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Montag, 3. Oktober 2011

Das schwächste Glied, der dopende Athlet

In der Dopingberichterstattung in den Sportmedien und inbesondere in den Triathlon-Magazinen fällt ein Umstand besonders auf. Grundsätzlich erfolgt die Hauptkonzentration der Berichterstattung auf das schwächste Glied in der Kette, den verdächtigen oder tatsächlich überführten Athleten. Masseure, Physiotherapeuten, Trainer, Ärzte, Manager, Berater, Pharmaindustrie und Funktionäre werden selten so intensiv beleuchtet, wie die durch sportliche Erfolge zuvor hochgejubelten Athleten, die sich nach einem Vergehen insbesondere in Deutschland in einem öffentlichen Spießroutenlauf wiederfinden. Athleten, die einer anonymen, repräsentativen Umfrage zufolge für eine Goldmedaille auf etliche Lebensjahre verzichten würden.
Der Athlet ist in der Regel das schwächste und letzte Glied bei Dopingvergehen im Sport. Hintermänner bleiben meist im Dunkeln und sind durch schwache Gesetze meist geschützt. Photo: Marcel.C, Wikipedia Commons
Jedem Radsportfan sind sicherlich die eigenen ambivalenten Reaktionen auf den noch immer den "Betrug" leugnenden Jan Ullrich nach seinem Skandal bewusst. Was fühlte man sich betrogen, auch wenn man vielleicht selbst bereits "vermutet", "geahnt" oder "gewusst" hat. Das tiefe Tal, in das der Athlet - finanziell durchaus abgesichert - fiel, verfolgten hingegen nur ein Bruchteil der Zuschauer. Aussagen zu Hintermännern? Fehlanzeige. Akte geschlossen, Ulrich tingelt derzeit mit geführten Radtouren und Auftritten vor leicht übergewichtigen Herren im besten Alter übers Land.

Den deutschen Triathleten ist die EPO-Affäre um Nina Kraft beim Ironman Hawaii 2004 tief ins Gedächtnis gebrannt. Kraft, die immerhin die Courage hatte den Verstoß umgehend zuzugeben, wurde im Internet gejagt, gemobbt und verfolgt. Interaktive Elemente ihrer eigenen Website, wie etwa ein Gästebuch mussten nach dem Bekanntwerden des Sündenfalls wegen massiver Beschimpfungen und Drohungen geschlossen werden. Der Dopingskandals warf nicht nur einen sportlichen Schatten auf den Triumph von Normann Stadler. Er hatte unmittelbare finanzielle Einbußen durch verprellte Sponsoren zu verkraften.
Keine Aussage machte die damals wiederholt beste deutsche Ironman-Triathletin Kraft über die Bezugsquelle des EPO-Mittels und den sie wahrscheinlich auch psychologisch manipulierenden Personen im Hintergrund. Das schlecht dosierte und wahrscheinlich erschreckend amateurhaft applizierte Dopingprotokoll hatte Kraft seinerzeit mit unglaublicher Radleistung an die Spitze des Feldes aber auch der abgegebenen Urinproben katapultiert.
Die Schweizerin Natascha Badmann (rechts) fühlte sich von Nina Kraft (links) nicht nur um den Titel und das Preisgeld des Ironman Hawaii 2004 betrogen. Sie trauerte öffentlich um den Verlust des emotionalen Erlebnisses als Siegerin im Zielkanal mit Siegerkranz geehrt zu werden und auf der Awards Ceremony ihre Rede halten zu dürfen. Photo: TFrahmS
In der Affäre um Kinderkrebsarzt und Triathlet Andreas Zoubek aus Wien, dessen einzige nachgewiesene Kundin aus dem Profilager Lisa Hütthaler gewesen sein soll, wurde er im September als amateurhaft agierender "Hintermann" zu einer Geldstrafe von 19.600 Euro verurteilt. Das volle Strafmaß von sechs Monaten schöpfte die Richterin trotz Abrechungsbetrug gegenüber dem St. Anna Kinderspital in Wien nicht aus. Grund der milden Strafe? Das österreichische Anti-Doping-Gesetz trat erst im August 2008 in Kraft, alle zur Last gelegten, bzw. nachweisbaren Vergehen Zoubeks datierten aus der Zeit davor. Vielleicht auch ein Grund, warum die Netzwerke und Kontakte von Zoubek in Österreich, die immer wieder auch in einer belgisch-niederländisch-österreichischen Seilschaft endeten, nicht weiter verfolgt werden konnten.
In einem anderen Netzwerk konnte Athletenmanager Stefan Matschiner unter Anwendung des Anti-Doping-Gesetzes belangt und rechtskräftig verurteilt werden. Er kam gewissermaßen zwei Jahre zu spät und gibt noch immer sein Wissen scheibchenweise - gerne auch in Buchform  - weiter.

Gerade die fehlenden umfassenden Gesetze gegen Doping, von Ausnahmen wie Frankreich, Italien oder Österreich abgesehen, der fehlende Straftatbestand macht es so schwer den Fäden an den Armen, Beinen und Köpfen der marionettenhaft geführten Sportler zu folgen. Wird ein Athlet erwischt, schweigt er aus Respekt vor den Ressourcen der Dealer-Netzwerke hintern ihm. Die Lücke wird eben aufgefüllt, der Sportler ersetzt. Die Show wird auch ohne dieses bedauerliche Individuum weitergehen. Ohne eine Gesetzesinitiative, die auch eine umfassende Betreuung, Kronzeugenregelung und Wiedereingliederung des überführten oder geständigen Sportlers vorsieht, brummt das Milliardengeschäft Doping ungehemmt weiter, solange im Sport sehr viel Geld zu verdienen ist.

Aktuell erzielen Dopingmittel pro Kilogramm mehr Gewinn als jede auf der Straße verfügbare illegale Droge. Schlimmer noch. Die weitere Professionalisierung der Produktionsstätten, Distributionswege und Netzwerke wird zusammen mit den an Leistung orientierten, gesellschaftlichen Idealen ein beständiges Wachstum und wuchern in den Breitensport und letztlich wie im Artikel "Die schizophrene gesellschaftliche Haltung gegenüber Doping" angerissen, Alltag der Menschen bedeuten.

Daher muss sich der Sport im langfristigen Eigeninteresse vom Anspruch der Autonomie und Unabhängigkeit ebenso lösen, wie der Staat von der Spitzensportförderung in der bisherigen Form, wenn beide für die kulturelle oder gesellschaftliche Entwicklung wichtigen Institutionen glaubwürdig und erfolgreich bleiben möchten. Aufklärungsarbeit ist ein netter Bonus, wenn sich die Gesellschaft bezüglich der Spitzensportförderung von der Doppelmoral gelöst hat. Ehemalige Spitzenfunktionäre nationaler Verbände, die dreist und ungestraft gegen eigene Anti-Doping Ordnungen verstoßen haben, gehören ebensowenig in den organisierten Sport, wie dubiose Spitzensportler am Ende ihrer Karriere oder wegsehende Schulterklopfer.