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Sonntag, 30. Juni 2019

Ironman Europameisterschaft 2019: Die Dramen um Sarah True, Jan Frodeno, Patrick Lange und Sebastian Kienle

Die Mainova IRONMAN European Championship in Frankfurt am Main waren ein dramatisches Event mit vielen technischen Defekten, Fußverletzungen, Magenproblemen, unfreiwilligen Exkursionen in die Botanik, feinstem Sport und großen Dramen und kleinen Gesten. Der Klassiker in Frankfurt hat einmal mehr gezeigt, dass er für die großen Geschichten und epische Rennen gut ist.


Jan Frodeno kommt nach seinem Ermüdungsbruch aus dem Herbst 2018 offenbar in alter Stärke zurück und gewinnt das erstklassig besetzt Rennen in Frankfurt am Main souverän. Photo: Ironman/WTC

Einstand in die Königsklasse des Triathlons nach Maß: Skye Moench präsentiert sich in zwei von drei Disziplinen stark und sichert sich die EM-Krone. Photo: WTC/Ironman

Jan Frodeno, Sebastian Kienle, Franz Löschke als Podium bei den Herren und ein hochdramatisches Rennen bei den Frauen mit der Entscheidung auf den letzten 900 Metern wie in einem Albtraum für Sarah True als Favoritin auf den Sieg und den Verfolgerinnen Skye Moench, Imogen Simmonds und Jen Annett. Anything is possible am längsten Tag des Jahres!
So sehen Sieger aus: Sebstian Kienle, Jan Frodeno und Franz Löschke vervollständigen einen großartigen und spannenden Renntag der Herren beim Ironman in Frankfurt am Main. Photo: WTC/Ironman

Dramatische Szenen um Sarah True und Syke Moench

Die US-Amerikanerin Sarah True zeigt in Frankfurt das vorhergesagte Rennen. Schnell im Wasser, solide aber nicht ganz weit vorne auf und nach dem Radfahren zieht Sie im Marathon unwiderstehlich nach vorne.



Erst wenige Woche liegt das Trauma eines einminütigen Blackouts beim Ironman Cairns zurück. In der Folge wurde die Ernährungsstrategie angepasst. Eine sehr hohe Aufnahme von bis zu drei Litern Flüssigkeit pro Stunde verhindert augenscheinlich nicht die Anzeichen eines nahenden KOs. Kreidebleich, stellenweise taumelnd und torkelnd, scheinen nur wenige Kilometer vor dem Ziel ein Finish und damit die Qualifikation für Hawaii in weite Ferne gerückt. Sie nimmt die Umgebung nur noch beschränkt wahr und ignoriert sogar die Versorgungsstände komplett, während Sie sich umdreht, um imaginäre Verfolgerinnen des Profifeldes im Heer der Alterklassenathleten auszumachen.

Über die physiologischen Hintergründe der Probleme kann nur spekuliert werden. Wurden tatsächlich bis zu 3 Liter Flüssigkeit substituiert, müsste geprüft werden, ob die Lösungen ausreichend Mineralien und Kohlenhydrate entalten haben. Es können zwei Szenarien möglich sein: Entweder war die Lösung zu gering konzentriert oder zu hoch. Im ersten Fall hätte man die Symptome Anzeichen einer "Wasservergiftung", im zweiten Fall müsste der Körper zur Aufnahme der Energie und Mineralien relativ hohen Aufwand betreiben und z. B. Flüssigkeit dem Körper entziehen, um die Konzentration im Verdauungstrakt anzupassen und für die Aufnahme vorzubereiten. Genaues kann uns nur Sarah True und ihr Betreuerteam mitteilen.

Nur noch 900 Meter vor dem Ziel wird True vom medizinischen Dienst und dem Roten Kreuz auf einer Bahre aus dem Rennen genommen. Erinnerungen an das DNF von Paula Newby-Fraser auf dem Alii Drive aus dem Jahr 1995 werden wach. True wehrt sich gegen bis zu sechs Sanitäter, um wie benebelt zurück auf die Strecke gelassen zu werden. Sie will die wichtige Qualifikation für den Ironman Hawaii abhaken. Das System von True ist offensichtlich massiv aus dem Gleichgewicht geraten. Wichtige Mineralien und Kohlenhydrate liegen nach der massiven Flüssigkeitaufnahme zu wenig oder in ungünstigen Verhältnissen im Körper vor. Bei diesem Hitzerennen mit über 36°C greifen jetzt die Schutzmechansimen des Körpers, um die lebenswichtigen Funktionen der Organe zu schützen. Ein zweites DNF innerhalb weniger Wochen ist tragisch und psychologisch für die Athletin sehr belastend.

Zwischenzeitlich läuft Skye Moench an True vorbei, um als Erste ins Ziel zu stürmen. Sie hat wohl erst wenige Meter vor dem Zielkanal auf dem Römerberg realisiert, dass das Spalier der Erstplatzierten gilt: Skye Moench. Wenig Minuten später soll sich Rookie Imogen Simmonds Silber vor Jen Annett sichern.

Frodeno mit Krampf im Hüftbeuger, Kienle tritt in Fremdkörper

Im Rennen der Herren folgt einem Auftakt nach Maß im Langener Waldweg mit Jan Frodeno und  Dylan McNeice an der Spitze und einer großen Lücke das kompakte Feld der Top-Favoriten. Frodeno, mit einem kleinen Krampf im linken Hüftbeuger beim  Schwimmausstieg kämpfend, lässt das Feld der Verfolger mit den weiteren Favoriten Patrick Lange, Sebastian Kienle und Franz Löschke rund 2 Minuten hinter sich.



Kienle tritt sich offensichtlich beim Australian Exit, dem Landgang zur Hälfte der 3,8km langen Schwimmstrecke, unglücklicherweise in die rechte Ferse einen erbsengroßen Steinsplitter ein, Auswirkungen auf den Marathon? Zu diesem Zeitpunkt noch ungeklärt!

Verbremst, Frodeno mit Exkurs in die Botanik und unfreiwiligem Ballastabwurf

Auf der Radstrecke wird es turbulent. Jan Frodeno muss an einem Rechtsabbieger einem etwas zu langsam fahrenden Begleitmotorrad ausweichen und verbremst sich massiv. Nach dem Lösen der Bremsen muss er im Tiefflug über eine Verkehrsinsel springen und einen Exkurs durch eine Senke mit hohem Grasbewuchs anschließen, bevor er zurück auf die Straße geht. Bei dem Manöver, das abgeklärt und stoisch vollzogen wird, verliert "Frodo" zwei Flaschen. Auch die überlebenswichtige schwarze Rahmenflasche mit der Kohlenhydratlösung. Das Kampfgericht klärt in einer Adhoc-Sitzung, dass Frodeno wegen Fremdverschuldens Ersatz seiner Eigenverpflegung zu einem späteren Zeitpunkt aufnehmen darf, muss bei steigenden Temperaturen aber knapp 70 Kilometer ohne Eigenverpflegung auskommen und auf die körpereigenen Energiereserven und ein Notgel im Rahmenfach zurückgreifen.

Defekt für Morrison

Zwischenzeitlich trifft es Kimberly Morrison bei den Frauen mit einem Plattfuß am Vorderrad. Der Versuch mit einem Pannenspray den Reifen zu flicken misslingt und Morrison rollt auf der Strecke der Wechselzone entgegegn - in der Hoffnung, dass der neutrale technische Support noch eintrifft.

Lange mit Plattfuss

Bei Radkilometer 70 hat Patrick Lange, zu dem Zeitpunkt bereits rund 10 Minuten auf die Spitze zurück und deklassiert, mitten in der Innenstadt einen Platten am Vorderrad. Er kann den Schaden am Mantel durch einen neuen Schlauch temporär selbst beheben und verliert knapp weitere 7 Minuten, die sich im weiteren Rennverlauf auf über 47 Minuten auf Platz 1 und 2 aufblähen sollen. Der pechschwarze Tag endet in einer frustrierenden Überrundung durch Frodeno, Kienle und Co. auf der Laufstrecke und Rang 11. Mit dem Finish in 8:47:49 validiert der Träger der Startnummer 1 seinen geplanten Auftritt beim Ironman Hawaii im Oktober 2019.


Das selbst gesteckte Ziel eines Sieges in Frankfurt war nach solidem Schwimmen und einem Radfahren ohne Akzentsetzung und unruhig-kraftlosen Bewegungsbild bereits vor dem Plattfuß in weite Ferne gerückt. Vielleicht war das Ziel bereits vor dem Start in Frankfurt unerreichbar. Es bleibt abzuwarten, wie sich Lange von diesem Rückschlag beim Heimrennen erholen wird und ob und wie er das Stigma des Mannes für mannschaftstaktisch geprägte Hitzerennen zukünftig ablegen kann.

Lange und Bleymehl mit Magenproblemen

Nach eigener Aussage soll der zweifache Weltmeister bereits im Vorfeld die letzten drei Tage Probleme mit dem Magen-Darm Trakt gehabt haben. Dies wäre eine mögliche Ursache für die fehlende Kraft auf dem Rad des schnellen Läufers. Im späteren Verlauf des Marathons kann er keine Nahrung mehr bei sich behalten und muss ganze vier Mal auf die Toilette, angefangen nach dem Abstieg vom Rad vor dem Marathon.

Ebenfalls Probleme mit dem Verdauungssystem im Vorfeld hat Daniela Bleymehl, die nach für Sie enttäuschendem Radfahren als Favoritin auf das Podium nach knapp 5 Kilometern im Laufen aussteigt: DNF.


Die "Kienle aus der Asche"-Show

Sebastian Kienle kämpft derweil bei Radkilometer 125 mit einem Schleicher am Hinterrad, das sich bis in die zweite Wechselzone nahezu komplett entlernt. Der "Kienle aus der Asche"-Show tut dies aber keinen Abbruch. Er kämpft sich an Frodeno heran und gemeinsam geht es in die Wechselzone zum Laufen. Bis dahin zeigt der Weltmeister von 2014 eine beeindruckende Vorstellung, von jahrelangen Problemen mit beiden Achillessehnen ist wenig zu spüren. Wenn da nicht die Sache mit dem Steinsplitter wäre...

Schnell-Operation in der Wechselzone für Kienle

Es folgen bange Momente für Kienle in der Wechselzone. Mit einer kurzen Operation ohne Betäubung oder Narkose, die den Zuschauern an TV und Internet mit weniger stabiler mentaler Konstitution fordern soll, holt die herbeigeeilte Sanitäterin einen tief in der Ferse liegenden rund erbsengroßen Splitter mit einer Pinzette aus der Ferse. Zwischenzeitlich hat man die Befürchtung die Pinzette kommt zum Sprunggelenk wieder heraus.

Frodeno zeigt Sportsgeist, indem er sich unmittelbar vor Kienle in der zweiten Wechselzone vergewissert, dass das Rennen für den Angeschlagenen fortgesetzt werden kann. Frodo verzichtet auf einige Sekunden Vorsprung und mit Tempo und Splitzeiten von 3:30 bis 3:40 geht es auf die ersten Kilometer und den ersten Halbmarathon in rund 1:18 Stunden.

Beherzte Läufe

Kienle läuft in der ersten Hälfte des Marathons sogar auf zunächst 21, später 5 Sekunden Rückstand auf Frodeno auf, um ihn dann sogar einzuholen und sich mit Chuzpe vor den zweifachen Weltmeister von Hawaii und Titelverteidiger von Frankfurt zu setzen. Die Vorentscheidung kommt allerdings bereits 2 Kilometer später, als sich Frodeno durch eine Tempoverschärfung sukzessive von Kienle lösen kann und den Sieg einfährt. Später wird er im Ziel erklären, dass die frühzeitige Tempoverschärfung den Marathon gegen Ende zu einem harten Stück Arbeit hat werden lassen. Gestik und Mimik im Ziel bebstätigen den Eindruck und unterstreichen das taktische Husarenstück von Sebastian Kienle, der nach für ihn herausragendem Schwimmen den Druck trotz widriger Umstände konstant aufgebaut hat.

Ebenfalls beherzt läuft Franz Löschke, der im Marathon nicht ganz so schnell unterwegs wie geplant ist. Jedoch hat er sich mit dem Auftritt in Frankfurt wohl endgültig in die erweiterte deutsche und damit internationale Weltspitze etabliert und neben Platz 3 das Minimalziel der Qualifikaton für die WM in Kona erreicht.

Ergebnisse

Mainova IRONMAN European Championship, Frankfurt am Main, 30.06.2019

Männer

1. Jan Frodeno (GER) 7:56:02
2. Sebastian Kienle (GER) 8:00:01
3. Franz Löschke (GER) 8:17:24
4. Tobias Drachler (GER) 8:23:57
5. Philipp Koutny (SUI) 8:24:56
6. Matt Russell (USA) 8:26:32
7. Patrick Dirksmeier (GER) 8:29:21
8. Bas Diederen (NED) 8:34:59
9. Roman Deisenhofer (GER) 8:43:22
10. Marc Duelsen (GER) 8:44:43

Frauen

1. Skye Moench (USA) 9:15:31
2. Imogen Simmons (SUI) 9:26:01
3. Jen Annett (CAN) 9:36:25
4. Amelia Watkinson (NZL) 9:49:32
5. Saleta Castro (ESP) 10:10:01
6. Petra Eggenschwiler (SUI) 10:14:11
7. Anne Basso (FRA) 10:28:31

Hinweis: Alle Bilder und Facebook-Videos: Ironman/WTC