Sonntag, 22. Februar 2004

Wie kam es zum Drafting-Gate?


DTU gesteht Fehler ein, deutsche Triathlonszene atmet auf könnte die Schlagzeile lauten. Doch wie ist es eigentlich zu dieser Entwicklung mit dem Wunsch der Funktionäre auf eine Verkürzung der Windschattenbox gekommen und welche Rolle spielte Drafathlon?
Das "Who is Who" der deutschen Triathlon-Szene hat sich auf Draftathlon.com gemeldet und die aktuelle Entwicklung kommentiert. Photo: Draftathlon.com
September 2003 - kurzer Blick zurück 
Die Deutsche Triathlon Union (DTU) hat im Herbst im Rahmen mehrerer Änderungen der Sportordnung unter Anderem die Größe der Windschattenbox für das Radfahren im Spätherbst 2003 um 2/3 der ursprüngliche Größe auf 5 x 2 Meter, statt 10 x 3 Meter reduziert. Maßgebliches Argument auf Seite des Verbandes waren die Vorgaben der International Triathlon Union (ITU), die jene Regelung für Wettkämpfe der Altergruppen ebenfalls vorsieht und auf nationaler Ebene bis in die untersten Leistungsklassen umgesetzt werden müsse.
Dieser elementare Eingriff stellte die Kernidee und Seele des Sports, den „Einzelkampfcharakter“ unnötigerweise ad absurdum und gefährdet zudem die Freizeitsportler durch erhöhte Sturzgefahr im Feld. Veranstalter der Rennen werden durch die Einschnitte vor Probleme in den Genehmigungsverfahren bei den örtlichen Behörden für die Radstrecke gestellt. 

Oktober 2003 - kritische Stimmen kommen auf 
3athlon.de hat im Oktober und Dezember in Artikeln mehrfach auf die Probleme mit der neuen Ordnung hingewiesen und eine offizielle Informationspolitik der DTU gefordert.

Die für die Umsetzung der Änderungen zuständige Technische Kommission bringt das Präsidium der DTU im weiteren Verlauf zunehmend in Verlegenheit, fehlende Koordination der Zuständigkeiten und mangelnde interne Kommunikation und Sachreflektion sind bei der Umsetzung der internationalen Vorgaben erkennbar und deuten auf fehlenden Praxisbezug der Verantwortlichen hin.

Januar 2004 - Draftathlon.com: Protest formiert sich
Als im Januar noch immer keine offiziellen Meldungen aus dem Verband in der Sache an die Mitglieder oder die Öffentlichkeit getragen wurden und auch keinerlei öffentliche Meinungsbildung durch die DTU im Vorfeld betrieben wurde formiert sich ab dem 1. Februar auf Initiative der Betreiber von 3athlon.de unter der Domain Draftathlon.com der demokratische Widerstand in der deutschen Triathlonszene: Rufe der Besucher nach einem neuen Triathlonverband, der die Interessen seiner Mitglieder besser vertreten solle, als der bisherige spiegeln die Spitze der Entrüstung wider.

Februar 2004 - Profis und Veranstalter sagen Nein!
Die gesamte deutsche Triathlonelite über die Langdistanz bezieht ebenso klar Stellung, wie auch die drei großen deutschen Veranstaltungen Holsten City Man (Hamburg), Opel IRONMAN Germany Triathlon (Frankfurt) und Quelle Challenge Triathlon (Roth).

Zahlreiche Pioniere des deutschen Triathlonsports und aktuelle Größen sagen „Nein zu 5 x 2“ und fordern die Rückkehr zum alten Format. Selbst der DTU nahestehende Kreise geben in privaten Stellungnahmen zu erkennen, daß sie von den Änderungen wenig halten aber Hemmungen vor einer öffentlich bezogenen Position haben und Benachteiligungen befürchten. 

Februar 2004 - DTU reagiert
Nachdem sich über 800 Sportler, Veranstalter und Vertreter der Industrie innerhalb von 3 Wochen klar gegen „5x2 Meter“ in einer Petition ausgesprochen haben und auch die Süddeutsche Zeitung und das Portal Tri2b.de das Thema aufgegriffen haben, lenkt die DTU nach Wochen des Schweigens und kurzen informellen Gesprächen mit Draftathlon.com ein. Sie nimmt die eingebrachten Vorschläge und Argumente auf und in der Folge die Regeländerung am 21. Februar 2004 mit sofortiger Wirkung in ihrem Hoheitsgebiet zurück. Sie kündigt zudem Gespräche auf internationaler Ebene an, um eine verbindliche Lösung für alle nationalen Verbände zu erarbeiten.

Die DTU zeigt nach zunehmendem Druck der Basis mit diesem Schritt zurück den Mut eine Fehlentscheidung und Fehleinschätzung ihrer Organe zurückzunehmen und eine Sachdiskussion neu anzustoßen. Ein guter und wichtiger Wesenszug, der in der heutigen Gesellschaft nicht selbstverständlich ist und einer jungen und dynamischen Sportart gut zu Gesicht steht: „ Die Einwände gegen die Verkürzung der Windschattenbox von 10 x 3 Meter auf 5 x 2 Meter sind berechtigt. Das muss - auch international - noch mal auf den Prüfstand!" erklärt Präsident Dr. Klaus Müller-Ott in einer offiziellen Presseerklärung der DTU Pressestelle am Ende der Beratungen am 21.02.2004.

Fader Beigeschmack bleibt
Ein fader Beigeschmack bleibt trotzdem bestehen. Der Einzelkampfcharakter und ursprüngliche Gedanke der Sportart wird in der Mitteilung argumentativ nicht aufgegriffen. Die Grundhaltung der DTU scheint noch immer fest im Draftingformat verharren zu wollen - Triathlon soll mit dem Olympischen Drafting Triathlon in der allgemeinen Definition gleichgesetzt werden: schnell Schwimmen, eine gemeinsame Radausfahrt in der Gruppe inkl. entsprechender (Mannschafts-) Taktik und ein abschliessender Ausscheidungslauf über 10 Kilometer sind das angestrebte Ideal des "neuen" Triathlon.

Ansprüche im Hochleistungs- und Breitensport
Das Argument in obiger Erklärung, dass „ die olympische Sportart Triathlon nach den Vorgaben des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ein weltweit harmonisiertes Regelwerk braucht“ lässt eine Fragestellung völlig unbeantwortet, die andere Sportverbände problemlos für sich gelöst haben. Das internationale Hochleistungsniveau des Triathlon über die Olympische Distanz kann man durchaus als zwingenden Grund für Änderungen im Regelwerk ansehen, die das Radfahren im Windschatten für die Weltelite vorsehen. Diese Mitte der neunziger Jahre im Zuge der Olympiabewerbung der Sportart Triathlon aufgeworfene und umgesetzte Änderung bedingt aber keineswegs die zwingende Umsetzung oder Annäherung in den Formaten des Breiten- und Freizeitsports an diese Spielart! 

Ursprungscharakter des Triathlon erhalten
Der Weltcup Zirkus mit seinem hoch spezialisierten Wettkampfformat hat wenig mit der Grundidee des Triathlon, dem Kampf des Individuums gegen die Elemente und dem Erbringen einer Einzelleistung in den drei Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen gemein. Es ist daher durchaus vertretbar, dass spezielle Arten der Wettkampfdurchführung in den höchsten Leistungsklassen gestattet sind, an anderer Stelle aber keinerlei Daseinsberechtigung besitzen – der Breitensport sollte folglich bei den Wurzeln des Sports bleiben.

Was hat sich geändert?
Die Diskussion hat das Potential Basis und Präsidium ein Stück zusammenrücken zu lassen. Sie muss in den nächsten Wochen öffentlich, fair und konstruktiv fortgeführt werden.

Das Funktionärswesen musste feststellen, dass Entscheidungen am grünen Tisch, weit weg von der Basis nicht das Optimum darstellen und mehr Nähe zur Sport treibenden Masse nötig ist. Gleichzeitig hat das einzelne Mitglied erkannt, dass seine Stimme durchaus einen hohen reellen Wert darstellt. Legitim und koordiniert in Aktionen als Mittel der demokratischen Interessensvertretung eingesetzt wirbt sie nachdrücklich um eine weitere gesetzliche Verankerung direkter Demokratie in den Statuten des Verbands.

Direkte Demokratie gefordert
Grundsätzlich zeigt die Windschattendiskussion ein Grundproblem der heutigen Zeit, wenn sich Funktionärwesen und sportliche Basis so weit voneinander entfernt haben, dass die Eingaben und Wünsche der einzelnen Mitglieder oder kleinerer Gruppierungen kein Gehör im „bürokratischen Elfenbeinturm“ finden.

Andere Verbände, wie der USA Triathlon (USAT) wählen ihre Funktionäre im direkten Mandat und die Mitglieder können die Arbeit der offiziellen Vertreter unmittelbar nach einer Amtsperiode mit ihrer Stimme honorieren. Sicherlich eine interessante Alternative oder Ergänzung zu den in Deutschland praktizierten föderalen Strukturen mit indirekter Wahl.

„Volksabstimmungen“ in substanziellen Fragen, wie etwa der Aufhebung eines Windschattenverbotes könnten und sollten ebenfalls Einzug in die Sportverbände einhalten. Länder, wie die Schweiz praktizieren auf staatlicher Ebene die Entscheidungsfindung durch die Basis in zentralen Fragestellungen seit Jahren erfolgreich. Warum nicht im Triathlonsport, wenn es um wesentliche Änderungen geht?

Die Gegenwart - was wird bleiben ?
Was bleibt ist die Aufforderung an all die Athleten, dass sie sich im Sommer in den unzähligen Rennen Deutschlands bewusst machen, dass sie für „10x3“ gestimmt haben und es neben der sportlichen Leistung vor allem um den Spaß und Fairplay gehen sollte – dazu zählt auch die Einhaltung des Regelwerks und ein Hauch weniger Verkrampftheit im sportlichen Miteinander.

Die Trainer, Eltern und Verantwortlichen für den Nachwuchsbereich sollten sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und in ihrem täglich praktizierten Lehrauftrag deutlich herausstreichen, welche differierenden Versionen von Triathlon existieren und sich bewusstmachen, dass die Verdeutlichung der Grundidee der Sportart zentrales Ziel sein sollte. Die Erkenntnis, dass Sieg und persönliche Bestleistung nur ein Ziel im Sport sein können und nur auf sauberem Weg einen erfüllenden Wert besitzen sollte ebenfalls auf den Weg mitgegeben werden.

Den Funktionären, Veranstaltern, Landesverbänden und Kampfrichtern schlagen wir für den Breitensport vor Radstrecken selektiv, als Einzel- oder Doppelrundenkurs auszuschreiben. Maßvoll bestückte Startfelder, die gleichzeitig auf die Strecken gelassen werden oder anderweitig für die Sicherstellung der Regeleinhaltung und Sicherheit der Teilnehmer sorgende Maßnahmen sollten ebenfalls Pflicht sein.

Die Zukunft - was wird kommen ?
Die ITU ist nun als nächste Instanz für die Umsetzung einer weltweit verträglichen Windschattenregelung vorgesehen.

Die dort zu erwartenden Entscheidungen sollten für die DTU nicht Grund sein, den "schwarzen Peter" einfach weiterzugeben. Vielmehr sollte sie sich für den Erhalt von 10x3 stark machen und an seinem Profil durch den Auftrag der Interessensvertretung seiner Mitglieder im eigenen Land gewinnen. Allenfalls die Möglichkeit von Sonderanträgen für Veranstalter mit besonders für das Drafting anfälligen Radstrecken ist ein diskussionswürdiger Konsens. 

Bis zu einer endgültigen Entscheidung und die Umsetzung in den nationalen Verbänden wird Draftathlon.com als "Mahnmal" und "Pool zum Brainstorming" weiter betrieben werden, den Verlauf beobachten und sich gegen eine erneute Aufweichung der Regelung und einer Änderung der Grundidee im Sport auf jeder Ebene einsetzen.

Mittwoch, 18. Februar 2004

Online-Petition Draftathlon.com ein Erfolg, 10x3 bleibt!


Der Protest war groß, der sich auf Draftathlon.com Anfang Februar formiert hat. Grund allen Übel war die von der Deutschen Triathlon Union (DTU) beschlossene Änderung der Sportordnung. Die Windschattenbox wurde im Spätherbst vergangen Jahres auf 5 x 2 Meter, statt 10 x 3 Meter verkürzt.
Der Präsident der DTU Dr. Klaus Müller-Ott: "Die Einwände gegen die Verkürzung der Windschattenbox von 10 x 3 Meter auf 5 x 2 Meter sind berechtigt. Das muss - auch international - noch mal auf den Prüfstand!" Photo: Kiel Triathlon

Diese elementare Regeländerung stellte die Kernidee des Sports unnötigerweise auf den Kopf. Nachdem sich über 800 Sportler und Veranstalter innerhalb von 3 Wochen klar gegen die Regeländerung in einer Petition ausgesprochen hatten, lenkt die Deutsche Triathlon Union (DTU) jetzt ein und nimmt die Regeländerung zurück. 

Unter weiterer Beobachtung
Weitere Informationen zu den Hintergründen der Entwicklung und den Möglichkeiten, die sich aus einer Weitergabe des Anliegens an die nächsthöhere Instanz (ITU Weltverband) und die dort zu erwartenden Entscheidungen folgen in einem bewertenden Bericht mit Kommentar am Sonntag. Bis zu einer endgültigen Entscheidung durch die ITU und die Umsetzung in den nationalen Verbänden wird Drafathlon.com als "Mahnmal" und "Brainstormingpool" weiterlaufen.



Die Pressemitteilung der Deutschen Triathlon Union (DTU) lautet wie folgt:

Windschattenbox bleibt national bei 10 x 3 Metern
DTU-Präsidium passt Sportordnung an
Initiative auf internationaler Ebene angekündigt
" Die Einwände gegen die Verkürzung der Windschattenbox von 10 x 3 Meter auf 5 x 2 Meter sind berechtigt. Das muss - auch international - noch mal auf den Prüfstand!" Mit dieser Feststellung fasste Präsident Dr. Klaus Müller-Ott das Ergebnis der Beratungen im Präsidium der Deutschen Triathlon Union (DTU) zu einer Regeländerung zum Windschattenfahren zusammen.

Die DTU hatte die bisher in der Sportordnung (§ 5.2.3) enthaltene Regel, dass das Windschattenfahren in einer "Box" von 10 x 3 Metern hinter dem Rad jedes Teilnehmers verboten ist, geändert und - in Angleichung an die entsprechenden Regeln des Weltverbandes ITU - das Verbot auf den Bereich von 5 x 2 Metern verkürzt. Diese Entscheidung erfolgte, so Müller-Ott, weil die olympische Sportart Triathlon nach den Vorgaben des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ein weltweit harmonisiertes Regelwerk braucht - daran muss sich auch die DTU halten. "Die breite und mit guten Argumenten vorgetragene Kritik vieler Veranstalter, Athletinnen und Athleten dagegen darf aber nicht übergangen werden. Wir reagieren darauf flexibel."

Das DTU-Präsidium hat dazu in seiner Sitzung am Samstag in Oberstaufen erste Beschlüsse gefasst: Für alle windschattenfreien Wettkämpfe im Zuständigkeitsbereich der DTU wird die alte Windschattenbox (10 x 3 m) wieder in Kraft gesetzt.

Im internationalen Bereich wird eine Initiative gestartet, um dieses Maß auch auf Ebene der ITU als Standard zu etablieren; zumindest soll erreicht werden, dass die einzelnen Ausrichter das Maß der zulässigen Windschattenbox im Einzelfall bestimmen können, um etwa Auflagen der Ordnungsbehörden und der Unfallverhütung zu entsprechen.

Der Weltverband hat bereits signalisiert, dass eine für alle Seiten befriedigende Lösung gefunden werden kann. Darüber wird kurzfristig berichtet. (DTU Pressestelle)

Mittwoch, 11. Februar 2004

Draftathlon.com, Süddeutsche Zeitung berichtet - Krach bei den Triathleten

Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte heute einen sehr interessanten Artikel, der erste Auflösungserscheinungen in der Position der DTU erahnen lässt, aber letzlich das Pferd von der falschen Seite aufzäumt: "Krach bei den Triathleten". In dem Beitrag von Karin Bühler geht es um die umstrittene, neue Windschattenregel und im anhängigen Leserbrief, um eine erweiterte und in sich logische Vorstellung möglicher Kompromisse.
Der Hawaii-Champion von 1997 Thomas Hellriegel gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Ich wünsche mir, dass die Petition Erfolg haben wird. Aber die DTU wird den Fehler wohl nicht eingestehen.“ Photo: TFrahmS
Unser Leserbrief:
Jetzt soll sie also kommen die Regeländerung zur Windschattenbox - auch wenn DTU-Präsident Dr. Klaus Müller-Ott im Vorfeld der Präsidiumssitzung schon jetzt den "demokratischen Prozess" einleiten will. Eine Aufweichung nach dem Credo "wir setzen die neue Regel durch und die Triathlonveranstalter können einen Antrag auf das alte Reglement stellen" macht wenig Sinn. Die Mehrzahl der Triathleten wird sich auch gegen diese Option aussprechen, sofern sie gefragt werden - weil sie dem Triathlongedanken widerspricht. Warum also nicht einfach die alte Regel bestehen lassen und die entsprechend wenigen Veranstaltern per Ausnahmegenehmigung die Möglichkeit einräumen 5 x 2 Meter Rennformate durchzuführen? Es gab doch schon in der Saison 2003 den "Antrag auf Durchführung eines Rennens mit Aufhebung des Windschattenverbots". Warum diesen nicht logischerweise um die Option "5 x 2 Meter" erweitern?
Triathlonlegende Jürgen Zäck spricht sich nach wievor gegen die neue Regeländerung aus. Photo: TFrahmS
Gelebte Demokratie
Es wäre doch ein Einfaches die Alternativen den Mitgliedern in einer Art Volksabstimmung auf Drafathlon.com zur Wahl zu stellen! Das Verbandsmagazin, das alle Mitglieder automatisch erhalten wäre doch das beste Mittel zur Datenerhebung. In der nächsten Verbandszeitung sollte eine Postkarte mit allen Argumenten und Optionen beigefügt werden, so dass die DTU-Startpassinhaber abstimmen können und im Anschluß unter notarieller Aufsicht eine repräsentative Auswertung erfolgen kann. Dies wäre echte Transparenz und gelebte Demokratie.

Bis zum heutigen Tage ist von der DTU noch kein offizielles Statement getroffen worden, obwohl die Problematik im deutschen Raum bereits im Oktober 2003 auf 3athlon.de das erste Mal kritisch betrachtet wurde. Wir hoffen der Verband findet den Mut zu einem Schritt zurück und einen vorwärts für seine Athleten - wir wären auf alle Fälle sehr positiv überrascht.

Sonntag, 8. Februar 2004

Draftathlon.com, 500 Stimmen und kein Ende


Immer lauter und energischer werden die Stimmen gegen die durchgeführte Regeländerung der DTU (Deutschen Triathlon Union). Über die Kurzdistanz und darunter liegende Strecken soll die Windschattenbox in der neuen Saison nur noch 5x2 Meter statt ursprüglich 10x3 Meter betragen - doch der Protest wächst von Tag zu Tag?
Bereits 500 zum Teil sehr prominente Stimmen von Athleten und Veranstaltern haben sich auf Draftathlon.com eingefunden. Photo: Draftathlon.com
Über 500 Triathlonfreunde sagen: "Nein!"
Groß war der Aufruhr und binnen einer Woche meldeten sich über 500 Triathlonfreunde zu Worte und sprachen sich gegen die neue Regeländerung auf Draftathlon.com aus. Bemerkenswert analytisch und detailliert wird in manchen Kommentaren argumentiert und die Schwachstellen des neuen "Windschattenparagraphen" klar aufgezeigt.

1000er Marke angestrebt
Die Organisatoren von Draftathlon.com zeigten sich über die zahlreiche Beteiligung hoch erfreut und haben bis Ende des Monats die 1000er Marke fest im Visier. In den letzten Tagen häufen sich die Emails und auch andere Kontake deuten darauf hin, dass Einzelpersonen und Institutionen, die wegen ihrer DTU-Nähe Hemmungen hatten ihre Meinung öffentlich auf der eigens eingerichteten Website zu äussern ihre Position überdenken und klar Stellung beziehen.

Weiterer Protest geplant
Derweil verschärft sich der Protest bei einigen renommierten Triathlonprofis, die in den nächsten Tagen über weitere gemeinschaftliche Aktionen nachdenken wollen. Zu viel möchte man da noch nicht verraten, doch sollte die DTU auf die neue Regeländerung beharren, steht auf jeden Fall weiterer Protest ins Haus.

DTU-Präsidium tagt
Verdächtig still ist es demgegenüber noch immer auf den Kommunikationskanälen der DTU - Ruhe bei der Einführung der tiefgreifenden Regeländerung und Todesstille noch immer. Die Welle der Empörung scheint wohl noch nicht groß genug zu sein, um unmittelbaren Handlungsbedarf zu wecken. Spätestens Ende Februar jedoch werden sich die Funktionäre einige Gedanken machen müssen, denn dann tagt das DTU-Präsidium und eine endgültige Stellungnahme ist zu erwarten.

Das Internetportal tri2b.de hat in einem aktuellen Bericht vom 8. Februar die in der Petition geäußerten Schwachstellen der Änderung aufgegriffen und in einem Fazit die aktuelle Situation treffend dargestellt: „ Der Zündstoff war den Entscheidungsträgern der DTU möglicherweise bewusst. Selten wurde eine Änderung des Regelwerks so zurückhaltend publiziert wie diese wohl tiefgreifendste in der Geschichte des deutschen Triathlon. Der nun aufkommende Massenprotest könnte die Verantwortlichen zwingen, im Konfliktfeld zwischen der ITU und den eigenen Mitgliedern Farbe zu bekennen.“

Sonntag, 1. Februar 2004

Draftathlon.com, die Neue Windschattenreglung der DTU und WTC – eine Momentaufnahme mit Stimmen der Aktiven und der Triathlon-Szene.

Auslösendes Moment für diese Momentaufnahme ist die im Dezember veröffentlichte Regeländerung der Deuten Triathlon Union, die inhaltlich eine Verkürzung der Windschattenbox auf 1/3 der ursprünglichen Größe vorsieht: „ § 5.2.3 Dabei gilt eine Windschattenbox von 5 x 2 Metern mittig hinter dem Rad jedes Teilnehmers bis zur Triathlondistanz, 10 x 3 Meter mittig hinter dem Rad jedes Teilnehmers bei Mittel- und Langdistanz.“ Was spricht für und was gegen diese Neuerung im deutschen Triathlonsport? Was sagen die Aktiven und mit dem Triathlonsport verbundene Personen? Wer möchte sich an der Petition, die sich für die alten Abstände einsetzt beteiligen?
Draftathlon.com, Pettion gegen schleichende Abschaffung der Windschattenregelung. Photo: Draftathlon.com
Argumente für die Regeländerung
+ bessere Kontrolle auf Einhaltung der Regel durch die Kampfrichter im Rennen.
+ Radstrecken verkraften eine größere Anzahl von Athleten.
+ der Abstand kann leichter von den Athleten eingehalten werden.
+ Die Breitensportathleten werden auf eine mögliche komplette Aufhebung und Angleichung an das Wettkampfformat im ITU Weltcup vorbereitet

Argumente gegen die Regeländerung
- starke Radfahrer werden benachteiligt, die Verhältnisse der Disziplinen verschieben sich.
- der traditionelle Einzelkämpfercharakter geht verloren.
- die Verletzungs- und Unfallhäufigkeit wird durch die dichten Felder steigen.
- Genehmigung von voll gesperrten Radstrecken könnte (bei weiterer Verkürzung der Box) notwendig werden. Daraus ergibt sich die Gefahr von unattraktiven Strecken, da bestehende Geniesserschleifen auf dem Rad nicht mehr zu realisieren sind.
- unterschiedliche Abstände bei den verschiedenen Streckenlängen sorgen für Verwirrung. Duathlon auf kurzen Strecken ist scheinbar von der Regel ausgenommen.

Stimmen der Triathleten über die Olympische Distanz
Die Deutsche Meisterin über die Kurzdistanz Anja Dittmer hat 2003 dreimal hintereinander ITU-Weltcups gewonnnen und spricht sich dafür aus, die Basis entscheiden lassen.

Anja Dittmer: „ Die neue Regelung mit der 5 x 2 Meter Box lädt natürlich zum Windschattenfahren ein. Bei diesen Abständen ist der Windschatten deutlich spürbar. Da ich als Triathletin der Olympischen Distanz nur noch an Windschattenrennen teilnehme, und hier es zum Glück keine Diskussionen und Disqualifikationen aufgrund von Windschattenfahren mehr gibt, fällt es mir schwer ein objektives Urteil zu fällen.
Ich denke, wenn die Mehrheit der Hobbytriathleten in Deutschland gegen diese Regelung sein sollte, dann sollte sie auch nicht eingeführt werden. Außerdem kann ja jeder faire Sportler seine eigene Box von 10 x 3 Metern einhalten, trotz der neuen Regelung. Wenn alle Athleten zusammen starten und die Leistungsdichte und Anzahl der Athleten hoch ist, wird es immer Probleme mit dem Nichtwindschattenfahren geben, das lässt sich technisch einfach nicht vermeiden. Und der Spaß ist doch der gemeinsame Wettkampf, sonst könnte ja jeder seinen eigenen Triathlon allein zu hause machen, ohne Windschattenfahren, ganz ursprünglich.“

Daniel Unger hat in der Saison 2003 eine Handvoll TOP 10 Platzierungen im ITU Weltcup eingefahren und sieht in der Änderungen einen nötigen evolutionären Schritt für die leistungsorientierten Athleten.

Daniel Unger: „ Sportler haben sich an Regeln zu halten - wenn diese geändert werden, muss man sich auf die neue Situation einstellen und das Beste daraus machen. In der Formel 1 oder beim Skispringen wird ja bald jährlich irgendetwas verändert. Jeder schimpft drüber und zum Schluß gewinnen wieder diesselben Athleten wie die Jahre zuvor.
Natürlich geht der ursprüngliche Einzelkämpfergedanke des Triathleten ein stückweit verloren, wenn man die internationalen Rennen auf der olympischen Distanz betrachtet. doch es ist ja selbst theoretisch nicht mehr möglich in einem 75 Mann starkem Feld die 10x3m Windschattenregel aufrechtzuerhalten, da die Leistungsdichte im Schwimmen zu groß ist. Das Feld wird nicht mehr entzerrt...
Ich denke diese Regeländerung wird nicht ausgesprochen um starke Radfahrer zu ärgern, sondern weil es die Entwicklung unseres Sports so fordert...nur zu oft sieht man doch auch bei den Rennen, wo das Windschattenfahren verboten ist, große Zusammenschlüsse. Die Frage stellt sich: können diese Athleten nicht nach den Rregeln fahren, weil es die Straßenbreite nicht zulässt, oder wollen sie nicht, weil es in der Gruppe eben schneller geht?
Die beiden Alternativen für Athleten, die sich ohne das Schwimmen im Sog des Vordermannes, ohne Windschatten-Lutscherei und ohne das Festbeissen an der Wade des vor einem Laufenden, messen wollen müssen bei Wettkämpfen im Einzelstartmodus mit großen Zeitabständen an den Start zu gehen oder einen Start-Zielsieg im normalen Triathlonhinlegen.

Maik Petzold ist der amtierende Deutsche Meister über die Olympische Distanz und kann sich, sowohl mit der alten als auch neuen Regel anfreunden. 

Maik Petzold: „ Ich habe mich mit dem neuen Regelwerk noch nicht so intensiv beschäftigt. Diese Entwicklung ist sicher schade für die Langstreckler, doch der Fortschritt bzw. die Entwicklung einer Sportart hängt eben oft mit dem Regelwerk zusammen! Mir ist es egal ob mit oder ohne Windschatten ich mag beide Varianten auf seine Art und Weise.“

Stephan Vuckovic ist als Silbermedailliengewinner der Olympischen Spiele von Sydney.

Stephan Vuckovic: „ Ich kann das nicht nachvollziehen, aber ich bin ja nur Athlet und nicht Funktionär. Warum gibt man das Windschattenfahren nicht komplett frei? Ich werde mich an die neue Regeländerung halten - sie ist jetzt allen früh genug bekannt und man kann sich darauf einstellen.“

Stimmen der Triathleten über die Langdistanz
Jürgen Zäck hat beim IRONMAN Hawaii (Platz 6) und Opel IRONMAN GERMANY Triathlon (Platz 3) 2003 zugeschlagen. Der Altmeister ist für seinen Raddruck bekannt und hält von den neuen Regelungen herzlich wenig.

Jürgen Zäck: „ Die DTU (Deutsche Triathlon Union) soll sich doch in DDU (Deutsche Drafting Union) umbenennen. Mehr kann man da wirklich nicht mehr zu sagen. “

Lothar Leder ist die dominierende Person des Quelle Challenge Roth und konnte bis vor wenigen Jahren noch in einer Saison auf der Kurz- und Langdistanz auftrumpfen und neben erstklassigen Ergebnissen beim IRONMAN Europe auch den Titel eines Deutschen Kurzstreckenmeisters einfahren. Mittlerweile konzentriert sich Loddl vermehrt auf die Langdistanz. Auch er befürchtet Komplikationen bei den großen Breitensportevents.

Lothar Leder: „ Die neue DTU-Regelung ist in meinen Augen eine ganz schlechte Sache für den Sport. Wir haben doch schon jetzt Diskussionen mit den Kampfrichtern nach so manchen Rennen. Wer soll den ganzen zu erwartenden Ansturm von Disqualifikationen und Einsprüchen bearbeiten, die bei so kurzen Abständen zwangsläufig kommen werden? 5 Meter, 4 Meter, 3 Meter - das kann doch niemand kontrollieren!
Ich sehe vor allem etablierte Breitensportveranstaltungen in Gefahr, die durch solche Diskussionen einen schalen Beigeschmack bekommen. Zudem sind Probleme, bei den zu erwartenden Pulkbildungen in den Genehmigungsverfahren der Veranstalter vorprogrammiert.

ITU/ DTU mögen doch so fair sein und gleich Drafting für alle Rennen freigeben und diese Salamitaktik einstellen. Dann wissen wir alle woran wir sind und können Kurztriathlon zukünftig auf jedem größeren Parkplatz in monotonen Runden stattfinden lassen.“

Normann Stadler hat beim IRONMAN Hawaii 2003 als starker Radfahrer seine Konsequenzen aus einer neuen Windschattenregelung gezogen und ist dem Feld auf und davongefahren. Der Gewinner bei der Wahl zum 3athleten des Jahres 2003 möchte die alten Regeln behalten, kann sich aber auch mit den neuen arrangieren, um weiterhin als Profi seine Leistung bringen zu können.

Normann Stadler: „ Manchmal denke ich, dass die Verantwortlichen für solche Änderungen den Bezug zur Basis völlig verloren haben. Die Windschattenregelung mit der 5x2 Meter Box für die Rennen im DTU Hoheitsgebiet sind eine Ohrfeige für alle guten Radfahrer und verzerren die bisherigen Verhältnisse völlig. Ich für meinen Teil denke nicht, dass die verkleinerte Box auf den kurzen Strecken eingehalten wird. Was hat das mit Triathlon zu tun?
Die WTC hat bei den Rennen in den USA im Jahr 2003 ebenfalls eine neue Windschattenregelung (Stagger rule) eingeführt und für eine Rennverzerrung gesorgt. Ich bin wirklich gespannt, ob sie auch 2004 diese grundlegende Änderung beibehalten werden, oder ob die WTC diesen Fehler eingestehen und revidieren kann.
Man kann sicher immer noch je nach Rennsituation nach vorne solo weg springen, wenn sich die anderen in taktischem Geplänkel beäugen. Das Risiko wie ein Knallfrosch „hochzugehen“ ist dann natürlich sehr viel höher, wenn sich die anderen derweil im Windschatten, der sich aus dem Seitenwind ergibt ausruhen.

Für mich hat das alles nicht viel mit Triathlon zu tun und kann der Anfang vom Ende sein. Ich sehe die Grundfesten des Sports erschüttert: die Faszination des einsamen Kampfes mit sich, gegen die Uhr und seine Umgebung geht verloren. Im Ziel kann man nicht mehr behaupten die Strecke auf sich alleine gestellt hinter sich gebracht zu haben.“ 

Stefan Holzner hat das Jahr mit einem Paukenschlag eingeläutet, nachdem er überraschend den Opel IRONMAN Germany Triathlon gewonnen hat. Auch danach und im Vorfeld in den Rennen sind gute Erfolge gegen die deutsche Hawaii Armada verbucht worden. Er spricht sich klar gegen die Änderungen aus.

Stefan Holzner: Die Regeländerung finde ich natürlich total für die Katz. Wenn das jetzt jedes Jahr verkürzt wird, sind wir in spätestens 3 Jahren am Hinterrad. Eigentlich sollte man diese Veranstaltungen boykottieren, ich kann nur hoffen, dass meine bis jetzt ausgewählten Kurz- bzw. Mitteldistanzen wie Buschhütten oder Bonn dem Ursprung treu bleiben.
Man braucht für 5 Meter genauso viele Kampfrichter zur Kontrolle wie für 10 Meter, daher verstehe ich nicht, wer so eine Änderung vorschlägt oder einführen will. Allerdings denke ich der Trend geht sowieso mehr zur Langdistanz, bleibt nur zu hoffen, dass dies ein Wettkampf für Triathleten bleibt.

Timo Bracht hat beim IRONMAN Hawaii 2003 unangenehme Erfahrungen mit der neuen Stagger rule gemacht und wurde disqualifiziert. Wenige Wochen später hat er allen ein Schnippchen geschlagen und den IRONMAN Florida gewonnen. Er bedauert die grundsätzlichen Änderungen und empfindet die Abweichungen vom ursprünglichen Sport als zu stark. 

Timo Bracht: „ Ich bin beim Quelle Challenge Roth seit 1995 als Zuschauer dabei und habe mir immer gewünscht, so eine Wahnsinnsleistung im Kampf des Einzelnen gegen sich selbst erbringen zu können. 2000 habe ich meine erste Langdistanz beim IRONMAN Europe an dieser Stelle gemacht und konnte auch im Folgejahr dort glücklich finishen. Nachhaltig ist mir in diesen Rennen in Erinnerung geblieben, wie sauber die deutschen Pros fahren und ich ziehe bei Betrachtung der Rennszene noch immer meinen Hut vor Leuten wie Markus Forster und Stefan Holzner.

Ich möchte die nächsten 3-6 Jahre mein Leben als Triathlonprofi gestalten – mit allem drum und dran inklusive Versicherung als Profisportler und den richtigen Sponsoren im Rücken. Da habe ich herzlich wenig Interesse an den Wettbewerb verzerrende Regeländerungen und dergleichen.

Die Regeländerungen sind sowohl bei der WTC für IRONMAN Rennen in den USA und den DTU-Rennen auf den kurzen Strecken völlig falsche Signale. Ich fühle mich frappierend an die Diskussionen 1993 und 1994 in den Magazinen erinnert, wo es um die Einführung des „Draftathlons“ durch die ITU ging. Noch immer ein fataler Fehltritt, der für Stagnation und Rückschritt sorgt. Zudem sollten sich die Verantwortlichen bei Außenstehenden und Sponsoren umhören, die völlig irritiert sind, wenn diese Diskussionen der Rennen in der Öffentlichkeit geführt werden oder sogar in das öffentlich-rechtliche Fernsehprogramm finden. Scheinbar kann man nur so die passenden Leute wachrütteln, da sich dann die Geldgeber regen und irritiert und konstatiert nachhaken, was das für ein sonderbare Sportart sei.

Beim diesjährigen IRONMAN Florida haben sich neben vielen anderen Athleten auch Profis, wie Paula Newby-Frazer gegen die neue WTC-Regel und knallharte Einhaltung der bestehenden Paragraphen ausgesprochen. Darüber hinaus werden dort Erhöhungen des Abstandes bei den Profis auf 15-20 Meter eingefordert. Sicher kann eine am Limit fahrende Gruppe auch bei einem IRONMAN spannend sein - sicher und unbefreit fahren kann man aber bestimmt nur ganz vorne. 

Wie unsinnig diese Überlegungen manchmal sind, zeigte sich in Flordia, wo die Stagger rule mitten in der Stadt bei nicht komplett für den öffentlichen Verkehr gesperrten Straßen gleich mit den passenden Ausnahmeregelungen bedacht wurde. Da stellt sich bei Betrachtung der Kurztriathlonszene, die in Deutschland das Rückgrat des nationalen Triathlonbewusstseins darstellt und das Geld in die Kassen des Verbands schwemmt die Frage, wie man bei Gruppen mit 5x2 Metern Abstand unter den einzelnen Fahrern Strecken genehmigt bekommen möchte? Das sind doch für die Behörden und die Polizei geschlossene Gruppen, besonders wenn man mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass die Abstände nicht eingehalten werden. Wo sollten auf einmal die einsatzfreudigen Kampfrichter herkommen?

Daher gilt für mich: Wiederherstellung der alten Regelung bei DTU und WTC und sogar Ausweitung der Abstände bei der WTC. Alles andere ist Unsinn!“

Stimmen aus den Verbänden und der Veranstalter
Dr. Klaus Müller-Ott (Präsident der Deutschen Triathlon Union): „ Aus Sicht der Deutschen Triathlon Union (DTU) ist die geforderte internationale Angleichung an das Regelwerk von ETU und ITU notwendig gewesen. Eine weitere Begründung liegt in den vielen Starts ausländischer Athleten an Wettkämpfen der DTU, die eine Angleichung der Standards erfordern. Die einstimmige Beurteilung der deutschen und europiäischen Wettkampfrichter lautet, dass es keine Probleme bei der Angleichung geben wird.“

Rolf Kather (Vorsitzender im Hessischen Triathlon Verband): „ Aufgrund der notwendigen Angleichung der Sportordnung auf Internationale Standards, musste die gesamte Sportordnung der DTU modifiziert werden. Darunter fiel auch die Änderung der Windschattenregel, hier besonders die Verkleinerung der Größe der Windschattenbox. Der HTV sieht die neue Windschattenregel als geeignetes Mittel, um vor allem auf flachen Sprintstrecken im Triathlon und Duathlon für eine Entzerrung der Rennsituation zu sorgen. Weiterhin ist somit den Athleten gedient die so, durch eine nicht änderbare Topographie, nicht mehr so stark gefährdet sind disqualifiziert zu werden. Die neue Regel stellt natürlich eine neue Herausforderung an alle Beteiligten dar, ebenso für die Kampfrichter, wie für die Athleten. Der HTV ist sich sicher, dass die Kampfrichter in Hessen und in den anderen Bundesländer diese Regel mit viel Fachverstand und Fingerspitzengefühl umsetzen werden. Wie bei der alten Windschattregel steht und fällt die Umsetzung der neuen Regel natürlich mit dem Wettkampfverhalten der Athleten,wenn sich alle an das Reglement halten und einen fairen saubern Wettkampf bestreiten, sieht der Hessische Triathlon Verband keine Probleme aufkommen.“

Herbert Walchshöfer (Veranstalter Quelle Challenge Roth): „Weder die neue WTC-Regelung noch die aktuellen DTU-Kriterien zum Windschattenfahren tangieren den Quelle Challenge Roth, gleichwohl haben wir dazu im Interesse der betroffenen Athletinnen und Athleten eine Meinung. Nach wie vor gilt im Triathlonsport die allgemein verbreitete Meinung, dass Windschattenfahren nicht mit dem Geist der Sportart vereinbar ist. 
In der Anwendung der neuen Regelungen hat sich gezeigt, dass diese wenig praktikabel sind und dem Anforderungsprofil nicht entsprechen. Wer solche Erfahrungen macht, muß auch den Mut haben zu korrigieren, dazu wollen auch wir mit diesem Statement aufrufen. Nicht zuletzt unser Rennen in Roth hat gezeigt, dass auch große und damit schwierig zu steuernde Starterfelder mit dem alten Regelwerk gut klarkommen, es kommt eben auf die konsequente Auslegung bestehender Vorschriften an. Auch ohne die Übernahme fragwürdiger Neuerungen kann Triathlon weitgehend windschattenfrei bleiben.“

Kurt Denk (Präsident Opel IRONMAN Germany Triathlon): „ Ich habe selten soviel theoretischen Unsinn auf einmal vor Augen gesehen. Wer innerhalb der Funktionärsschichten glaubt mit immer neuen Regelungen dem Sport dienen zu können sollte zuerst einen Kurs in effektiver Sportvermarktung belegen. Das was hier vorgeschlagen wird zielt total in das sportliche und vermarktungsstrategische Nichts! In unseren Rennen (z.B. Opel IRONMAN GERMANY Triathlon) wird es solchen "Kunstkäse" nicht geben.“

Kai Walter (Renndirektor Opel IRONMAN Germany Triathlon): „ Auch ich denke, dass die Windschattenregel bleiben sollte wie sie ist - es ist ein Triathlon und jeder kämpft individuell. Wir haben gezeigt, dass man ein großes Rennen "handeln" kann. Die Regel für die IRONMAN Rennen in den USA halte ich für gewöhnungsbedüftig.
In einem stark besetzten Rennen mit Männer und Frauen, hast Du jede Menge starke Radfahrer, dicht gedrängt mit Age Groupern, die in solch einer Konstellation zu Konflikten führen. In einem Rennen mit überwiegend Age Groupern, die finishen wollen, ist das einfacher. Die hohe Zahl von Profis macht die WTC-Regel schwierig. Windschattenverbot gehört zu IRONMAN, hier gibt es keine Aufweichung.“

Stimmen vom Team 3athlon.de
Dirk Kantlehner: „ Was ich nicht weiß, macht nicht heiß
Da mag man sich nur an den Kopf fassen - still, leise und heimlich änderte die DTU die Windschattenregel über die Kurzdistanz. Kaum eine Ankündigung erfolgte seitens des Verbandes und so ist der Mehrzahl der Triathleten und Veranstalter über die neue Regel überhaupt nicht aufgeklärt. Das Volk soll dumm gehalten werden, denn so kann es keine Gegenwehr von der Basis geben. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. 

Hurra, es lebe der Draftathlon
Nun ja, jetzt soll sie also kommen, die neue Regel, die den Triathlonsport radikal verändern wird. Wir werden noch mehr Schwimmen und Laufen trainieren und weniger das Radfahren. Kaum eine nennenswerte Bedeutung wird die zweite Disziplin haben, denn aus 5 Meter wird ganz schnell nur noch 1 Meter. Ich sehe die Bilder schon lebhaft vor mir: die Riesenpulks in Hamburg und die vielen Stürze. Dieser neue Sport hat leider nicht mehr viel mit der ursprünglichen Idee des Triathlonsports zu tun und ist in meinen Augen nicht mehr würdig den Namen Triathlon zu tragen. Hurra, es lebe der Draftathlon. 

Die falsche Entwicklung 
Das heutzutage auch über die Kurzdistanz gedraftet wird, ist unstrittig. Und in NRW hat man teilweise das Gefühl, es ist sogar mehr geworden mit dem Gelutsche auf der Radstrecke. Liegt es an der zunehmend fehlenden Moral der Athleten oder gibt es vielleicht einen Grund? In der Tat es gibt gleich mehrere - so wurde vielfach die ursprüngliche Schwimmstrecke auf 1000 Meter verkürzt. Mehr Breitensportler und Quereinsteiger nahmen am Wettkampf teil und die Veranstalter verzeichneten steigende Teilnehmerzahlen - was wiederum zu mehr Teilnehmer auf der Radstrecke führte. Auch die Rundenanzahl auf der Radstrecke wurde oft reformiert - attraktiver sollte es für die Zuschauer werden und so wurde im schlimmsten Fall aus einer 40 Kilometer-Runde ein 8 x 5 Kilometer Rundkurs.
Wundern darf man sich also über das "Gelutsche" herzlich wenig oder wie sollen denn 400 Athleten auf einem 8 x 5 Kilometer Rundkurs halbwegs die gewünschten 10 Meter einhalten?

Demokratie gegen das Volk - ist Demokratie gegen die Basis
Schaut man sich die Regel in anderen Ländern an, so hat weder Papua Neuguinea noch das Land mit den meisten Triathlons, Australien eine 5 Meter Windschattenregel eingeführt. Warum macht man diesen Unfug in Deutschland? Etwa für die Handvoll Ausländer aus Down Under, die in ihrem Land mehr als 5 Meter bei Non-Drafting Wettkämpfen einhalten müssen? Auch wenn die Australier und Neuseeländer die größten Anzahl der Toptriathleten (max. 20) in Deutschland stellen, ihnen ist es prinzipiell egal auf welchen Wettkämpfen und Formaten sie an den Start gehen - sie sind Profi-Triathleten. Die Angleichung an das internationale Regelment kann es doch wirklich nicht sein! Ist sie es Wert, obwohl die Basis und Mehrzahl der deutschen Toptriathleten eine andere Sportart wünschen als Draftathlon?“

Holger Spiegel: „Die aktuelle Regeländerung ist nur ein weiterer Schritt in die Richtung, die, zumindest von den internationalen Gremien schon vor etwa 10 Jahren eingeschlagen wurde. Damals ging es um die Eingliederung des Sportes ins olympische Programm und wurde von den Funktionären als, für dieses Unterfangen notwendige Voraussetzung artikuliert.
Angesichts verschiedener Draftingexzesse bei nationalen und internationalen Titelkämpfen war damals ziemlich klar, dass Handlungsbedarf vorlag. Die einfachste und möglicherweise auch sauberste Lösung für das Problem war und ist es bedauerlicherweise auch immer noch, die Draftingfreigabe.

Diese Regelveränderung verlagert die Gewichtung der einzelnen Disziplinen und erweitert den Rahmen der taktischen Varianten bei Wettkämpfen um die Teamkomponente. Durch Drafting Freigabe werden so z.B. "Wasserträgerdienste" im den Teildisziplinen Schwimmen und Rad denkbar, wie man sie auch vom Radsport kennt. Dadurch kann es zu völlig anderen Rennverläufen kommen, als man es vom im Grunde eher langweiligen Triathlonsport gewohnt ist. Langweiliger, oder unattraktiver wird der Sport dadurch sicher nicht.
Was vor allem Triathleten der ersten Stunde an dieser Entwicklung stört, ist die Abkehr von der Idee, die für viele mit Triathlon immer noch, zumindest als Ideal, verknüpft ist, nämlich die Idee von einem fairen Kräftemessen über eine bestimmte Strecke, im Kampf nur gegen sich selbst und die Elemente.
Das ist es doch, was uns vorschwebt, und was uns, abgesehen von den Palmen, den rasierten Beinen, und den geilen Rennmaschinen an diesem Sport fasziniert hat.

Wenn man es genau nimmt, gibt es aber schon seit Jahren nur noch ganz wenige Wettkämpfe, deren Realität mit diesem Ideal vereinbar ist. Bei der Mehrzahl der Kurzdistanzen, egal, ob wir uns auf Regionalliga, oder Bundesligalevel bewegen, und auf den meisten Langdistanzen leider auch, wird gelutscht was die Kampfrichter hergeben, und nicht nur von ein paar schwarzen Schafen sondern von vielen. Das ist zum Teil der Streckenführung, zum Teil dem Teilnehmeraufkommen, zum Teil schludrigen Kampfrichtern und leider auch zum großen Teil der Ignoranz und dem verbissenen Ehrgeiz der Athleten zuzuschreiben, die sich einfach nicht am Riemen reißen können.

Wenn nun die Entwicklung in Richtung Drafting weitergeht ist das höchstens ein weiterer schmerzlicher Abschied von einem Ideal, denn die Realität sieht schon lange so aus, und wenn es bald heißt "Drafting Frei" auf allen Strecken, dann passen Regeln und Realität wieder zusammen. Ich werde dann nicht mehr dabei sein, bei diesen Rennen, aber das tut mir nicht weh, denn es wird weiter Rennen geben bei denen ich noch den alten Spirit finden werde und ob die dann Triathlon heißen, oder sonstwie ist mir ganz egal.“

Kai Baumgartner: „ Ich bin über die erneute Aufweichung der Regel nicht glücklich, sehe aber eine grundsätzliche Handlungsnotwendigkeit der Verbände. Wenn die Entwicklung mit dieser Progression genauso weiter voranschreitet wird wohl in 2-5 Jahren das windschattenfreie Rennen allenfalls einzelnen Langdistanzrennen oder Serien vorbehalten sein.

Mit der Angleichung an das ITU-Regelwerk werden Defizite im Kampfrichterwesen und auch in der Moral jedes einzelnen Athleten falsch aufgearbeitet. Pragmatisch gesehen, ist es wohl eine praktikable und ökonomische Lösung, die gängige Praxis und Regelwerk auf Deckung bringen.

Ich erwarte für 2004 reale Abstände von 3x1,5 bis 4x2 Metern, die auch auf Seiten der Veranstalter für Kopfzerbrechen sorgen werden. Triathleten sind nicht ohne weiteres in der Lage so enge Rennen unfallfrei auf dem Rad zu fahren und Ordnungsamt und Polizei dürften Probleme bei der Genehmigung der Radstrecken bereiten: Für den Außenstehenden ist kaum mehr eine Trennung zwischen vollgesperrte Streckenführungen benötigende Massenpulks und halbwegs regelgerecht fahrenden Triathleten sichtbar. Wer soll diese Rennen dann noch in der bisherigen Quantität und Qualität in Deutschland genehmigen? Oder fahren wir zukünftig alle über Kopfsteinpflaster rund um das nächste Einkaufszentrum?

Als abschließendes Fazit verändert sich - Evolution hin oder her - der Charakter der Sportart vor allem für die Basis der Hobbyathleten. Triathlon ist auch das Einzelzeitfahren auf dem Rad – die geplanten Änderungen verzerren das Anforderungsprofil existenziell und gefährden die attraktive Streckenauswahl der Veranstalter.

Daher unterstütze ich die Petition Drafathlon für die Beibehaltung der alten Abstände und schärfere Regelauslegung, werde aber in den Rennen das aktuelle Regelwerk der DTU einhalten.“