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Donnerstag, 11. August 2011

Erfolgreiche Strategien zur Vermeidung von Magen-, Darmproblemen im Triathlon

Kurz vor 6:00 Uhr am Morgen. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen über der malerischen Bucht von Kailua-Kona, Hawaii. Für den Münchener Faris Al-Sultan soll sie an diesem Tag auch nicht aufgehen. Mit leichenblassem, grünlich schimmerndem Gesicht liegt der Ironman Weltmeister von 2005 völlig K.O. in einem Mietwagen und hadert sichtlich mit der sich abzeichnenden Erkenntnis. DNS, kein Start im Südpazifik, keine 3,8km Schwimmen im Meer, keine 180km Radfahren, schon gar keinen Marathon in den Lavafeldern am Natural Energy Lab. 
Im Triathlon spielt neben Schwimmen, Radfahren, Laufen und dem Wechsel auch die Ernährung eine entscheidende Rolle. Wenn einmal Sand ins Getriebe gerät, neigen sich beim Menschen sehr schnell Akku und Wohlbefinden gegen Null. Photo: Wikimedia GPL Commons
Landsmann Normann Stadler zwängt sich indessen schwitzend in seinen Schwimmanzug. Doch auch er sieht nicht gut aus. Startschuss, Wechsel, ab auf das Rad. Nach beständigem Erbrechen auf den ersten Kilometern zieht auch er endlich die Reißleine: DNF. Nach knappen drei Stunden Sport wird ein Gewichtsverlust von 4,5kg beim Doppelweltmeister verzeichnet. Im Jahr 2007 ging unter den Triathleten auf Hawaii sprichwörtlich die Seuche um, wahrscheinlich das Norovirus.

Ein Sprung zurück in der Zeitreise. Alii Drive, Hawaii. Natascha Badmann leidet zusehends auf der Marathonstrecke. Mehrfach muss sich die Schweizerin übergeben, kann keine Getränke bei sich behalten. Die Frau mit den meisten Hawaii-Titeln nach Paula Newby-Fraser stützt sich in ihrem gelben Renndress mit beiden Händen gegen die hüfthohe, aus dunklen Lavasteinen aufgebaute Mauer. Rhythmische Krampfwellen durchzucken ihren erschöpften Körper, bevor es weitergeht - Richtung Finishline.

Welche Gefahren lauern da draußen für Triathleten, die derartig auf den Magen schlagen können? Welche Strategien gibt es für Athleten, Betreuer und Veranstalter?

Fast jeder Profitriathlet hat bei dem ein oder anderen Ironman tiefe Täler mit Magenproblemen durchschreiten müssen. Natascha Badmann (Ironman Südafrika 2006) kämpfte auf Big Island zuweilen nicht nur gegen ihre Konkurrentinnen. Photo: Triangle
Szenenwechsel, Schiersteiner Hafen bei Wiesbaden. Die Wasserqualität der Schwimmstrecke des Ironman 70.3 Wiesbaden mit integrierter Europameisterschaft steht unter beständiger Kontrolle. Die Werte werden gewöhnlich auf der Website der zuständigen Ämter oder bei privat veranlassten Messungen etwa auf der Event-Webseite veröffentlicht. Nicht so unmittelbar vor dem Rennen. Ein Umstand, der wenig später zu Kritik an der Informationspolitik von Renndirektor Kai Walter führen sollte. Unmittelbar nach dem Event melden sich erste Stimmen und beklagen Magen-, Darmprobleme mit zum Teil starken Symptomen. Die Zahlen der Erkrankten schnellen in die Höhe. In einem Fall kann das Norovirus nachgewiesen werden. Kein klassischer Kandidat für verunreinigte Gewässer, wenngleich es überwiegend fäkal-oral übertragen wird.
Die Konsequenzen sind vorsorglich gezogen worden, wenngleich noch immer die Ursachen nicht abschließend geklärt sind. Seit 2011 schwimmt man beim Ironman 70.3 Wiesbaden im Waldsee Raunheim.
Das Schwimmen beim Ironman 70.3 Wiesbaden stand 2010 unter starker Kritik. 2011 wird der Triathlon  im Waldsee Raunheim gestartet. Photo: Ulihb
Anfang August, ein knappes Jahr später. Nach dem Fuldataler Triathlon melden sich irrtümlich erkrankte Triathleten ab dem Folgetag bei mir, weil auch der Wettkampf meines "Heimatvereins" im gleichen Fluss stattfindet. Niederschlag der vergangenen Tage sorgte für verstärkten Zulauf von Oberflächenwasser, geschwommen wird für fast alle Distanzen und Klassen im Fluss. Für Semiprofi Daniel Schmoll sollte der Triathlon ein letzter Formtest vor Wiesbaden sein. "Test geglückt, Athlet krank" lautet das selbstironische Fazit.
Die Symptome der Triathleten beinhalten allesamt starken Brech-Durchfall und Kopfschmerzen in teilweise so schwerem Ausmass, dass Ärzte konsultiert werden. In zwei Fällen, der schlagartig auf mehrere Dutzend hochgeschnellten Zahl der Erkrankten werden als Verursacher klassische Fäkalbakterien, Streptokokken, im Labor nachgewiesen. Der Fluss hat an dieser Stelle eine ausgewiesene Gewässerklasse II (gute Wasserqualität) ohne besondere Einschränkungen und ist flussauf- und abwärts von Kläranlagen und Überlaufbecken im Radius von unter 5 Kilometern ausgestattet. "Also braucht man keinerlei Bedenken zu haben!" heißt es beim Veranstalter noch immer auf der Website.

So unterschiedlich die drei Fälle sind, so eindeutig die Analyse. Treten erste Meldungen von Erkrankungen auf, mauern Veranstalter aus Angst vor einem Imageverlust oder Haftung massiv. Ein Interesse an einer Aufklärung, um zukünftig Fehler zu vermeiden oder frisch erkrankte Athleten rechtzeitig der passenden medizinischen Behandlung zuzuführen ist kaum erkennbar. Eine Beweissicherung ist bei Gewässern, insbesondere bei Fließgewässern schwer. Auf- und Abbau, auch von Orten klassischer Schmierinfektionsherde wie Toiletten, Verpflegungsständen, Startnummernausgaben, etc. erschweren die nachträgliche Ursachenforschung immens.

Die wichtigsten Hygienetipps
  1. Nach mäßigem Regenfall ist in den Stunden und Tagen danach mit dem Eintrag von Keimen aus Oberflächenwasser zu rechnen. Training in offenen Gewässern verbietet sich für mindestens 24 Stunden. Im Wettkampf kann eine konservative Rennstrategie für weniger verschlucktes Wasser und geringeres Kontaminationsrisiko sorgen.
  2. Starkregen oder Regenfälle über mehrere Tage können Schwimmstrecken im Einzugsgebiet von Landwirtschaft und Kläranlagen massiv beeinträchtigen. Jetzt vorgenommene Messungen würden die Gewässergüte unterhalb der gewünschten Badequalitäten einstufen.
  3. Handhygiene. Händeschütteln unter Sportlern ist beliebt. "Ich fühle mich nicht so gut, irgendwie komisch" ist nach dem Händeschütteln zunächst ein Grund den Kollegen ernsthaft zu fragen, ob er auch mit 42° Fieber oder einer starken Erkältung noch immer die Hände fremder Leute schüttelt. 

    Grundsätzlich führen beim Ironman Hawaii fast alle Profis Handdesinfektionsmittel bei sich. Sie kommt routinemässig nach dem körperlichen Kontakt mit den in der Tropensonne schwitzenden Fans, etwa nach Autogrammstunden zum Einsatz.
  4. Veranstalter kleiner Events nutzen oftmals Leitungswasser zur Versorgung der Athleten. Es wird in (lebensmittelechten) Kanistern und Schläuchen transportiert und aufbewahrt. Wurden diese nicht ausreichend gereinigt und trocken eingelagert, drohen Probleme. Ähnliches gilt für Behältnisse, denen noch Reste von Reinigungsmitteln oder Desinfektionsmitteln anhaften.
  5. Bei den beliebten Schwammstationen kann es bei Hitzerennen passieren, dass der ein oder andere übereifrige Athlet gleich den ganzen Kopf oder andere Körperteile ungefragt in den zugehörigen Behälter stopft. Schwämme werden oftmals am Renntag mehrfach verwendet. Das heißt von der Strecke oder den Sammelstationen aufgehoben und erneut gewässert. Wasser aus Schwämmen trinken? Kein gute Idee!
  6. Gegen verdorbene Lebensmittel ist man schwerlich gefeit. Gerade nach dem erfolgreichen Triathlon sollte auch unter Berücksichtigung der geschwächten Immunabwehrreaktion (Open Window Effekt) und bei hochsommerlichen Temperaturen auf leicht verderbliche Ware im Zielbereich oder aus fragwürdigen Quellen verzichtet werden.

Es gibt aber durchaus noch andere Problemverursacher, die auf den Magen schlagen können.
  1. Den etablierten Ernährungsempfehlungen der großen Hersteller und Ernährungsberater sollte man unter den Aspekten der Flüssigkeitsmenge und maximalen Kohlenhydratzufuhr pro Stunde, Frequenz der Nahrungsaufnahme, Arten der Kohlenhydratquellen, Mineralstoffen und Mikronährstoffen folgen.
  2. Überlastung durch zu hohe Intensitäten, große Hitze, ungewohnte Sitzpositionen auf dem Zeitfahrrad, zu eng sitzende und einschnürenden Kleidung, Dehydratation oder zu viel Nahrungs- oder Flüssigkeitsaufnahme können die Verdauung negativ beeinflussen.
  3. Ungewohnte Ernährung und ungewohnte Zeitpunkte der Nahrungsaufnahme sollten vor dem Wettkampf vermieden werden.
  4. Im Wettkampf sollte auf bekannte Produkte, die bereits bei hohen Intensitäten und über einen Zeitraum analog zum Wettkampf vertragen wurden, ausgewichen werden.
  5. Bei vom Veranstalter selbst angerührten Getränken muss auf eine angemessene Konzentration geachtet werden. Diese kann bei sehr kalten (stärker konzentriert) oder sehr heißen Bedingungen (weniger stark konzentriert) abweichen. Im Zweifel kann ein Konzentrat oder selbst angerührte hochkonzentrierte Mischung mitgeführt werden und mit Wasser von den Verpflegungsstationen gemischt werden. Dazu muss man lediglich an der Flasche des Konzentrats waagerechte Striche anbringen, die eine Referenz für die zu trinkende Menge darstellt. Nachspülen mit Wasser nicht vergessen. Alternativ kann man Wasser und Konzentrat in einem offenen Trinksystem am Lenker zusammenmischen.
  6. Zu kalte, vielleicht sogar eisgekühlte Getränke bringen einen Magen schnell zur Rebellion.