Dienstag, 2. August 2011

Olympischer Triathlon London, Alistair Brownlee kann sich nur selbst schlagen

Harry Potter, ehemaliger Zauberlehrling und erfolgreicher Absolvent der Hogwarts School of Witchcraft and Wizardry aus J. K. Rowlings erfolgreicher Feder hatte nur eine Nemesis. Lord Voldemort, mit Potter verbunden durch ein Teil seiner Seele, die erst durch den Tod ihren Weg aus Potters Körper finden sollte. Der andere Zauberlehrling Englands steht kurz vor seiner Graduierung im Triathlon. Alistrair Brownlee, aktuell absolute Dominanz im Olympischen Triathlon könnte bereits bei den Spielen von London den Olymp als dann jüngster Olympiasieger im Triathlon besteigen. Gängige Zaubertricks, wie die legale Anreicherung des Körpers mit Erythrozyten auf simulierter Höhe von knapp 3.500 Metern mit 12 statt 21% Luftsauerstoff beherrscht der schlaksige Mann mittels Hypoxie-Zelt quasi im Schlaf.
Alistair Brownlee stehen weniger die sportlichen Gegner im Wege, als er selbt. Derzeit können allenfalls sein jüngerer Bruder Jonathan und der Spanier Javier Gomez Noya (von rechts nach links) mit dem Tausendsassa mithalten. Photo: Delly Carr/ITU Media
Seinen Kampf mit dem dunklen Lord hat Brownlee beim ITU WCS Rennen von London 2010 geführt und mit dem überragendem Comeback von Madrid gewonnen. An Platz 1 liegend, sorgte im Hyde Park ein kollabierender Energiestoffwechsel und Kreislauf für die Zielüberquerung im Delirium. Der Gedächtnisverlust an die entscheidenden Minuten des Wettkampfs von London ist symptomatisch für den Allrounder, als er den Sieg vor Augen auf den letzten 400 Metern fast aus den Top 10 fliegt und Javier Gomez Noya und vielen anderen Triathleten den Vortritt lassen muss. Noch immer hängt ihm diese Niederlage nach. Wochen vor einem hochkarätigem Triathlon studiert er die Wetterprognosen nach Anzeichen von extrem heißem Wetter. Hitze macht den Tausendsassa nervös.
Kampf bis zum K.O. - Alistair Brownlee entging in London nur um Haaresbreite einem DNF und K.O. auf den letzten 400 Laufmetern. Photo: Delly Carr/ITU Media
Brownlees Schwäche ist seine Jugend, seine jugendliche Unbekümmertheit, die nach kleinen und großen Siegen große Feiern und nach großen Trainingseinheiten für den Tag darauf noch größere Trainingsduelle mit seinem jüngeren Bruder einfordert. In seiner jungen Karriere musste der älteste Sohn des Ärztepaars Cathy und Keith Brownlee bereits Rückschläge durch Verletzungen wie einen Ermüdungsbruch im Oberschenkel verkraften. Das Brüderpaar pusht sich, ähnlich wie im Rennen auf den Radstrecken der World Championship Series im Triathlon nach vorne. Während die anderen Kandidaten auf das Olympische Podium taktisch geschickt den energiesparenden Windschatten in den großen Draftingfeldern suchen, kennt das Duo nur ein Motto: Angriff und die Flucht nach vorne.

Diese bewundernswerte kämpferische Einstellung kann, insbesondere durch den zusätzlichen Stress, den das Voroylmpische und Olympische Jahr mit sich bringt, nach hinten losgehen. Wenn Körper und Seele durch Ermüdungsbruch, Sehnenreizung oder banale Infektionen ihre Ruhezeiten von Training, Wettkampf und Public Relations, die allesamt auf diesen einen Kulminantionspunkt am 7. August zusteuern, einfordern. Dann könnte die Stunde des bedächtigeren und nicht weniger talentierten Jonathan Brownlee gekommen sein, der im Kielwasser und Schatten des größeren Bruders zunehmend an Stärke gewinnt. Vielleicht steht ja er in London 2012 ganz oben auf dem Treppchen.

Das Leeds Metropolitan University's Carnegie High Performance Centre hat keine Schwäche in den drei Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen bei den Brüdern unangetastet gelassen. Wenn die Brownlee-Brüder diesen schmalen Grat des kompletten, aktiv agierenden Triathleten erfolgreich entlangwandern, können sie in London wirklich Großartiges leisten. Sie sind die Benchmark, das unerbitterliche Mass an dem alle anderen Athleten zwangsläufig gemessen werden. Neben Andreas und Michael Raelert sind sie auf dem Weg zum erfolgreichsten Brüderpaar im Triathlon zu werden.

Ein Ass im Spiel der Brownlees wurde bislang dabei noch gar nicht gespielt. Edward Brownlee, die Nummer 3 aus dem Brüder-Clan geht als Crossläufer und Schwimmer durch exakt die gleiche Schule wie seine beiden älteren Brüder. Der Hype um drei startende Brüder in der WCS oder bei Olympia in Rio de Janeiro 2016 lässt sich gerade nach einem möglichen Erfolg bei den Londoner Spielen in der Heimat schwerlich von der Hand weisen. Die Zukunft der anderen Nationen sieht weiterhin eher düster aus.

Training Day - Andreas Raelert nutzt Schlupfloch im Qualifikationssystem beim Ironman Triathlon

Der Boden des Rother Stadions bei der Challenge 2011 vibriert leicht durch die Beschallung mit den riesigen Lautsprecher und vom rhythmischen Klatschen und Stampfen der Zuschauer, die die bis dahin eindrucksvollste Darbietung von Andreas Raelert im Triathlon überhaupt miterleben konnten.
Andreas Raelert bestreitet nach seinem fulminanten Auftritt in Roth den Pflicht-Ironman in Regensburg offensichtlich aus dem vollem Training und verknüpft in der Not eine Charity-Aktion mit den Zwängen des Regelwerks. Photo: Ingo Kutsche
Der Rostocker dikitierte ab dem Startschuss dem gesamten Feld seine Rennstrategie auf und lieferte eine blitzsaubere und physisch und psychisch erschöpfende Leistung ab. Hat Deutschland nach Stadler und Al-Sultan wieder ein richtig heißes Eisen für den Sieg beim Ironman Hawaii im Feuer? Eigentlich schon, wenn nicht das "neue" Qualifikationssystem, die Kona Pro Rankings (KPR) für den dritten Start auf Big Island im Wege wäre.

Mit seinem zweiten Gesamtrang wäre einer der wohl komplettesten Triathleten aktueller Zeit vor zwei Jahren ohne weitere Sorgen und Nöten startberechtigt gewesen. Dieser Umstand trifft für den Ironman Hawaii 2011 nicht mehr zu. Der 13. des aktuellen Rankings muss vor Ende des Qualifikationszyklus am 31. August 2011 noch die Kleinigkeit einer vollen Ironman-Distanz ins Ziel bringen. Gewertet werden kann nur ein Triathlon aus dem eigenen Markenportfolio der World Triathlon Corporation (WTC), die für die aktuelle Saison ein Punktesystem eingeführt hat, das grundsätzlich von den Athleten angenommen wird, aber des Feintunings bedarf.

Für diverse Triathlonrennen im Ironman und Ironman 70.3 stehen verschiedene Punkte zur Verfügung. Zwischen Punkten und bestimmten Events gibt es wechselseitige Beziehungen: Je wertiger und wichtiger ein Ironman, desto mehr Punkte gibt es und umgekehrt. Die wesentlichen Kriterien des KPR beinhalten derzeit:
  • Die 5 besten Events kommen in die Wertung
  • 2 Ironman müssen in die Wertung, max. 3 Ironman 70.3 werden gewertet
  • Es können bis zu 5 Ironman Events in die Wertung eingebracht werden
  • Die 40 besten männlichen und 25 weiblichen Profis qualifizieren sich (bis 31. Juli)
  • Werden nicht alle Plätz angenommen darf nachgerückt werden
  • Nicht eingelöste Punkte verfallen in der Folgesaison und können nicht in den nächsten Qualifikationszyklus transferiert werden
  • Die 10 besten Männer und 5 besten Frauen qualifizieren sich zum 2. Stichtag (31. August)
  • Hawaiisieger sind 5 Jahre automatisch qualifiziert, sofern sie in der Saison einen Ironman außerhalb der WM finishen
Kritiker beanstanden an dem aktuellen System die zum Teil wenig ausbalancierte Vergabe der Punkte für manche Events, bei denen ein Sieg mit 1.000 Punkten weit hinter den ausgeschütteten 4.000 Punkten, etwa der EM in Frankfurt am Main  oder beim Ironman Texas bliebe. Ehemalige Top-Triathleten, wie Mark Allen, Dave Scott, Peter Reid oder Natascha Badmann starteten vor ihren großen Siegen oftmals bei nur sehr wenigen Triathlons und schon gar nicht über die volle Distanz. Die heutigen Triathleten müssen selbst bei herausragenden Ergebnissen 2 bis 5 Starts absolvieren und sind im dümmsten Fall qualifiziert aber müde oder verletzt.

Andreas Raelert, muss also nach seinem Erfolg in Roth formal noch den Qualifikationskriterien der WTC entsprechen und diesen einen Ironman sicher ins Ziel bringen. Gelingt dies nicht, fehlt er beim Ironman Hawaii 2011.
In einem ähnlichen Dilemma, zzgl. aktuell noch fehlender Punkte steckt sein Bruder Michael auf Listenplatz 47. Die fehlenden Punkte könnte die geplante Titelverteidigung bei der EM im Ironman 70.3 (1.500 für Platz 1) und einen Listenplatz in den Top 30 einbringen. Mögliche Ironman Events zur Erbringung des Pflichtstarts sind der unwahrscheinliche Start zusammen mit seinem Bruder in Regensburg oder die Ironman Events auf dem nordamerikanischen Kontinent drei Tage vor Ende der Qualifikationsperiode am 28. August. Gefährlich dicht am Ironman Hawaii werden am gleichen Tage beim Ironman Louisville und Ironman Canada die letzten Punkte vergeben und anschließend die KPR finalisiert, bevor sie am 3. September veröffentlicht werden. Stehen nach Ende der verbleibenden drei Ironman von Regensburg, Louisville oder Penticton DNS oder DNF hinter dem Namen Michael Raelert bleibt nur das Hoffen und Bangen auf eine Wildcard durch den Status des amtierenden Welt- und Europameisters im Ironman 70.3 Triathlon.

Um auch in der Saison nicht ausschließlich bei Triathlons der WTC zu starten, greift der zweifache Olympiateilnehmer Andreas Raelert auf einen legalen Kniff zurück. Ein Trick, den Kai Walter als Geschäftsführer der ausführenden Eventagentur Xdream nicht sehr begeistern dürfte. Schließlich fällt der heißeste Titelanwärter schon vor dem Start ein wenig aus dem Fokus der Auguren und Medien-Maschinerie. Raelert bestreitet den kommenden Ironman Regensburg quasi aus dem Training.

Die WTC kann wenig Interesse haben, dass hochklassige Triathleten ihre Wettkämpfe zu Charity-Events und Trainingsfahrten mit angezogener Handbremse umdeklarieren. Sie könnte mit einem geänderten Passus der KPR gegen das aktuelle Schlupfloch reagieren: Jener ins Ziel zu bringende Pflicht-Ironman muss vergleichbar einer erfolgreichen Partizipation an den Preisgeldauszahlungen innerhalb einer Karenzzeit erfolgen. 8-15 Prozentpunkte auf die Siegerzeiten, gekoppelt mit einem automatischen Erfüllen der Anforderungen bei einem etwaigen Top 3 Finish erscheinen realistisch. Ob es dabei bei Starts der Ausnahmetriathletin Chrissie Wellington eine Sonderregelung abseits der engen Karenzzeiten für die Mitbewerberinnen geben muss, ist vor Einführung detailliert zu diskutieren.

Raelert gibt dem Trainingstag in Regensburg einen karitativen Hintergrund. Für jeden Athleten vor ihm im Ziel soll eine Spende für einen gemeinnützigen Zweck von 10 bis 20 Euro vorgesehen werden. Bei dem geplanten Platz im Mittelfeld wird insgesamt einen Erlös um die 10.000 Euro erwartet, dessen Empfänger seine Fans vorgeben können. Der Wortlaut im Original:

"Die unglaublich schönen Momente, die ich bei der Challenge in Roth erleben durfte, sind immer noch präsent. Ich bin nun schon wieder in den Trainingsprozess eingestiegen und verspüre noch immer eine starke körperliche wie auch mentale Müdigkeit. Ich freue mich sehr auf den Start am kommenden Sonntag beim Ironman in Regensburg. Im Hinblick auf meinen Saisonhöhepunkt - die Ironman Weltmeisterschaft auf Hawaii – habe ich mich dazu entscheiden, auf meine momentane körperliche Verfassung Rücksicht zu nehmen und ich möchte deshalb mit einem besonderen Ziel an den Start gehen.
Dem Sport habe ich so viel zu verdanken und daher möchte ich die Möglichkeit nutzen, etwas zurückgeben zu können. Um eine Nachhaltigkeit zu erreichen, möchte ich gemeinsam mit meinen Partnern beim Ironman in Regensburg Geld für einen guten Zweck sammeln.
Mir ist es sehr wichtig zu betonen, dass dieser caritative Gedanke ein sehr ernsthaftes Anliegen von Micha und mir ist.
Viele von Euch, die am Sonntag in Regensburg bei einem sehr erlebnisreichen Rennen an den Start gehen, werden auch aktiv für einen guten Zweck teilnehmen und dazu beitragen, ein wohltätiges Projekt zu unterstützen. Gemeinsam mit unseren Partnern werden wir für jeden Athlet, der in Regensburg vor mir die Ziellinie überquert, einen Betrag zwischen 10-20 Euro spenden. Ich halte es für realistisch, mich im Mittelfeld aller Teilnehmer platzieren zu können, so dass der Erlös einen hoffentlich effektiven Gesamtbetrag einbringen wird.
Der Spendenbetrag soll hundertprozentig transparent und nachhaltig eingesetzt werden und deshalb möchte ich Euch auch gerne um Eure Mithilfe und Unterstützung bitten.
Was wäre Eurer Meinung nach der beste Verwendungszweck für diese Spende? Wem sollte der gesammelte Betrag zu Gute kommen? Ich würde mich über Eure Vorschläge sehr freuen!

An dieser Stelle möchte ich mich für Euer Engagement und Eure Mithilfe bedanken!"

Euer Andy