Inszenierung und Choreografie erstaunlich substanzlos und blieb hinter den (übersteigerten) Erwartungen zurück. Statt wie angekündigt 1,5 Stunden blieben die Uhren nach 55 Minuten stehen. Was mit den herausgeschnittenen 35 Extraminuten geschehen ist, die wohl auch nicht im zweiten Teil erscheinen werden, bleibt eine der vielen Fragen am Ende der letzten Antwort. Es war zwar vorab klar, dass er sich nicht selbst unnötig belasten würde und zum Beispiel eine Druckausübung auf nicht dopende Teamkollegen von sich weisen wird. "Wir waren alle erwachsene Männer, wir haben alle unsere eigenen Entscheidungen getroffen."

Wer belastende Aussagen gegenüber dritte Parteien, seien es Fahrer, Trainer, Mediziner, Manager, Funktionäre oder Sponsoren erwartet hatte, wurde ebenfalls enttäuscht. "Ich fühle mich nicht wohl, über andere Personen zu sprechen. Es ist alles da draußen" [im USADA-Bericht, Anm. d. R.]. Armstrong verteidigte indirekt Dr. Michele Ferrari, den er als "guten Mann", als "sehr schlauen" Mediziner wahrnehmen würde. Ob Ferrari stärker in das "sehr konservative, sehr risikoscheue" Doping-System eingebunden gewesen sei oder es sogar gesteuert habe, bleibt Armstrong dem Publikum schuldig. Trotz Zahlungen von rund einer Millionen US Dollar von Armstrong an Ferrari. Das Doping-System "war auf jeden Fall professionell, es war auf jeden Fall schlau."

Ob sich Armstrong im Rahmen zukünftiger Entwicklungen äußern wird oder die Hauptschuld weiterhin selbst tragen möchte bleibt eine der offenen Fragen der nächsten Jahre. Sein Netzwerk, das ihn über eine Dekade lang zu einem Giganten des Sports hat werden lassen, ist vorerst gedeckt und geschützt. Meine persönliche Einschätzung ist, dass die Omerta im Radsport intakt geblieben ist und das Armstrong-Netzwerk auf die ein oder andere Weise schon bald wieder Fahrt aufnehmen kann und wird und sich an Armstrong wohlwollend erinnern wird. Andere, weniger kritische Zeitgenossen würden das gezeigte Verhalten Armstrongs Integrität nennen.

Armstrong verweigerte auch mehrfach eine Antwort auf die Frage nach dem Dopinggeständnis bei seinem Aufenthalt im Krankenhaus von Indiana im Jahr 1996, als ihm Hodenkrebs diagnostiziert wurde. Betsy Andreu, Frau seines Teamkollegen Frankie Andreu hatte unter Eid ausgesagt, dass Armstrong auf Frage des Arztes Doping mit diversen Mitteln wie Wachstumshormonen zu diesem frühen Zeitpunkt seiner Karriere zugegeben habe. Dopingmittel, die durchaus als Co-Faktoren bei seiner Krebserkrankung eine Rolle gespielt haben könnten und das Märchen vom Kämpfer gegen den Krebs erst ermöglichten. Die Andreus haben später unter Eid die Vorwürfe wiederholt, andere im Raum anwesende Personen, wie Erfolgstrainer Chris Carmichael oder Sportmanagerin Stephanie McIlvain haben z.T. unter Eid das genaue Gegenteil ausgesagt.

Armstrong hatte in den Jahren danach, wie bei vielen seiner Widersacher systematisch die Karriere angreifen lassen und durch kostspielige Rechtsstreitigkeiten für erhebliche finanzielle Belastungen gesorgt. Andreu wie auch Greg LeMond kämpft noch immer mit den Folgen. Emma O'Reilly, ehemalige Masseurin und eine kleinere Widersacherin hatte da mehr Glück. Bei ihr entschuldigte sich Armstrong im Vorfeld und während des Interviews halbwegs glaubwürdig. "Sie ist eine der Personen, bei denen ich mich entschuldigen muss. Sie ist eine der Personen, die überfahren und gemobbt wurden."

Alte Freunde und Feinde vergisst ein Lance Armstrong eben nicht...

P.S.: Eine vortreffliche Analyse des Interviews liefert Paul Kimmage (Audio) ab. Absolut hörens- und lesenswert  [2,3] Jens Weinreich ist ebenfalls gewohnt bissig. [4]

[1]: Lance Armstrong bei Oprah Winfrey, Teil 1
[2]: Soundcloud.com/off-the-ball/paul-kimmage
[3]: Guardian.co.uk/sport/2013/jan/19/lance-armstrong-cycling
[4]: Jensweinreich.de/2013/01/18/doprah-oder-the-yes-man/

Montag, 14. Januar 2013

Kleine Wette auf die zukünftige Führung der Union Cycliste Internationale

Noch ist Pat McQuaid Präsident der Union Cycliste Internationale (UCI), noch hat Lance Armstrong den Iren nicht mit einer beeideten Aussage belastet. Demnach gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Dennoch bleibt Zeit und Raum für Spekulation für das große, sich abzeichnende Stühlerücken in der UCI. Denn allen Beteiligten ist klar, dass der organisierte Radsport kurz vor dem Zusammenbruch steht, sofern das IOC tatsächlich den Ausschluss aus dem olympischen Programm für 4-8 Jahre umsetzt.

Silvia Schenk hat bei einer Neuwahl an der Spitze der UCI durchaus Chancen. Ob sie zur Wahl antreten würde, steht auf einem anderen Blatt. Photo: Transparency International Deutschland
Neue Köpfe müssen her. Der Fisch stinkt vom Kopf, es wird für die Delegierten der nationalen Radsportfachverbände sehr schwer einen glaubwürdigen Vertreter aus den eigenen Reihen zu finden und zur Mitarbeit in den wahrscheinlich schwersten Stunden der UCI seit Ende des 2. Weltkriegs zu bewegen. Rekrutieren könnten sich die Kandidaten auch aus der Bewegung "Change Cycling Now" (CCN), wenngleich bei den Beteiligten um den dreifachen Tour de France Sieger Greg LeMond, Gianni Bugno (zweifacher Weltmeister), Jaimie Fuller (CEO Skins, klagt aktuell gegen die UCI), Dr Michael Ashenden (Dopinganalytiker), Emma O'Reilly (ehemalige Physiotherapeutin von Lance Armstrong) und Jonathan Vaughters (Manager Team Garmin-Sharp) natürlich auch wirtschaftliche Interessen, eigene Agenden und fehlende politische Erfahrung abgeklopft werden müssen. [1]

Aus deutscher Sicht, könnte die Juristin Silvia Schenk, sofern sie denn Interesse hat, gute Chancen bei einer Bewerbung um das höchste Amt der UCI haben. Die ehemalige 800-Meter Läuferin bringt zahlreiche sogenannte Soft- und Hardskills für den sich seit Jahren in der Krise befindliche Radsport mit. Fachkenntnis kann die ehemalige Richterin aus der Präsidentschaft des Bund Deutscher Radfahrer (BDR, 2001-2004) vorweisen, wenngleich sie sich dort beim Bemühen um Transparenz die Zähne ausgebissen hat. Weitere politische Erfahrung sammelte sie als Stadträtin im Magistrat der Stadt Frankfurt. Von 2007 bis 2010 war Schenk Vorsitzende von Transparency International Deutschland und ist seit 2010 Mitglied des Vorstands.

Schenk beteiligte sich auch an der Ausgestaltung der sogenannten "Eisernen Transparenz" der Ironman-Triathlons von Frankfurt und Wiesbaden: Eine Initiative der Renndirektoren Kurt Denk und Kai Walter. Sie war zudem in das innovative Anti-Doping Programm des Commerzbank Triathlon Teams (ehemals Dresdner Kleinwort) um Kapitän Normann Stadler eingebunden.

[1]: Changecyclingnow.org/