Mittwoch, 27. Juli 2011

Teamtaktiken im Triathlon bereits bei Olympia 2012 in London auf breiter Front?

Ironman Weltmeister Chris McCormack hat es bis auf die Müslischachtel in den USA geschafft. Neudeutsch Cerealien und träumt seinen Traum von der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2012. Dafür verzichtet der Australier sogar auf die Titelverteidigung auf Big Island, Hawaii, soweit zu den offiziellen Presseerklärungen. McCormack tritt dabei nicht als Top-Scorer mit dem Ziel Podiumsplatzierung auf, sondern möchte als Edel-Domestike für die wieselflinken Läufer im australischen Kader solide Nachführarbeit leisten.
Wird der Olympische Triathlon von London 2012 mit Alistair und Jonathan Brownlee ein ganz besonderes Dream-Team in perfekter Harmonie erleben? Photo: Delly Carr/ITU Media
Macca wäre aber nicht Macca, wenn er sich bei entsprechend positiver Entwicklung seiner Laufleistung von derzeit rund 31 Minuten auf 10 Kilometer nicht auch hier seine ganz eigenen Gedanken für den Tag der Tage im August 2012 gemacht hätte. Vielleicht sehen wir am Hyde Park eine verkehrte Welt. Teamkollegen wie Courtney Atkinson arbeiten für den cleveren Mann aus Sydney, der sich vorab im internen Qualifikationsprozeß etwaiger Konkurrenz entledigt hätte.

Australien diskutiert offen über Teamtaktiken und Helferrollen. Gibt es in den anderen Ländern, vielleicht auch bei den Nationen mit Favoriten vergleichbare Konstellationen? Der zweifache Medaillengewinner Simon Whitfield  aus Kanada hatte Colin Jenkins bei Olympia 2008 in Beijing an seiner Seite. Die Spanier bauten bereits vor ein paar Jahren um den ehemaligen Weltmeister Ivan Rana ein Helfersystem auf. Rana, mittlerweile nur noch die Nummer 2 oder 3 im spanischen Aufgebot wird sich 2012 wohl wie schon 2008 mit einer Helferrolle begnügen müssen. Gelegentliche Ausflüge in die Welt des Profiradsports haben ein ausreichend solides Fundament für die zweite Disziplin gelegt.

Deutschland hat derzeit mit seinen 4-6 potentiellen Olympiakandidaten Jan Frodeno, Steffen Justus, Sebastian Rank, Maik Petzold, Jonathan Zipf und dem mit einem sehr großen Fragezeichen versehenen Daniel Unger eher Einzelkämpfer im Portfolio, die erst beim Testwettkampf in London im kommenden August eine erste Hackordnung festlegen werden.
Olympiasieger Jan Frodeno ist nach den schwächeren Rennen im Frühjahr, etwa durch Raddefekt im Triathlon von Hamburg noch keineswegs sicher für London 2012 qualifiziert. Noch geben die Youngster, allen voran Sebastian Rank in der Deutschen Triathlon Union in der laufenden Saison den Ton an. Photo: Delly Carr/ITU Media
Rußland scheint prädestiniert für Teamtaktiken. Schließlich stellt das Land  regelmäßig exzellente Schwimmer und bärenstarke Biker im ITU Circuit. Noch fehlt es an einem Top-Läufer. Alexander Brukhankov konnte 2011 lediglich in Kitzbühel bei eher sibirischem Wetter überzeugen.

Überzeugen konnte in Kitzbühel auch der Brite Alistair Brownlee. Zusammen mit seinem Bruder stellen sie bereits die Zwei-Mann-Mannschaft, der derzeit beliebig und nahezu spielerisch die Felder auseinandernimmt und die Reste spätestens auf der Laufstrecke zerpflückt. Die hohe Tempohärte der zwei Brüder und der stete Drang bei jedem Start den Triathlon aktiv von vorne zu führen und mitzugestalten macht sie zu siamesischen Zwillingen mit situativer Arbeitsteilung. Zuarbeiten könnten die starken Radfahrer William Clarke, der erstmalig in Hamburg international auf Top-Niveau läuferisch glänzen konnte und Stuart Hayes. Ex-Welrmeister Tim Don ist wegen seiner nur durchschnittlichen Radfahrfähigkeiten und seinem bisweilen unerreichten läuferischen Stehvermögen dann doch eher der Mann für die Einzelwertung.

Ein dunkles Kapitel möglicher Teamtaktik öffnete ein anderer Brite in der laufenden Saison. Harry Wiltshire blockierte Gomez als einen Mitfavoriten für London 2012 beim ITU WCS Series Rennen von Madrid, schlug ihn im Wasser, drängte ihn ab und setzte das unsportliche Verhalten in der Wechselzone und auf der Radstrecke fort. Der arme Tropf wurde noch während des laufenden Triathlons herausgewunken und disqualifiziert.

Kein Betrugsversuch im eigentlichen Sinne. Beim ITU WCS Triathlon Madrid 2011 drängte der Brite Harry Wiltshire den Spanier Javier Gomez Noya mit Vorsatz von der Ideallinie ab, blockierte seinen Schwimmausstieg und auch den folgenden Wechsel. Wiltshire wurde von der ITU rückwirkend vom 28. Juni für 6 Monate gesperrt. Ein Start im leistungsstarken Team für die Olympischen Spiele in London und Einsatz vor heimischen Publikum ist mit der Strafe nahezu unmöglich.

Wenige Wochen später folgte eine offizielle sechsmonatige Sperre, rückwirkend ab 28. Juni 2011 durch die ITU. Wiltshire wird London wahrscheinlich nur von der Zuschauertribüne verfolgen können. Wiltshire zeigt sich indessen uneinsichtig: "Ich bin extrem über die sechsmonatige Wettkampfsperre wegen unsportlichem Verhaltens aufgebracht. Nach 14 Jahren Teilnahme ist dies ein (echter) Schlag."

Während der Beratung über das Strafmaß wegen unsportlichem und andere Athleten gefährdenden Verhaltens konnte kein Nachweis erbracht werden, dass Wiltshire auf Anweisung eines Teamkameraden oder eines Offiziellen der britischen Federation gehandelt hatte. Die Brownlee Brüder haben so eine Hilfe derzeit gar nicht nötig. Ohne Beweis, erging folgerichtig keine Sanktion oder Strafmaßnahme gegen das gesamte britische Team.

Der Vorfall im britischen Team ist ein sehr gutes Beispiel von negativ-destruktiver Teamorder, die man aus anderen Sportarten sehr wohl als taktisches Foul kennt. Die International Triathlon Union tut sehr gut daran bei weiteren Verdachtsfällen konsequente Sanktionen auszusprechen. In London werden wir wahrscheinlich trotzdem - im kleineren oder größeren Umfang - vor allem unter das Wasseroberfläche und an den Wendebojen beim Schwimmen den ein oder anderen Ausflug in die Vollkontakt-Kampfsportszene sehen. Weiter vorne sorgen indessen die Wellenbrecher im Wasser und auf dem Rad für ruhiges Fahrwasser der Laufraketen. Sofern, die beiden Brownlee Brüder scheinbar spielerisch nicht einfach das Rennen im Paarzeitfahren gegen den Rest der Triathlon-Elite für sich entscheiden.

Montag, 25. Juli 2011

Triathlon Grand Prix, Vor- und Nachteile einer Ironman Grand Slam Series

Die World Triathlon Corporation (WTC), Inhaberin der Ironman- und Ironman 70.3 World Champion Series mit jeweils einem Serienfinale muss sich ähnlich, wie die International Triathlon Union abseits von quantitativen Gesichtspunkten klassischer Expansion weiterentwickeln.

Die Ironman Hawaii Triathlon World Championships müssen nicht zwingend  in das Modell eines Triathlon Grand Slams einfließen. Tradition und Wurzeln der Sportart lassen aber eigentlich keine andere Option zu. Photo: Moritz Gmelin
Auch in der Welt des Ironman Triathlons könnte mittelfristig ein neues, der ITU nicht unähnliches Format etabliert werden. Ein Grand Prix, quasi der Grand Slam der jeweiligen Regional- und Kontinentalmeisterschaften ließe sich perfekt zu einem exzellent zu vermarktenden Paket kombinieren. Mit einem satten Preisgeld nach dem Saisonfinale ausgestattet, muss sich die WTC dabei zwangsläufig nicht nur innerhalb einer ihrer eigenen Serien bewegen. Letztlich kann man sich auch wegen des vergleichbaren Anforderungsprofils eine attraktive Mischung aus Ironman 70.3 und Ironman Triathlons vorstellen.

Aus der Liste aktuell bekannter Events mit hohem Prestige und guter Vermarktungsmöglichkeit sind die beiden Metropolregionen Frankfurt mit den Ironman European Championships (Juli) und New York mit den Ironman US Championships (Premiere August 2012) nicht herauszudenken. Ebenfalls einen festen Platz hätten unter Prestige-Gesichtspunkten die Ironman Hawaii World Championship (Oktober) und die asiatisch-pazifischen Meisterschaften im australischen Melbourne (Premiere März 2012) inne. Die Äquivalente im Ironman 70.3 sind derzeit die EM in Wiesbaden (August), die WM am Lake Las Vegas (September) und die asiatisch-pazifische Meisterschaft im thailändischen Phuket (Dezember). Ergänzung könnten die Planungen noch durch Events in den aufstrebenden Märkten China und Südamerika erfahren und bedürfen natürlich weiterer terminlicher Anpassungen, um den Spannungsbogen bis zum Finale zu halten.

Limitierender Faktor ist bei einem solchen Ironman Grand Slam in Form einer Premium-Serie die Anzahl der einzubringenden Langdistanzen. Gilt Hawaii aus emotionalen Gesichtspunkten als gesetzt, ist nach derzeitigen Qualifikationskriterien für Elite-Triathleten ein weiterer Ironman zumindest ins Ziel zu bringen, sofern zu diesem Zeitpunkt ausreichend Punkte auf Unterdistanzen erzielt wurden oder der letzte Titelgewinn auf Hawaii länger als 5 Jahre zurückliegt.

Frankfurt muss man trotz aktueller strategischer Konsolidierung innerhalb der europäischen Dependance für die nächsten 2-3 Jahre oder länger als fest gesetzt einplanen. An New York kommt ein weltweit tätiges Lifestyle-Unternehmen mit Sitz in den USA und mit Option auf einen Börsengang eigentlich nicht vorbei. Mit Kona, New York und Frankfurt ist aus trainingsmethodischer und medizinischer Sicht schon das Maximum an möglichen Langdistanzen pro Jahr ausgeschöpft, weil weitere Triathlons in den Grand Slam eingebracht werden (sollten).

Athleten mit echtem Interesse in die Punkt- und Preisgeldränge dieses Grand Slams zu kommen, sehen sich bei einer solchen Jahresplanung kaum noch in der Lage andere Rennen  - anderer Veranstalter - ernsthaft einzuplanen. Schließlich stehen sie unter dem Druck der Qualifikation für die WM. Die ebenfalls der WTC zugehörigen 5i50-Triathlons über die klassische Kurzdistanz ohne Windschattenfreigabe (1,5-40-10) sind in diese Überlegungen noch gar nicht eingebunden worden. Des Moines (U.S. Championship) und Clearwater (Serienfinale) mit ihren satten Preisgeldern warten eigentlich auch auf eine nahtlose Integration.

Ob ein Grand Slam mit fortgeschrittener Integration der verschiedenen Rennserien unter einem Dach in dieser oder leicht abgewandelter Form wirklich Sinn macht, ob die Athleten, Medien und Sponsoren ein solches Konzept mittragen werden - dies ist zu diskutieren. Die Ausdifferenzierung von Premium-Triathlons (A-Events) und Veranstaltungen mit nachgeordnetem Charakter (B-Events) wird auch bei der WTC voranschreiten. Eine Analogie zum aktuellen Modell der ITU mit World Series, World Cup, Continental Cup ist offensichtlich und verspricht durchaus Erfolg. Die Belastung der Athleten gilt es neben dem Preisgeld, der Medienverwertung und dem Terminkalender als wichtige Rahmenbedingungen sauber auszutarieren. 

Sprinttriathlon, Supersprint und Staffelformate als Zukunftsmodell im Olympischen Triathlon

Wir schreiben das Jahr 2012. Die International Triathlon Union (ITU) geht einmal mehr mit ihrem Flaggschiff der ITU World Championship Series (WCS) im Olympischen Triathlon in eine neue Saison. Mitten im Olympischen Jahr ruhen fast alle Augen auf den Olympischen Spielen von London mit den Triathlonevents am 4. und 7. August. Doch bereits die letzten 3 Jahre haben Schwachpunkte des Serienkonzepts aufgezeigt.
Hamburg gilt als Vorzeigeevent der International Triathlon Union, vereint es neben perfekter Organisation die beiden Kontrapoden Elite-Triathleten und das derzeit größte Teilnehmerfeld im Breitensport. Photo: Delly Carr/ITU Media
Der weitere Erfolg der Serie mit den Highlight-Rennen Hamburg, Madrid oder Sydney hängt von einer Straffung des Rennformats (Distanz, Termine) und einer damit einhergehenden Entlastung der Elite-Triathleten ab. Es ist also davon auszugehen, dass mittelfristig, spätestens 2013, 2014 oder 2016 in Brasilien die Gewichtung der Formate und Distanzen auf sogenannte Unterdistanzen erfolgen wird. Der Sprint-Triathlon (0,75km Schwimmen - 20km Radfahren - 5km Laufen), Supersprint-Triathlon (0,4-10-2,5) oder der Ultra-Sprint (0,2-5-1) mit mehreren Wertungsläufen haben dabei die besten Karten. Gemischte Staffeln mit je zwei Frauen und Männern runden ein medientaugliches Rennformat ab.

Nach einem zu erwartenden erfolgreichen Piloten im schweizerischen Lausanne (August 2011) wird die ITU ihre World Series in diese Richtung bewegen müssen, wenn sie weitere Events in die Wertung einfließen lassen möchte ohne die Athleten gesundheitlichen Risiken durch zu häufige Starts auszusetzen. Diese Expansion sichert auch die aktuelle mediale Vormachtstellung der International Triathlon Union auf der Olympischen Distanz gegenüber der Konkurrenz.

Eine weitere Herausforderung ist die Integration der Breitensportart Triathlon  in die World Championship Series. Bisher feiert lediglich Hamburg als Benchmarkt- und Marquee-Event jährlich neue Teilnehmerrekorde. Sydney, Madrid und London folgen eher schleppend. Hier macht die World Triathlon Corporation (WTC), die klassisch aus dem Breiten- und Altersklassensport entstanden ist, eine deutlich bessere Figur. Sie ist zunächst mit keiner und späterer eher diffuser Abgrenzung zwischen den Profis und Amateuren über viele Jahre gut gefahren. Diesen Erfolg möchte die einflussreiche Holding mit dem 5i50-Format auch auf den Kurztriathlon übertragen.

Klagenfurt neues EU-Headquarter im Ironman Triathlon, Petschnig neue Nummer 1

Stefan Petschnig ist der neue Managing Director Europe & South Africa der World Triathlon Corporation (WTC) für die Ironman Events EMEA. Nach einem kurzen Ausflug in die Politik als Spitzenkandidat der Bürgermeisterwahl von Klagenfurt 2009 folgt er damit Kai Walter als mächtigster Vertreter der WTC in Europa nach. Helge Lorenz, mit dem Petschnig bereits zu Zeiten von Triangle Events zahlreiche Ironman Veranstaltungen in Europa und Südafrika aufbaute, wird Managing Director Business Developement. Ihr ehemaliger Kompagnon Georg Hochegger hatte sich zwischenzeitlich nach dem Verkauf der Franchise-Sparte von Triangle an die WTC mit einem eigenen Rennformat abgespalten.

In Klagenfurt laufen zukünftig die Fäden für Ironman zusammen, Stefan Petschnig ist der neue mächtige Mann der WTC in Europa. Screenshot: Website Triangle.cc
Selbst das Marketing und der Finanzbereich sollen direkt von Klagenfurt aus gesteuert werden. Der ehemalige Banker Andreas Zois steuert als neuer Head of Finance Europe & South Africa die Interessen des vom Private Equity Fonds Providence Equity Partner kontrollierten Lifestyle-Unternehmens. Zois war zuletzt Finanzvorstand der Hirsch Servo AG Glanegg. Den schwelenden Machtkampf hinter den Kulissen um die europäische Vormachtstellung hat das Klagenfurter Trio mit der Vereinigung der drei entscheidenden Positionen endgültig zu seinen Gunsten entschieden. 

Zois ist die jüngste Neubesetzung einer Reihe von zum Teil spektakulären Personalentscheidungen der WTC. Die letzten größeren Änderungen bestanden in dem Rückzug von Kurt Denk auf den Posten des Chairmans der u.A. für Frankfurt verantwortlichen Agentur Xdream Sports & Events, sowie in der Berufung von Andrew Messick als CEO und damit Nachfolger des nun als Präsident der World Triathlon Corporation auftretenden Ben Fertic. Messick, vormals CEO des amerikanischen Sportrechte-Spezialisten Anschütz hat sich derzeit nicht näher zu weiteren Konsolidierungsmaßnahmen in Europa oder im asiatisch-pazifischen Raum geäußert.

Walter, ehemaliger Major der Bundeswehr verbleibt weiterhin in Hanau-Steinheim und ist in die Ausführung der Rennen von Frankfurt, Wiesbaden und Regensburg maßgeblich involviert. Die operativen Aufgaben liegen somit weiter bei Xdream als Ansprechpartner vor Ort. Der Status von Frankfurt als Europameisterschaft gilt  nach Vertragsverlängerung bis 2016 mit der Stadt für die nächsten Jahre ebenfalls als gesichert und soll kurzfristig eine weitere Aufwertung durch eine neue Serienwertung erfahren. 

Weitere Informationen auch via FAZ und Kleinezeitung.

Sonntag, 24. Juli 2011

Faris Al-Sultan (k)ein Vorbild bei kalten Bedingungen, DNF-Festival beim Ironman Frankfurt.

Bad Vilbel an einem verregneten und kalten Sonntagmorgen. Haudrauf-Triathlet Faris Al-Sultan, Weltmeister im Ironman Hawaii Triathlon von 2005 ist als waschechter Münchener ziemlich robust im Blick auf extreme Wetterbedingungen. Kälte und Hitze erschüttern den Mann mit dem exotischen Namen weit weniger, als so manchen anderen Profiathleten. Diese Schlußfolgerung kann man nach dem schaurig-schönen 24. Juli 2011 ziehen.
Faris Al-Sultan, mit Kamel in der Hand über die Ziellinie: "Ich habe nicht damit gerechnet heute zu gewinnen". Photo: Abu Dhabi Triathlon Team
Wie an einem Tag mit guter Form gewohnt, ballert der Mann mit den zum Teil eigenwilligen Trainingseinheiten mit etlichen Minuten Vorsprung vor dem Feld der Verfolger durch die Rhein-Main Region und Downtown Frankfurt Mainhatten. Als ausgesprochener Liebhaber von extrem heißen Trainings- und Wettkampfdestinationen, wie etwa dem arabischen Al-Ain oder auch dem Hawaiianischen Inselarchipel, kommt der Kapitän des Abu-Dhabi Triathlon Teams trotzdem gut mit kühlen Bedingungen zurecht. Leicht "underdressed" in kurzem Top und Badehose unterwegs, scheinen ihn die äußeren Bedingungen nicht zu sehr negativ zu beeinflussen. Dank einer smarten Ernährungsstrategie und sicherlich auch mit enormer Willensstärke gesegnet, gräbt er schon beim Radfahren und dem Marathon ganz tief unten nach seinem inneren Schweinehund und wird genauso fündig, wie die verdiente Siegerin Caroline Steffen aus der Schweiz oder die Platzierten Lucie Reed, Jan Raphael, Sonja Tajsich, Michael Göhner, sowie Darkhorse Georg Potrebitsch.

Faris Al-Sultan bleibt seinem "Speedo-Tanktop Credo" bei jeder Wetterbedingung treu, verstaut seine Trinkflasche lässig in der Badehose und kämpft sich zum Titel. Photo: Michael Rauschendorfer/Abu Dhabi Triathlon Team
Alle Triathleten erleben bei der Jubiläumsedition, der 10. Auflage des Ironman Frankfurt wegen der widrigen Bedingungen die ganze Härte der hippen Sportart, die immer auch Commitment, zeitweise Lebenseinstellung sein muss, um in ihr erfolgreich zu sein. Die kühlen Lufttemperaturen mit zeitweiligem Regen und 9 bis 11°C auf der Quecksilbersäule zeigen deutlich den Einfluss der Wetterbedingungen auf den Rennverlauf. Viele Profis haben allerdings bereits vor dem Startschuss alle Chancen auf das Podium verspielt. Manche Athleten wie Cameron Brown, seines Zeichens 10-facher Gewinner des Ironman Neuseeland mit einem Plattfuß einfach nur Pech.

Angepasste Kleidung und die richtige Ernährung sind für das erfolgreiche Finish entscheidend. Nur so können zusätzliche Risiken, wie muskuläre oder energetische Einbrüche vermieden werden. Je nach Konstitution und am Wohnort herrschender Klimazone reagieren die Triathleten dabei völlig unterschiedlich auf die Herausforderungen des Tages. Grundsätzlich kühlen kleinere Personen, wegen des geringen relativen und absoluten Muskelanteils schneller aus, als die schwereren Athleten. Diese geraten meist bei Hitze an ihre Grenzen und müssen sich über akute Überhitzung Gedanken machen. Nicht so am Frankfurter Raceday.

Unmittelbare Folge falscher Kleidung und defizitärer Kohlenhydratbilanz kann auch eine verminderte motorische Ansprechbarkeit der Muskulatur bis hin zu Krämpfen sein, die sich im schlimmsten Falle irgendwann der willentlichen Steuerung bis zur Totalverweigerung entzieht.
Der zweite große Sieg in der Karriere von Faris Al-Sultan nach dem Weltmeisteritel 2005 auf Hawaii und kleineren Erfolgen beim Ironman Malaysia (2008) und Ironman Regensburg (2010) könnte den Hunger des Bayern auf das Podium in Kona wieder geweckt haben. Photo: Abu Dhabi Tourism Authority
Die Führende Steffen kämpft nach bravourös-kontrolliertem Radrekord (4:51:07) bereits ab der ersten Laufrunde mit Krämpfen und tauben Gliedmaßen. Sie kann nur hoffen, dass sie frühzeitig von den von ihr eingeleiteten Gegenmaßnahmen profitieren kann: Pausen mit Stretching, eine hohe Zufuhr von Kohlenhydraten und Mineralien im Marathon kann das Ruder gerade noch herumreißen. Der Kampf um das Podium sollte zwischen Steffen, Tajsich, Reed (geb. Zelenkova) und der nach einer Herzoperation stetig fitter werdenden Samantha Warriner zu einem echten Drama werden.
Steffen, die gewohnheitsmäßig bereits 18 Stunden vor dem Start komplett auf flüssige Nahrung umsteigt, könnte bei der Jubiläumsauflage des Ironman Germany das Opfer von durch Kälte bedingten deutlich vermindertem Durstgefühl geworden sein. "Es war mir einfach zu kalt. Ich bin mehr der Hitzetyp. Ich habe meine Zehen beim Laufen nicht gespürt." Mit einer geringeren Trinkmenge pro Stunde geht eine zu niedrige Kalorienzufuhr auf der Radstrecke einher. Die unmittelbare Folge ist ein gestörter Kohlenhydrat-und Mineralhaushalt, der bis hin zum Krampf führt.

Die Berechnung des Kalorienbedarfs bei Kälterennen im Vergleich zu Triathlons bei warmen oder heißen Bedingungen muss also neben der passenden Bekleidung und defensiver Fahrweise zur Unfallvermeidung eine Anpassung erfahren. Der Schwerpunkt verschiebt sich vom Ausgleich der Wasser- und Mineralverluste mittels isotonischer Sportgetränke und Salztabletten, bzw. mineralreicher Gels. Feste oder halbflüssige Nahrung wird in Form von Riegeln, Gels oder besonders stark mit Kohlenhydraten angereicherten Getränken bevorzugt. Der höhere Energieverbrauch durch die Auskühlung des Körpers via Windchill-Effekt beim Radfahren wird so gut berücksichtigt.

Geschieht diese Anpassung nicht, kann früher (als erwartet) ein energetischer Engpass, bis hin zum gefürchteten Hungerast als Symptom akuter Unterzuckerung, eintreten. Beim Auftreten des ungeliebten Effekts, muss die Geschwindigkeit als direkte Folge meist massiv gedrosselt werden, bis sich der Körper erholt hat. Als Notfallmaßnahme müssen umgehend intensiv Kalorien zugeführt werden, ohne den Verdauungsapparat dabei zu überlasten und eine negative Reaktion von Magen und Darm zu provozieren. Wird die Hypoglykämie bei Kälte nicht nachhaltig mit Kalorienzufuhr entgegnet, besteht die reelle Gefahr das Ziel nicht zu erreichen.

Wie entscheidend eine abgeänderte Ernährungsstrategie und die richtige Kleiderwahl bei kühlen Außenbedingungen sind, zeigt exemplarisch der Triathlon in Frankfurt.mit Erste Wahl bei der Ausrüstung sollten Regenwesten, Armlinge, Beinlinge, Neoprenüberschuhe, Mützen oder auch etwas Vaseline an den exponierten Gelenken und Muskeln sein.
Prominentestes Opfer der kalt-nassen Bedingungen ist der erste deutsche Ironman Weltmeister Thomas Hellriegel (1997). Das fehlende "Hellriegel-Wetter" führt zu einem kurzen Krankenhausaufenthalt als ernüchternde Tagesausbeute. Die Lokalmatadoren Nicole Leder und Horst Reichel, sowie die US-Amerikanerin Dede Griesbauer (Sturz im Kreisel) zählen ebenfalls zu den frühen prominenten Opfern der unwirtlichen Bedingungen. Viele von ihnen wird man Anfang August, wie vielleicht auch 70.3 Weltmeister Michael Raelert, beim Ironman Regensburg an der Startlinie sehen, um sich vielleicht doch noch die Qualifikation für den Ironman Hawaii zu sichern.
"DNF is no option" - keine Schande, wenn es bei diesen Bedingungen beim Ironman Frankfurt am 24. Juli 2011 vielleicht nicht bis ins Ziel gereicht hat. Der Weg ist das Ziel. Photo: PowerBar
Etliche Agegrouper müssen zum Teil schon nach dem Schwimmen und Radfahren wegen Unterkühlung aus dem Rennen genommen und medizinisch versorgt werden: DNF, auch weil schon am Morgen wegen fehlendem Schuhwerk und unzureichender Kleidung vor dem Startschuss die Körper auskühlten. Mit adäquater Kleidung und angepasster Ernährungsstrategie wäre dieser GAU in dieser Form nicht passiert. Monatelange Vorbereitung wäre für viele Athletinnen und Athleten mit dem Zieleinlauf auf dem Frankfurter Römerberg belohnt worden.

Ein Blick in die ausführlichen Ernährungstabellen der führenden Sportnahrungsmittelhersteller und die Fachliteratur hätte viele angehende Ironman und Ironwoman besser auf den Tag X vorbereitet.  Der nicht eingehaltene Slogan "DNF is no option" ist bei diesen Bedingungen kein Makel - nur die Sorglosigkeit mancher Athleten angesichts eindeutiger Wettervorhersagen.

Freitag, 22. Juli 2011

Cheatcodes, die lustigsten Betrugsversuche der Profis im Triathlon

Das letzte Posting über die Verantwortung der Veranstalter für Fairness im Sport zu sorgen hat zu diesem Artikel inspiriert. In den letzten 10 oder 15 Jahren sind sonderbare Geschehnisse großteils als Augenzeuge erlebt worden. Beim Ausflug in die Welt der kleineren und größeren Gaunereien wurde auf die Gesamtthematiken Doping und das Verlassen und Abkürzen der Wettkampfstrecken bewusst verzichtet. Auf eine Namensnennung innerhalb der Top 5 wird ebenfalls kein Wert gelegt, wenngleich manche der Geschichtchen natürlich unweigerlich deutliche personengebundene Assoziationen wecken.
Absolut kein Betrüger, sondern ein aufrechter Sportsmann und Finisher. Chris Sadowski wurde beim Ironman Hawaii 2004 bei Radkilometer 168 von einem offiziellen Motorrad "touchiert" und sein Hinterrad plastisch verformt. Es war wohl der bisher längste Marsch auf Socken, den Big Island bis dato gesehen hat. Photo: Kai Baumgartner
Unter Wasser ist der Race-Marshall blind
Ein männlicher Profitriathlet war der Meinung mit speziellen, weichen Handpaddles die Auftaktdisziplin über 3,86 Schwimmkilometer in Angriff nehmen zu können. Die Kampfrichter verdeutlichtem ihm die Sinnhaftigkeit des Regelwerks kurz nach dem Schwimmausstieg.

Der Michelin-Mann Effekt
Auf Big Island von Hawaii sind Prototypen von Schwimmanzügen hoch im Kurs. Die Innovationsfreude der Hersteller und Profis erlangte in einem Jahr traurige Berühmtheit, als vermehrt sogenannte Speedsuits mit doppelten Schichten und damit größerem Auftrieb und stärkerer Kompression auftauchten. Zuvor durchgeführte "normierte" Floating-Tests mit definierten Beschwerungsgewichten passierten die zuvor gezeigten Referenzanzüge problemlos.


Kein Betrugsversuch im eigentlichen Sinne. Beim ITU WCS Triathlon Madrid 2011 drängte der Brite Harry Wiltshire den Spanier Javier Gomez Noya mit Vorsatz von der Ideallinie ab. Wiltshire wurde von der ITU rückwirkend vom 28. Juni für 6 Monate gesperrt.

"Got a ride" Teil 1
Bei einem der härtesten Triathlons der Welt konnte ein Triathlet während einer sehr langen (!) Flachpassage etwa 50cm hinter einem wirklich großen Van mit offener Heckklappe gesichtet werden. Zwecks Alibi wurden von den beiden einheimischen Insassen ab und an unmotiviert mit einer Amateurkamera die typischen Handbewegungen eines Fotografen durchgeführt. Ungeklärt und noch immer Objekt heftiger Spekulation ist der Umstand, ob bei den langen Bergaufpassagen besagter Profi samt Bike im Inneren des Vans verschwand.

"Got a ride" Teil 2
Ebenfalls unter Innovationsdruck stand bei identischer Wettkampfdestination eine Landsfrau. Sie begnügte sich in einem anderen Jahr, genügsam wie sie war, mit einem Motorrad als Pacemaker.

Da war die Luft raus
Bei den World Military Triathlon Championships manipulierte ein Nationalkader-Triathlet das Wettkampflaufrad seines eigenen Mannschaftskollegen vor dem Start. In der Wechselzone ließ er in einem vermeintlich unbeobachteten Augenblick die Luft entweichen. Vom betroffenen Triathleten inflagranti erwischt, hatte der Deliquent sehr viel Glück nicht vor ein Kriegsgericht gestellt und damit unehrenhaft entlassen zu werden. Das Abschneiden bei einer Militär-WM ist maßgeblich mitentscheidend für die Zuordnung in entsprechende Sportfördergruppen als Berufssoldat. Der sportliche Fachverband deckte den Vorfall. In seiner späteren Karriere sollte der Athlet, wenn es mal nicht mehr so richtig rund lief, auf einsamen Streckenabschnitten primär bei seinen eigenen Laufrädern die Luft rauslassen. Streckenabkürzungen gehörten leider ebenso zu seinem Standardrepertoire.

Weltbestzeit, Weltrekord im Triathlon. Über die Anziehungskraft der Bestzeiten auf den Langstrecken.

Grundsätzlich gibt es im Triathlon als Freiluft-Sportart keine Weltrekorde. Begründet liegt dieser Verzicht in der Ermangelung standardisierter Strecken, wie man sie in Hallen und Stadien anderer Sportdisziplinen antrifft. Von Rekorden schreiben gelegentlich engagierte Sport-Outsider und Praktikanten. Der anglo-amerikanische Raum mag sich ebenfalls in seiner ihm eigenen Art in der Hyperinflation der Superlative suhlen. Richtiger ist es aber von Weltbestzeiten zu sprechen.

Die Weltbestzeiten fielen 2011 gleich reihenweise. Zunächst kam die 14 Jahre alte Bestmarke von Luc Van Lierde durch Marino Vanhoenacker in Klagenfurt unter die Räder. Keine Woche später konterte Andreas Raelert in Roth und lieferte auch die Vorlage für das weibliche Pendant Chrissie Wellingtons am gleichen Tag und Ort.  Photo: Bollwein/Triangle
Durch verschiedene Gründe bedingt, ist in den letzten Jahren ein messbarer Leistungssprung bei den Frauen und zeitverzögert auch bei den Männern zu verzeichnen, die im vergangenen Jahr und auch 2011 in erstaunlichen neuen Weltbestzeiten durch Chrissie Wellington, Marino Vanhoenacker und Andreas Raelert mündeten. Bei einer noch jungen Sportart wie Triathlon mit jährlich steigendem positiven Innovationsdruck in den Bereichen Ausrüstung, Trainingsmethodik, sowie Ernährung und Regeneration eine erklärbare Entwicklung.

Zeiten der Rekordhatz und medialer Ausschlachtung sollten eigentlich vorbei sein. Dramatisch-spannende Renninszenierungen sind auch durch die richtige Auswahl der Protagonisten möglich! Denkt man, weit gefehlt! Das Echo in den Special Interest Publikationen und den allgemeinen Medien hat gezeigt, dass Bestzeiten der Wellenkamm sind, auf dem sich eine Triathlonveranstaltung exzellent vermarkten kann.
Warum sind Superlative auch bei kaum zu vergleichenden Strecken eigentlich so anziehend? Selbst ein Triathlon an ein und demselben Ort stellt sich jährlich anderen Wetterbedingungen oder gar Streckenmodifikationen. Wozu also überhaupt Bestzeiten fleißig für die Sportstatistiken aufnehmen? Triathlonveranstaltungen, die sich vor allem dadurch auszeichnen, erstklassigen Service und Organisation bei interessantem Streckenprofil zu bieten, sollten eigentlich genug Geschichten zu erzählen haben.

Bevor alte Wunden wieder aufgerissen werden, bleibt festzuhalten, dass es um allgemeine Betrachtungen geht. Zum gesamten Thema wurde in der Vergangenheit deutlich, argumentativ sauber und transparent auf 3athlon.de Stellung bezogen. Das Thema ist in Teilen insofern obsolet, da diverse Triathlonevents wie etwa die Challenge Roth in der jüngeren Vergangenheit Streckenänderungen (im Sinne überfälliger Verlängerungen) vorgenommen haben.

Einem Veranstalter sollte für nachhaltigen Zulauf der Profis der faire Wettkampf, abseits von Betrügereien am Herzen liegen. Zur aktuellen Diskussion in den einschlägigen Foren im deutschsprachigen und us-amerikanischen Raum über die beiden Kurse von Klagenfurt und Roth gehört der Aspekt der Fairness. Zur Fairness gehören die erstklassige Behandlung der Sportler vor, während und nach dem Rennen. Dazu gehört insbesondere die Sicherstellung einer Gleichbehandlung bei Antritts- und Preisgeld, Transfers, Unterbringung, Pressearbeit und Kommunikation, Einhaltung des Regelwerks (Anti-Doping, Abkürzen, Windschattenfahren, Pacing, unerlaubte Ausrüstung) und last but not least die korrekten Streckenlängen auf allen Teilstrecken inklusive der Wechselzonen.

Im Zeitalter von GIS, Google Maps, GPS und Normierungsmöglichkeiten durch anerkannte und objektive Fachverbände oder externe Prüfer sollte zumindest letzte Frage leicht zu beantworten sein. Ein notariell beglaubigtes Vermessungsprotokoll muss eine Selbstverständlichkeit bei einer Ausschreibung eines internationalen Top-Rennens sein, das eine gültige Weltbestzeit für sich proklamieren und vermarkten will. Dies soll aber nicht das eigentliche Thema sein. Die Initiative muss hier von Veranstaltern, Verbänden, Sponsoren und den Athleten selbst kommen, weil es um die ureigendsten Interessen geht.

Vielen Triathleten ist es ziemlich egal, ob das Schwimmen mit oder ohne Strömung stattfindet, eine Radstrecke 178 oder 182 Kilometer lang ist oder ein Marathon schon nach 40 Kilometern und einigen Metern sein Ende findet. Natürlich wird es das eigene Ego freuen, eine neue persönliche Bestzeit (PB) verzeichnen und in der Lokalzeitung und am heimischen Beckenrand beim Wundenlecken kommunizieren zu können. Dazu sind Triathleten zu sehr Narzissten.

Puristen und Traditionalisten mögen das etwas anders sehen. Beim Start einer Challenge oder bei einem Ironman, muss neben einem tollen Erlebnis mit 1a-Service auch jeder einzelne Meter der nominell 226,255 Kilometer (3,86km Schwimmen, 180,2km Radfahren, 42,195km Laufen) erlebbar sein. Dafür hat man bezahlt, darauf möchte man stolz sein. Sind es weniger - kein Problem, dazu sind Ausschreibungen da.

Puristen freuen sich auch über den Umstand den Regeln entsprechend nicht in einer Gruppe gefahren zu sein und ohne Abkürzen, Pacing oder  Doping den Triathlon mit der eigenen physischen und mentalen Stärke gefinisht zu haben.

Zur bestmöglichen Unterstützung der Athleten beim ehrlichen und fairen Kräftemessen sollten sich alle Veranstalter verpflichtet fühlen. Treffen alle obigen Bedingungen zu, steht einer glaubwürdigen Bestzeitvermarktung kein Hindernis im Wege. Die nächsten 2-3 Jahre werden sportlich auch ganz ohne Bestzeiten sicherlich extrem spannend werden.

Mittwoch, 20. Juli 2011

"Das ist wie eine halbe Bruchlandung" - der Startverzicht von Michael Raelert beim Ironman Frankfurt als Video und Transkript

Der Startverzicht des 31jährigen Rostockers Michael Raelert am Mittwochmittag hat Wellen in der Triathlon-Szene geschlagen. Das folgende Video zeigt in eindrucksvollen Bildern, wie es dem zweifachen Weltmeister bei der Verkündigung des Startverzichts (DNS) in Frankfurt am Main erging und welche inneren Kämpfe der mit der Welt hadernde Impressario auf der Halb-Distanz mit seiner Entscheidung auszustehen hat.
Michael Raelert war in der Vergangenheit anfällig für Verletzungen am Bewegungsapparat und hat frühzeitig den Schwerpunkt auf Prophylaxe und Diagnostik legen müssen. Photo: EJOT TV Buschhütten
Transkript der DNS-Ankündigung von Michael Raelert:
"Wie soll ich sagen? Eigentlich wollte ich heute gar nicht kommen. Vom Kopf her bin ich relativ fest, sehr fest, weil die Entscheidung ist gefallen. Ich werde am Wochenende nicht starten. Ich werde mein Debüt (auf der Ironman-Distanz) nicht in Frankfurt geben. Das hat medizinische Gründe. Ich habe mir mit dem Becken etwas zugezogen, was von heute auf morgen nicht... Das hatte ich schon länger. Aber das ist jetzt noch mal akut geworden die letzte Woche. Ich habe am Wochenende einen Wettkampf mitgemacht .Wie dem auch sei. Das Traurige dabei ist - Caroline (Steffen; Anwärterin auf den Gesamtsieg) hat gesagt, sie macht den Sport seit anderthalb Jahren. (Pause) Es tut mir leid, ich dachte ich sei cooler. Ich mache den Sport seit 16 Jahren. Ich habe 16 Jahre quasi auf diesem Moment hingearbeitet, endlich meinen ersten Ironman zu machen.




Ich bin in einer sehr guten Form. Wir wissen, Andreas hat vor zwei Wochenenden eine sehr gute Zeit (in Roth), eine Sensation gezeigt. Ich bin der Meinung, ich stehe dem in Nichts nach, aber kann trotzdem dieses Wochenende nicht starten. Die Entscheidung ist gefallen. Ich habe das mit den Ärzten besprochen, mit meinem Bruder Andreas. Die Gesundheit geht in der Hinsicht vor. Nun habe ich 16 Jahre warten müssen, evtl. muss ich 17 Jahre warten auf mein Ironman Debut. Tja, deswegen bin ich gerade doch relativ geknickt, ja.


Das sind muskuläre Probleme. Ich habe eine Beckenverwringung, (Torsion) heißt das. Medizinisch weiß ich nicht, wie das im Lateinischen heißt. Unten zwei Wirbel und oben, im oberen Bereich zwei Wirbel, die haben sich verdreht. Das hatte ich schon länger. Klar ist es mir bewusst geworden. Ich habe es aber nicht als Schlimm erachtet. Habe am letzten Wochenende noch einmal den letzten Testwettkampf mitgemacht. In Schwerin, eine Olympische Distanz, um zu sehen, was ich kann oder was mich erwartet. Ja, am nächsten Tag am Montag war es schlimm. Dienstag konnte ich gar nicht aufstehen. Tja, nun heißt es für mich die Beine hochlegen und abwarten, was die nächsten zwei, drei Wochen zeigen. 


Für mich ist das eine sehr, sehr komische Situation. Weil ich muss sagen, ich stehe auf den ganzen Quatsch hier. Ich würde gerne die 1 sein. Ich bin der, der gerne (nach Frankfurt) kommt und jetzt auch (den vakanten Titel des Bruders) gewinnt. Das war meine einzige Motivation, bzw. es war meine Einstellung. Ich habe an Nichts anderes gedacht. Ich bin jetzt nicht hergekommen, um Platz 10 zu machen. Ich bin hierhergekommen, um zu gewinnen. Und am Besten noch mit einer hervorragenden Zeit. Das wird leider nicht der Fall sein. Wie das jetzt weitergeht? Klar, Jeder sagt Gesundheit geht vor. (Pause) Das klingt echt lächerlich, aber ich muss mich echt zusammenreißen. 


Ich weiß ich könnte am Wochenende den Wettkampf machen. Ich könnte auch sehr gut sein, weil die Form ist da. Wie gesagt, ich war noch nie so gut in meinem Leben. Deswegen ist das besonders schwer. Aber was danach kommen würde, wäre halt fraglich und deswegen: die Entscheidung ist, keinen Ironman zu machen. Wie lange das jetzt dauert, das weiß ich nicht. Klar, Physiotherapie und den ganzen Quatsch, was dazu gehört - aber wie lange das jetzt dauert - weiß ich nicht. Die Saison ist für mich nicht gestorben, ganz im Gegenteil. Aber, der Wettkampf (in Frankfurt) ja.


Mir wurde nahegelegt keinen Ironman zu machen dieses Jahr. Das akzeptiere ich nicht! Egal wer da kommt. Auch mein Bruder hat gesagt, ich soll komplett zurückstecken. Das kann ich nicht, das werde ich nicht! Soweit bin ich (noch) nicht vom Kopf! Ich muss mich erst einmal damit zufriedengeben, dass ich am Wochenende nicht starten werde. Das (Verletzung und Start auf Hawaii) wird sich die nächsten Wochen entscheiden. Ich will - gewiss. Jemand wird halt sagen, Nein. Aber mein Ego ist zu groß, um das jetzt zu akzeptieren! Mein Stolz ist zu groß. Ich kann jetzt nicht einfach die Entscheidung, die für mich anscheinend gefällt wurde, akzeptieren. Darum werde ich daher diese, bzw. nächste Woche quasi alles Mögliche ausschöpfen, um das nicht Wahrwerden zu lassen, dass ich (auf Hawaii) nicht starte.


So eine Beckenverwringung ist quasi eine muskuläre Sache. Das ist im oberen Bereich, ich weiß nicht genau in welchem Bereich die Wirbel verdreht sind, auch unten, dass sich die komplette Rückenmuskulatur verhärtet und dabei verklebt. Man kann in die Badewanne gehen, man kann Massagen kriegen. Aber das geht von heute auf morgen nicht weg.


Ich habe einen wahnsinnig großen Fehler gemacht. Ich habe am Wochenende einen Wettkampf gemacht, weil ich mich besser gefühlt habe. Das Problem ist schon seit etwas Längerem, seit drei oder vier Wochen. Und das kam, nach Tempoläufen, auf dem Asphalt mit (Racern). Mit besonderen Schuhen - egal. Auf jeden Fall ist das da aufgetreten. Es ist dann schlimmer geworden. Dann kam der ganze Quatsch mit Physiotherapie und es wurde dann besser. Doch am Wochenende, statt die Beine ruhigzuhalten, musste ich das einfach. Ich brauchte das für's Ego, diesen Wettkampf zu machen! Seitdem ist es halt wieder schlimmer geworden.


Wie dem auch sei. Was Hawaii angeht. Wie gesagt, ich habe 16 Jahre auf den ganzen Quatsch trainiert, gemacht und gelebt. Ich geb's auch noch nicht auf! Auch wenn Andi schon gesagt hat, "Komm, fass dich mit dem Gedanken ab." Wie auch immer, noch gebe ich nicht auf. Wie es jetzt zum Duell (auf Hawaii) kommen wird, dass wird sich noch entscheiden. Aber noch bin ich nicht weg vom Fenster, quasi auf (der diesjährigen) Ironman-Distanz.


Ich muss dazu sagen. Ich wollte nicht sagen Quatsch. Ich bin einfach sehr frustriert. Ich kann mich auch schwer zurückhalten. Deshalb werde ich vielleicht auch ordinär. Das ist halt mein Leben. Zu wissen, auf einmal "es geht nicht", wie man es sich wünscht, ist quasi wie eine halbe Bruchlandung. Wie sagt man so schön, "wer hoch fliegt kann auch tief stürzen oder fallen". Momentan - ich bin noch nicht ganz gefallen - aber momentan ist man wieder auf (dem Boden der Tatsachen)..., ja. Das erklärte Ziel ist etwas weiter weggerückt."

Video: Frankfurter Rundschau Online

DNS: Michael Raelert sagt Start beim Ironman Frankfurt ab!

Der Rostocker Michael Raelert, zweifacher Weltmeister im Ironman 70.3 hat seine Startzusage für die Frankfurter Sparkasse Ironman European Championship wegen undifferenzierter Rücken- und Hüftprobleme zurückgezogen. In einer Mitteilung und auf der heutigen Pressekonferenz erklärte Raelert mit brüchiger Stimme und Tränen in den Augen, dass die Probleme aus einer Torsion von Beckenknochen resultieren, die neben Blockaden verschobener Wirbel zu Verspannungen und Verhärtungen der Muskulatur führen würden. "Triathlon ist mein Leben. Auf diesen Moment hatte ich 16 Jahre hingearbeitet", erklärte einer der stärksten Triatheten der Welt in einem Video. Für den 31jährigen Doppelweltmeister ist es das zweite DNS (Did not start) in der laufenden Saison. 
Ist der Traum der Raelert Brothers vom gemeinsamen Start beim Ironman Hawaii 2011  bereits ausgeträumt oder besteht noch eine Chance für das begehrte Ticket, indem auch Michael beim Ironman Regensburg an den Start geht? Photo: ASS
Mit dem DNS in Frankfurt am Main gerät auch die Qualifikation und damit die Sonderprämie von USD 1.000.000 für die Weltmeisterschaften im Ironman Hawaii Triathlon im Oktober für einen Teil der Raelert Brothers in Gefahr. Michael Raelert muss, wie auch sein älterer Bruder Andreas Raelert, noch bis Ende August einen Ironman ins Ziel bringen, sonst kann trotz ausreichender Punktzahl kein Start in Kailua-Kona erfolgen. Für Michael sollte in der Main-Metropole das Debüt auf der Langstrecke mit dem Ticket für die WM verknüpft werden. Für den amtierenden Ironman-Europameister Andreas ist der Ironman Regensburg am 7. August für die Vergabe des Slots auserkoren worden.

"Das ist gerade so etwas wie eine halbe Bruchlandung. Wer hoch fliegt, kann auch tief stürzen. Hawaii gebe ich noch nicht auf. Mein Stolz und Ego sind zu groß, um das zu akzeptieren" erklärte der Maßstab auf der 70.3er Distanz fast trotzig an diesem Mittwochmittag in Frankfurt am Main. Es ist sehr gut möglich, dass beide Raelerts in Regensburg an der Startlinie stehen, sofern sich die orthopädischen Probleme von Michael bis dahin gelöst haben. Ein solcher Start stünde zwar im Konflikt mit einer geplanten Titelverteidigung bei der EM im Ironman 70.3 Triathlon im hessischen Wiesbaden am 14. August, käme aber gerade noch rechtzeitig vor dem Schließen der Liste der offiziellen Qualifikanten am 31. August durch die World Triathlon Corporation.


In einer Veröffentlichung nimmt Michael Raelert zur Krankheitssymptomatik in deutscher und englischer Sprache Stellung.
"Mein Training und die Vorbereitungen für das Debüt auf der Ironman-Distanz sind seit Jahresbeginn sehr gut und nach Plan verlaufen. Im Frühjahr habe ich vereinzelt nach den härteren Trainingseinheiten punktuelle Schmerzen im Hüftbereich verspürt, die aber anschließend sofort wieder verschwunden sind. Für mich Bestand kein Grund zur Besorgnis, da ich dies immer mal wieder von großen Trainingsumfängen her kannte. Mein erster Saisonstart am vergangenen Wochenende beim Schweriner Schlosstriathlon war als letzter harter Formtest perfekt! Trotz der kurzen Distanz hatte ich jedoch nach dem Rennen abends Hüftschmerzen, sofortige physiotherapeutische und chiropraktische Behandlung zeigte zwar die erhoffte Linderung, der Schmerz kam jedoch am Montag wieder zurück. Erneute therapeutische Behandlungen noch am gleichen Tag sowie am Dienstag brachten leider nicht den gewünschten Erfolg, vor allem erscheint für mich im Hinblick auf die Länge und damit verbundene Härte der Distanz beim Ironman Germany am Sonntag ein Start aus gesundheitlichen Gründen nicht vertretbar, das Risiko zu groß. Gerade was den weiteren Saisonverlauf mit den für mich sehr wichtigen Rennen in Wiesbaden, Las Vegas und auch Kona angeht, möchte ich die möglichen Risiken und Schädigungen absolut vermeiden. Ich bedaure sehr, nach den monatelangen Vorbereitungen, nicht am Rennen teilnehmen zu können, denn wie viele andere Triathleten auch, hatte ich mich auf diesen gemeinsamen Tag gefreut!" - Michael Raelert

"My training and the preparations for my first Ironman distance have been going very well and according to plan since the beginning of the year. In the spring, after the more rigorous training sessions, I experienced pain in certain areas around the hips which disappeared again immediately afterwards. This didn't represent a cause for concern to me, as I had previously experienced such discomfort on several occasions after more ambitious and hard training sessions. My first start of the season last weekend at the Schweriner Schlosstriathlon was perfect as the last rigorous test of my physical form! In spite of the short distance involved I experienced pain in the hips on the evening after the race: although immediate physiotherapy and chiropractic treatment did bring about the relief I had hoped for, the pain returned on the following Monday. Renewed therapy, both on the same day and on the Tuesday, unfortunately didn't bring about the desired results; it seems, especially in the light of the distance and associated toughness of the hard course, to be too big a health risk for me to take part in Ironman Germany on Sunday. In view of the fact that this season features races in Wiesbaden, Las Vegas and Kona which are very important to me, I categorically want to avoid any possible risks and harm to my health. I deeply regret that I will be unable to take part in the race, especially after so many months of training, as, like many other triathletes, I had been enormously looking forward to this day of common endeavour!" - Michael Raelert

Weitere Informationen mit dem Transkript und Video der Startabsage von Michael Raelert.

Raelert brothers Inc. - Andreas und Michael Raelert auf dem Durchmarsch zum Olymp im Langdistanztriathlon

Die Hitze wabert über dem heißen Asphalt auf dem Queen K Highway von Big Island, Hawaii. Jetzt noch diese langgezogene Steigung, dann eine Rechtskurve mit starkem Gefälle und eine kleine Schleife im Ort die eine Mischung zwischen Kreuzgang und Jubellauf gleicht. Das mögen die Gedanken von Andreas Raelert beim Ironman Hawaii 2010 gewesen sein, kurz bevor er nach stundenlanger Jagd im Marathon den Ausreißer und späteren Sieger Chris McCormack aus Australien eingeholt hatte.
Raelert Brothers Inc.: Das historisch erfolgreichste Geschwisterpaar auf den längeren Triathlondistanzen versucht sich analog zu den Boxern Vitali und Wladimir Klitschko als Paket auch außerhalb der Kernzielgruppen zu vermarkten. Photo: Donald Miralle (Erstpublikation LAVA Magazine)
Seite an Seite liefen die beiden für etliche Meter, bis McCormack, zwischenzeitlich immer wieder eine Schulterbreite Vorsprung verteidigend und damit seinen psychologischen Vorteil im Auge behaltend, an der Verpflegungsstrecke an der steil abfallenden Palani Road den siegentscheidenden zweiten Angriff setzte.

Der erste Angriff, der die Radgruppe auseinander riss, erfolgte zwischen Kawaihae und Hawi, kurz vor dem Wendepunkt der windanfälligen Radstrecke und sorgte für eine Zersprengung des Feldes und Isolation des vermeintlich stärksten Läufers Craig Alexander. Andreas Raelert konnte bei diesem Ironman Hawaii sehr viel lernen und für seinen Fünfjahres-Masterplan einige Haken auf der Checkliste setzen. Was ist von dem Rostocker und seinem Bruder Michael, dem zweifachen Weltmeister im Ironman 70.3 Triathlon von Clearwater in den nächsten zwei bis drei Jahren zu erwarten?

Es gibt wenige Triathleten auf der Langstrecke, die sich so professionell in der Analyse der sportlichen Leistungsfähigkeit und eigenen Markenbildung ausüben. Raelert Brothers, quasi das triathletische Inc.-Pendant zu den Klitschko-Brüdern, soll zum weltumspannenden Markenbegriff werden, der den Sprung aus der boomenden Nischensportart Ironman Triathlon schaffen könnte. Die Voraussetzungen scheinen gut. Triathlon boomt, gerade auch unter Entscheidern von Sponsorbudgets. Potentiell schnellere Triathleten mit den nötigen Basis-Fertigkeiten und Fähigkeiten für die Langstrecke werden aus dem Olympischen Programm erst ab Frühjahr und Herbst 2012 einen Wechsel erwägen. Sodann müssen sie sich durch das fordernde Qualifikationssystem der World Triathlon Corporation durchkämpfen und greifen frühestens 2013 mit Nachdruck in das Geschehen ein. Die Raelerts müssen sich also zunächst um den Status Quo und ihre eigenen Puzzleteilchen dauerhafter und umfassender sportlicher Leistungsfähigkeit kümmern.

Bei Betrachtung der beiden bodenständigen und im Wasser gleichermaßen dominanten Rostocker Brüder fällt auf, dass sie als ehemalige Schwimmer neben der naheliegenden Stärke im Wasser weder beim Radfahren oder Laufen Schwächen haben. Stärken, wohin das Auge blickt. Intelligent reagieren sie auf wechselnde taktische Herausforderungen auf der Langdistanz oder im Ironman 70.3 und machen insgesamt nur wenige Fehler.

Zunächst schockte Andreas Raelert trotz Eisenmangel und leistungshemmender Substitution von Eisen bei der Europameisterschaft im Ironman Triathlon von Frankfurt 2010 auf einer etwa um 5 Kilometer längeren Radstrecke. Nach Solofahrt im 42er Schnitt blieben die Uhren bei einem neuen um 5 Minuten schnelleren Streckenrekord von 4:20:35 Stunden stehen. Normann Stadler, Inhaber der alten Bestzeit zeigte sich noch im laufenden Rennen beeindruckt, als sich der Husarenritt abzeichnete. "Weiß er eigentlich, was er da macht?" Der 6. und 12. der Olympischen Spiele von Sydney und Athen knautschte aus seinem sichtlich angknockten Körper eine mittelprächtige Laufzeit und setzte sie ganz oben auf das Siegertörtchen. "Gut, er ist ein Mensch" mögen Profis auf dieser Welt erleichtert registriert haben.

Auf Hawaii des gleichen Jahres konzentrierte er sich auf seine Laufstärke und unterlag nur knapp dem Australier McCormack. Ihm unterliefen dort lediglich zwei Fehler. Zuerst verpasste er den entscheidenden Angriff von Chris McCormack auf dem Rad, dieser ließ sich nicht bitten und distanzierte alle schnellen Läufer vorentscheidend. Fehler Nummer 2 folgte nach dem späten Anschluß an Macca auf der Laufstrecke, als Raelert, unter massiven energetischen Druck stehend, sich nicht umgehend nach vorne verabschieden konnte und an der siegentscheidenden Stelle Getränke aufnahm, während McCormack den finalen Antritt und Angriff lancierte.

Bei der Challenge Roth rief Andreas Raelert das komplette Paket ab und pulverisierte mit der 7:41:33 Stunden den alten Streckenrekord von Luc Van Lierde. Er holte im Handstreich die nur eine Woche zuvor von Marino Vanhoenacker aufgestellte und an den Ironman Klagenfurt verlorene Weltbestzeit nach Roth zurück. Schockwellen aus dem Epizentrum im Fränkischen gehen noch immer durch die Triathlonlandschaft.
Die Messlatte ist aufgelegt, das Maßsystem aus den Fugen, wenngleich einem erfolgreichen Start beim Ironman Hawaii 2011 noch eine ins Ziel zu bringende volle Ironman-Distanz im Wege steht. Wunschgemäß soll dieses Rennen beim Ironman Regensburg stattfinden. Für manche Experten nach dem Rekordrennen von Roth ein sehr ambitioniertes Projekt auf des Messers Schneide und ernstes Warnzeichen für einen Erfolg in Kailua-Kona gute zwei Monate später, das dem Körper zu viel für eine Top-Leistung zumuten könnte.
Raelert Brothers Inc. in Action: Bei der Challenge Roth pulverisierte Andreas Raelert die Weltbestzeit im Triathlon. Als Coach zur Top-Zeit von 7:41:33 Stunden stand ihm der zweifache Weltmeister im Ironman 70.3, Michael Raelert (Hintergrund auf dem Rad) zur Seite. Photo: Ingo Kutsche - www.sportfotografie.biz
Michael Raelert entwickelte sich, von seinem Bruder trainiert und gelegentlich eingebremst, stetig weiter und ist auf der Halben Distanz, dem Ironman 70.3 eine echte Bank. Nahezu unschlagbar präsentierte sich Raelert bei der ersten erfolgreichen Titelverteidigung eines Ironman 70.3 Weltmeisters in Florida überhaupt. Am kommenden Wochenende in Frankfurt am Main möchte er den vakanten Europameistertitel seines Bruders Andreas bei seinem Debüt auf der Langstrecke holen und als wichtigen Meilenstein auf die letzten Punkte zur Erfüllung der Qualifikationskriterien für die WM auf Hawaii sichern. Wenn der Tag perfekt läuft, könnte der Zieleinlauf von Frankfurt wie folgt aussehen: Michael Raelert, Cameron Brown, Michael Göhner, Sylvain Sudrie, Patrick Vernay, Bert Jammer, Jan Raphael, Frank Vytrisal, Faris Al-Sultan (erkältet), Georg Potrebitsch, Thomas Hellriegel, Stephan Vuckovic.

Sind die beiden Raelerts auf Jahre unschlagbar? Die Chancen stehen durchaus gut, dass bei einem perfekten Rennen beider Brüder in den Lavafeldern an der Westküste Big Islands der Doppelsieg und damit die Sonderprämie von USD 1.000.000 des Laufschuhsponsors zur Ausschüttung kommen wird. Ein Doppelsieg auf diesem Niveau wäre ein Novum im Triathlon. Vergleichbares konnten erstmalig auf der Olympischen Distanz in dieser Form nur Alistair und Jonathan Brownlee im diesjährigen Madrider Rennen der ITU World Championship Series (BTW: ein unmöglicher Zungenverdreher-Titel) für sich verbuchen.
Die Chancen stehen bei einer erfolgreichen Qualifikation für den Ironman Hawaii Triathlon durchaus gut, dass bei einem perfekten Rennen beider Brüder in den Lavafeldern an der Westküste Big Islands der Doppelsieg und damit die Sonderprämie von USD 1.000.000 des Laufschuhsponsors K-Swiss zur Ausschüttung kommen wird. Photo: K-Swiss
Welche Gründe sprechen gegen einen Doppelsieg in den nächsten Jahren? Die Konkurrenz schläft nicht. Viele Athleten entwickeln sich ebenfalls weiter und spätestens 2013/2014 werden die Wechsel von spritzigen Triathleten der Olympischen Distanz erfolgreich vollzogen sein. Man muss den perfekten Tag haben, das Radmaterial darf keine Schwächen aufweisen (DNF: Stadler 2005, McCormack 2008), es darf kein Infekt vorliegen (DNS/DNF: diverse Athleten 2007) und die sportlichen Regeln (Gefahr der Disqualifikation oder Zeitstrafe: DQ/DSQ) müssen eingehalten werden.

Beiden Raelerts sind neben Talent, Intelligenz, Bescheidenheit und allen Attributen die einen Champion ausmachen auch mehrere Schwächen gemein. Beide zeichnet eine leichte Normabweichung jeweils einer Beinachse aus, die tendenziell eine Überlastung einer Körperhälfte nach sich ziehen kann. Interessanterweise tritt das Phänomen bei den Brüdern spiegelbildlich auf: Linkes Bein bei einem, rechtes Bein bei dem anderen Bruder.

Der Hang - beim jüngeren Bruder Michael - vielleicht doch die eine Einheit mehr als die Konkurrenz machen zu wollen ist ebenfalls nicht als Stärke zu werten. Der Körperfettanteil und das geringe Gesamtkörpergewicht beinhalten ebenfalls potentiellen Sprengstoff. Beide Parameter werden zeitweilig auf einem sehr schmalen Grad auf der Jagd nach 100% Leistungsfähigkeit am Tag X austariert. Mit dem Wunsch eines optimalen Kraft-Last Verhältnisses und dem zusätzlichen Trainingsstress sind weitere Risiken verbunden. Etwa Schäden am orthopädischen System in Form von Ermüdungsbrüchen, Sehnenreizungen oder auch eine gehäufte Infektanfälligkeit, etwa der Ausbruch eines durchaus die Leistung mindernden Herpes Labialis (Andreas Raelert, Hawaii 2010, Roth 2011).

Noch sind die Raelert Brothers keine Götter. Sie sind sterbliche Halbgötter mit allen Stärken und Schwächen, die sich anschicken weiter Triathlongeschichte zu schreiben oder aber grandios USD 1.000.000 zu verzocken. Die Sonderprämie ist ein angenehmer materieller Nebeneffekt Nach Aussage der Brüder stellt sie keine Motivation des gemeinsamen Traums von Kona dar, sondern hilft lediglich "die Wertigkeit der Sportart Triathlon und der gezeigten Leistungen widerzuspiegeln."

Update vom 20. Juli 2011, 13:00 Uhr: Michael Raelert hat seinen Start in Frankfurt wegen orthopädischer Probleme zurückgezogen. Weitere Informationen unter DNS: Michael Raelert sagt Start beim Ironman Frankfurt ab!

Update vom 04. August 2011, 08:00 Uhr: Andreas Raelert hat sich vertreten und dabei am linken Sprunggelenk verletzt. Weitere Informationen unter Verletzung am Sprunggelenk - Zitterpartie für Andreas Raelert um Start beim Iroman Hawaii Triathlon.

Montag, 18. Juli 2011

Flashiger Speedrausch mit 71km/h

Teilnehmer des Ironman 70.3 Wiesbaden und anderer Rennen in den deutschen Mittelgebirgen, die bergab regelmäßig an der 100 Stundenkilometer-Schallmauer kratzen, mögen über 71km/h auf dem Fahrradtacho müde lächeln. In Bergheim, Landkreis Dillingen war die 7 vorne auf dem Blitzerfoto beim nachmittäglichen Training des 7. Juli um 15:59 Uhr eine Pressemitteilung wert. Bezüglich Haltung und Ausrüstung kann festgehalten werden: Ordentlich aber beides durchaus ausbaufähig, um die Formkurve weiter mit dem Speed korrelieren zu lassen.
Gerne kann sich der 71er-Fahrer beim Verfasser für einen kleinen Erlebnisbericht melden. Foto: Polizei Bayern
Statt 80 Euro und einem Pünktchen auf der Flensbuger Liste, wie in der Welt der Kraftfahrzeuge üblich, wird auf den dahinsausenden Triathleten* selbst bei Offenlegung der Indentität keine dieser Repressalien zukommen. Daher lautet das heutige Motto des Tages Bitte melde dich, damit die Ehre der richtigen Person zuteil wird!

* Das Outfit lässt den Schluss zu, nicht das Bike.

Banale Brutalität, Tour de France 2011

Es ist einer dieser denkwürdigen Momente in der Geschichte einer Sportart, in der jener ganz normale Wahnsinn kurz innehält, verschreckt aus der eingenommenen gebückten Position hochschaut und die Augen hektisch-schweifend in die Ferne irrlichtern lässt. Soeben hat erneut ein Begleitfahrzeug bei dieser denkwürdigen 9. Etappe den Radprofi Juan-Antonio Flecha förmlich von der Straße gekegelt und eine kleine Kettenreaktion ausgelöst, die Johnny Hoogerland  im hohen Bogen und äusserst blutig in einen Weidezaun katapultierte. Kurz zuvor beendete Alexander Winokurow seine Tour bei einem anderen Sturz. Warum gibt es bei der Tour de France 2011, bei den Protagonisten der täglichen Qual zwischen 11er und 25er Ritzel so viele kapitale Stürze?



Die Radsport-Experten sind sich uneinig, bringen diverse Faktoren ins Spiel. Ursächlich erscheint das Naheliegende keine Erwähnung zu finden. In Abwesenheit eines über Alles und Jeden bestimmenden Lance Armstrong mit seinem pure Dominanz ausstrahlenden Team und eines aktuell schwächelnden Alberto Contador ist die Tour offen wie seit Jahren nicht mehr. Die derzeitige Zurückhaltung der Schleck-Brüder, die sich und ihr Team offensichtlich für die Alpen schonen, verstärkt diesen Effekt noch. Die Fahrer sind in Abwesenheit eines Leithammels und straffen Hierarchie schlichtweg risikofreudiger und werden nicht zurückgepfiffen.

Die genutzten Fahrräder sind insgesamt schneller aber durch den hohen Anteil von Carbon in den Laufrädern unter Aspekten der Bremssicherheit um 20 Jahre in der Entwicklung zurückgesprungen. Der begleitende Pressetross und die Betreuer in ihren Autos changieren zwischen wilder Paparazzo-Ekstase und Rallye Monte Carlo und riskieren zunehmend Leib und Leben. Last but not least hat die ASO als Veranstalter der Tour malerische aber auch halsbrecherisch enge Sträßchen, die für den durch Dopingskandale gebeutelten Sport die passende Optik und Action bieten sollen, ausgewählt.



Noch sind die spektakulären Szenen relativ glimpflich ausgegangen. Durch einen Oberschenkelbruch wird  das für 2012 geplante Karriereende von Alexander Winokurow wohl um einige Monate vorgezogen. Eine unglückliche Mischung aus Nässe und Fliehkraft schob den Kasachen und andere Fahrer auf einer nicht ausreichend als gefährlich gekennzeichneten Kurve in der Abfahrt vom Col du Pas de Peyrol von der Strecke.

Wann  führt die UCI, der Weltradsportverband mit Sitz in Lausanne verpflichtende Normen für die Bremsleistung ein, statt sich Gedanken um Rahmenwinkel und Position von Sattelnase zu Tretlager zu machen? Der nächste letale Fehler aus dem System Tour wird aber sicherlich kommen. Fehler sind menschlich und die Sicherheitsnetze auffällig locker gewoben - in der Welt der Flaschenträger, Edeldomestiken und Helden.

Sonntag, 17. Juli 2011

Schöner Laufen mit Emma und Paula

Hamburg ist neben Frankfurt und Roth sicher eines der großartigsten Triathlonevents Deutschlands, wahrscheinlich auch unter globalen Gesichtspunkten. Perfekte Organisation, hunderttausende zum Teil fachkundige und enthusiastische Zuschauer und meist behutsam und medial attraktiv zusammengestellte Startfelder mit - für eine Randsportart - soliden Medienverträgen bringen die Zutaten für den gelungenen Mix. Die schönste Zutat sind aber immer wieder Triathletinnen, die nicht nur kämpfen, wie alle Mitbewerberinnen im Feld, sondern "schön kämpfen".
Die Australierinnen Emma Snowsill, Emma Jackson und Emma Moffatt überzeugen durch gute Lauftechniken. Photo: Delly Carr / ITU Media
Es ist immer wieder erstaunlich, welch unterschiedlichen Laufstile und Techniken in der erweiterten weiblichen Weltspitze anzutreffen sind. Ein Indikator, dass die Leistungsdichte im Gegensatz zu den Herren noch etwas luftiger geschichtet ist. Olympischer Triathlon, als Ausdauersportart mit hoher Intensität, zieht seine Stärke aus der Athletik. Bei genauerer Analyse der erfolgreichen Triathletinnen der letzten Jahre auf der Kurzdistanz zeichnet sich eine Korrelation ab (Statistiken stehen auf Anfrage zur Verfügung. BTW: Schönes Thema für eine Master- oder Examensarbeit). In der absoluten Weltspitze, gemessen an Siegen und Podiumsplatzierungen bei WCS Triathlons, dominieren nicht nur die Athletinnen mit der stärksten Physis, wie Herz-, Kreislaufsystem, Muskulatur, Last-, Kraftverhältnis, etc. Ganz oben in den Top 3-6, wo die Luft wirklich dünn wird, dominieren auf Dauer Athletinnen mit sehr guter, vielleicht schon herausragender individueller Lauftechnik.

Individuell, weil natürlich die Physiognomie insbesondere bei Stellung des Schultergürtels und durch das Radtraining bedingte Beckenkippung Abweichungen vom Lehrbuch zulassen muss und Kompromisse einzugehen sind. Betrachtet man das Rennen der Frauen von Hamburg 2011, zeigten Emma Snowsill, Emma Jackson und mit kleinen Abstrichen Emma Moffatt aus Australien, wer hier den Benchmark setzt. Für mich keine Überraschung, dass sich diese Athletinnen durchsetzen mussten. Lediglich die abwesende, derzeit an einer leichten Muskelverletzung laborierende, mit außergewöhnlicher Souplesse dahinschwebende Paula Findlay aus Kanada ist eine der wenigen Top-Triathletinnen auf diesem Niveau. Vanessa Fernandes, über Jahre den Sport insbesondere auf der Laufstrecke mitgestaltend, fällt technisch von diesem Quartett doch deutlicher ab.
Laufästhetik für Triathleten, Teil 1: Australien war mit Emma Moffatt, Emma Jackson und Emma Snowsill (v.l.) nicht nur konditionell ganz weit vorne in Hamburg. Photo: Ingo Kutsche - www.sportforografie.biz
Die Winkelstellungen der unteren Extremitäten bis hin zum konsequenten Einbeziehen der Gesäßmuskulatur in den Vortrieb waren bei den Aussis in Hamburg nahezu idealtypisch. Bei den Frauen, dessen Muskelverteilung in der Leistungsspitze einer geringeren Streubreite unterliegt, als bei den Elite-Männern, wo auch ein durch muskuläre Verkürzungen bedingt unsauber laufender Bevan Docherty immer mal wieder den Sprung nach oben schafft, ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.

Wer 2012 in London dominieren will, hält mit einer exzellenten und daher auch Verletzungen vorbeugenden Lauftechnik das vielleicht entscheidende Puzzleteil in den Händen. Im Optimalfall wurden diese Bewegungsmuster in den sensiblen motorischen Phasen in Kindheit, Jugend und Adoleszenz von herausragenden Betreuern durch Leichtathletik- oder Crosslauftraining vermittelt. Für Erika und Hans Mustermann bleibt festzuhalten, dass Lauf-ABC, kurze Intervalle, Steigerungs-, Neigungsläufe und Co. nicht nur etwas in der Leichtathletikabteilung des Heimatvereins zu suchen haben. Einfach mal vor der nächsten Triathlonsaison reinschauen bei den Spezialisten!

Samstag, 16. Juli 2011

I'm here to win, Chris McCormacks Traum von London 2012

In der Retrospektive, irgendwo zwischen Drittel und Lebenshalbzeit hat der Australier Chris McCormack, Doppelweltmeister im Ironman Hawaii Triathlon sein Triathlonbuch I'm Here To Win: A World Champion's Advice for Peak Performance mit zuweilen sehr unterhaltsamen autobiografischen Passagen veröffentlicht.

I'm Here To Win: A World Champion's Advice for Peak Performance ist in der englischen Originalfassung ein kurzweiliger Lesestoff. (Photo: Amazon)
"Macca", der als ehemaliger Banker definitiv zu den smarteren Geschäftsleuten unter den Profis im Ironman zu zählen ist, versucht dabei ein wenig in die großen Fußspuren eines anderen ehemaligen erfolgreichen Triathleten zu treten. Lance Armstrong, Tour de France Imperator, Stiftungsgründer, Autor und us-amerikanische Markenikone ist eines der immament im Subkontext des ehemaligen Weltmeisters im Kurztriathlon mitschwingenden Vorbilder. Ist "I'm here to win" eine Leseempfehlung? Ja, aber man sollte der englischen Sprache und der Person Macca gerecht werden und auf die englische Originalausgabe zurückgreifen. So unterhaltsam, präzise und griffig kommt McCormack trotz einiger Redundanzen nur in der Muttersprache rüber, wenn er über "Delivery" und die Schwächen des bayerischen Intimfeindes parliert.

Der im Buch geübte lange Blick zurück und die Selbstanalyse mag sicherlich manchen tatsächlichen Sachverhalt dem Umstand subjektiver Verklärtheit untergeordnet haben. Nicht alle Schritte im Leben des Chris McCormack verfolgten einen Masterplan und waren wohl doch mehr Reaktion denn Aktion. Die Ausreifung jener scharf analysierenden und sehr eloquenten Persönlickeit, die ihn besonders in den letzten 10 Jahren seiner verdienten Laufbahn als Profisportler auszeichnet, lässt sich aber trefflich nachzeichnen. Macca ist aber nicht nur der berechnende Taktiker, der die vermeintlichen Schwächen - vor allem der deutschen Triathleten Faris Al-Sultan und Normann Stadler - gnadenlos im Vorfeld des sportlichen Aufeinandertreffens auszunutzen weiss. Er spielt das Stück der Beinflussung aus der Ferne präzise und virtuos auf der Klaviatur von Interviews oder Einsatz der sozialen Medien Blog, Facebook und Twitter. Am 4. April 1973 geboren und im Trimester zwischen den Metropolen Los Angelos, Sydney und der europäischen Rennsaison pendelnd, ist er vor allem auch ein Bauchmensch, dessen Kopf und Intuition oft das entscheidende zielversprechende Quäntchen Effet zusteuern.

Eine Mischung dieser Persönlichkeitfacetten mag McCormack, der den Thron des Ironman Hawaii nach vielen brutalstmöglich gescheiterten Anläufen erstmalig 2007 besteigen konnte zu dem Wunsch getrieben haben sein Heimatland bei den olympischen Spielen in London 2012 zu vertreten. Seine avisierte Rolle? Kein Superstar, Edelhelfer für die flinken Läufer auf dem Rad möchte er sein. McCormack kennt seine Laufdefizite und das System der steten Evolution und des Sportdarwiniwmus. Die Zeiten als er mit 31er und 32er Laufsplits auf den abschließenden 10 Kilometern über Monate hinweg die Kurzstrecke dominierte sind seit Jahren vorbei. London wird wahrscheinlich mit einer mittleren oder tiefen 28er Zeit über jene 10 Kilometer gewonnen, sofern es keine taktische Entscheidung auf dem Rad vorab geben wird - eine unerreichbare Zeit für eine langsam alternde Dieselengine.

Olympia ist auch in der Eigenvermarktung sowie zur Promotion seiner Stiftung "Maccanow" eine Chance. Ein Karrieremeilenstein, der ihm aus verbandspolitischen Gründen die Premiere der Sportart 2000 in seiner Heimatstadt Sydney nicht als Aktiven erleben ließ. 2004 bei den Spielen von Athen, auf einem Streckenprofil, vielleicht wie auf den Leib geschneidert, verhinderten Stolz und Trotz einen Start. Sein Eiertanz auf diversen Strecken im aktuellen Jahr könnte ihn die sportliche Saison 2011 und 2012 kosten. Eine Titelverteidigung beim Ironman Hawaii hat der ausgebuffte Selbstdarsteller bereits frühzeitig abgesagt, wenngleich viele Insider bei einem sich abzeichnenden Scheitern des Projekts London 2012 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am Morgen des 8. Oktobers in Pazifik von Kailua-Kona McCormack beim entspannten Wassertreten erwarten. 

Der Weg durch die Untiefen des Qualifikationssystems der Internation Triathlon Union und des eigenen nationalen Verbandes Triathlon Australia lässt die Aufgabe London 2012 zu einem stetig wachsenden Wellenberg anwachsen, der sein sportliches Jahr 2011 und 2012 zu zerschlagen droht. Mit viel wohlwollendem Support hangelt sich McCormack durch erste Wildcards von Veranstaltern und Verband gestützt durch die Qualifikationsrennen der World Champions Series und unterklassiger ITU-Events, um auf die entscheidenden Punkte im Ranking und zu einem Stammplatz in der WCS zu kommen. Sein erster Ausflug beim Triathlon Kitzbühel mit denkbar ungünstiger Vorbereitung durch Verletzung, interkontinentalen Reisen zwecks Buchpromotion, Tingeltangel-Rennen und einem Sieg bei der Challenge Cairns knapp 14 Tage vor dem Startschuss im Schwarzsee kommt einem mittleren Desaster gleich.
Bei kühlen und im weiteren Verlauf durch Starkregen echtem Macca-Wetter erhält der Aussi bereits im Schwimmen über 1,5 Kilometer eine Lehrstunde und rund einminütgen Rückstand, von dem sich seine müden Beine auf der Radstrecke nicht mehr erholen sollten: DNF, neue Erfahrungen und enormer Respekt vor den "Kids, die so unglaublich schnell sind" nimmt er aus Österreich mit ins Handgepäck. McCormack lernte die neue Generation, die Inkarnation von Geschwindigkeit in Form eines der britischen Brownlee Brüder kennen, die derzeit nach Belieben die Serie dominieren. Ein Hauch von Ehrfurcht, den nur Maccas Nemesis "Sir" Simon Lessing hervorbringen konnte, weht aus den Verlautbarungen herüber.

Macca muss sich also sehr warm anziehen, soll der olympische Traum nicht eben nur ein Traum bleiben und bereits in Hamburg verpuffen. Wenn es in wenigen Stunden in die Alster per Kopfsprung geht, ist auf dem flachen aber technisch anspruchsvollen Radkurs ein Rennen wie in Kitzebühel ein Desaster. Schafft er das Schwimmen und Radfahren in den Zeitfenstern oder kann aktiv in das Renngeschehen eingreifen, dann ist eine 31er Laufleistung, wie beim Ironman 5150 Zürich letzte Woche gezeigt, ein guter und wichtiger Schritt auf dem steinigen Weg nach London: I'm here to win - DNF ist no option!


Update vom 16.07.2011, 15:55: Chris McCormack konnte sich bei seinem 2. Rennen der ITU WCS Series in Hamburg nach solidem Schwimmen und viel Initiative und Arbeitsleistung auf dem Rad mit Platz 26 knapp vor Landsmann Dan Wilson im Mittelfeld einreihen. Der Rückstand auf den siegreichen Landsmann Brad Kahlefeldt betrug 2:05 Minuten. Ebenfalls vor McCormack kam Brendan Sexton ein und hat die Nase auf der Jagd nach dem letzten Ticket der Aussis  für London 2012 weiterhin ein Stückchen vorne. Die nächste WCS-Station findet in drei Wochen auf einem Großteil der Olympischen Triathlonstrecke statt. McCormack hat den Sprung auf diese Startliste im Gegensatz zu Kahlefeldt, Courtney Atkinson, Jamie Huggett, James Seear, Sexton und Wilson wegen fehlender Weltcup-Punkte nicht geschafft und muss sich weiter von Einsatz zu Einsatz entwickeln.

Freitag, 15. Juli 2011

Bulle oder Bär - kommt ein Initial Public Offering im Ironman Triathlon?

Der Triathlon ist nicht nur auf der Langstrecke in den letzten drei Jahren einer enormen Dynamik unterworfen. Sportlich purzeln die Weltbestzeiten, auf der Kurzstrecke wirbeln Alistair und Jonathan Brownlee als zwei junge Zauberlehrlinge die Elite durcheinander und wirtschaftlich profitiert die Industrie von einem nachhaltigen Boom, dem auch so manch verbandspolitisches Possenspiel kaum etwas anhaben konnte. Wie gesund sind die Events,  eine der wichtigen Säulen im Triathlon?

Ben Fertic (Anteilseigner und Präsident WTC, links; Mitch Thrower, rechts) hat eine steile Karriere bei Ironman hinter sich.  Sein Aufgabengebiet umfasste zunächst die Restrukturierung der Online-Strategien der WTC unter seinem Vorgänger Lew Friedland. 
Ein Blick auf die aktuelle Veranstaltungslandschaft wirft ein widersprüchliches, stark patchworkartiges Bild zurück. Während etwa in den USA die kommerziellen Anbieter verschiedener Größe dominieren, sind in Europa viele hochwertige mittlere und Kleinstveranstaltungen etabliert, die zum Teil mit jahrzehntelanger Tradition im Ehrenamt auf die Beine gestellt werden.

Mit dem Einstieg von Providence Equity Partners bei der World Endurance Holding, respektive der World Triathlon Corporation (Ironman), Lagardère mit der Tochter Upsolut (ITU World Cup Series), TEAMChallenge (Challenge Series), Star Production (TriStar  Formate),  IMG Worldwide (Abu Dhabi Triathlon, London Triathlon, etc.), Revolution3 Events (Rev3Tri), Life Time Fitness Athletic Events (Race to the Toyota Cup, Leadman), HITS Inc. mit Leonard Green & Partners Private Equity im Rücken (HITS Triathlon Series)  und last but not least mit Private Equity Backup von Falconhead Capital die Competitor Group International (TriRock) manifestiert sich auf Veranstalterseite eine zunehmende Diversifikation, die mit Spannung auf die kommenden 5-10 Jahre blicken lässt.

Nicht nur für mich stellt sich die Frage nach den Gewinnern und Verlierern. Zu den möglichen Verlierern könnten leider viele der angesprochenen Kleinstveranstaltungen zählen, die mit dem zur Verfügung stehenden Freizeitbudget gegen zum Teil hochprofessionelle Rennserien in vielfältiger Weise um Aufmerksamkeit, Sponsoren und Athleten konkurrieren müssen. Mit leider oftmals dem kürzeren Ende durch bürokratische Hürden bei behördlichen Genehmigungen oder kaum vorhandenen Marketingbudgets und personellen Engpässen.

Zu den Gewinnern zählen sicherlich die ITU mit dem Olympischen Programm, das auf einen enormen Lobbyverbund bauen kann, der so manche Tür zu öffnen und Preisgeldbörse zu füllen hilft. Auch die TEAMChallenge scheint sich zunehmend erfolgreich vom Schock des Verlusts des Ironman-Brandings erholt zu haben. Die Rother GmbH expandiert, ähnlich wie die in Monaco ansässige TriStar mit ihren innovativen Rennformaten behutsam und stetig. Der Hecht im Karpfenteich ist jedoch weiterhin die WTC mit den Cashcows Ironman 70.3 und Ironman. Youngster 5150 bläst derweil der Wind etwas kräftiger um die Nase.

In atemberaubendem Tempi werden von der WTC neue Kontinente und Regionen erobert. Metropolregionen wie New York oder das fest etablierte Rennen in Frankfurt mit seinem diesjährigen Jubiläum und anspruchsvolle Urlaubsdestinationen auf dem ganzen Globus sind die heißesten Kandidaten auf der Hatz um die besten Claims. Mit "First-come, first-served" lässt sich das Fazit dieser überhitzten Rallye ziehen.

Beim Kauf der WTC wurde insbesondere durch die Mitbewerber kolportiert, dass die beteiligte Private Equity Gesellschaft Providence maximal 5-7 Jahre ein Investment behalten würde. Nach abgeschlossenem Kauf im Jahr 2008 könnte man folglich über einen Verkauf in der Zeitspanne 2013 bis 2015 spekulieren. Eine weitere Möglichkeit bestünde im Initial Public Offering (IPO), dem klassischen Börsengang. Diese hypothetische Möglichkeit elektrisiert schon jetzt die eingefleischten Fans der Weltmarke Ironman. Wo kann man schließlich Eigentümer einer echten Lifestyle-Marke werden, die sich nicht wenige Triathleten als Tattoo unter die Haut stechen lassen?

Ein IPO ist eine Botschaft, die auch an der Wall Street bis zum Tag X ankommen wird. Kommunikativ perfekt vorbereitet wird ein möglicher Börsengang durch den 2012 erstmalig geplanten Ironman New York, dessen Tickets in nur 11 Minuten zu Preisen von 800 bis 1.000 USD vergriffen waren. Die derzeitigen Anteilseigner finden sicher nicht nur diesen Umstand extrem spannend.