Mittwoch, 27. Juli 2011

Teamtaktiken im Triathlon bereits bei Olympia 2012 in London auf breiter Front?

Ironman Weltmeister Chris McCormack hat es bis auf die Müslischachtel in den USA geschafft. Neudeutsch Cerealien und träumt seinen Traum von der Teilnahme an den Olympischen Spielen 2012. Dafür verzichtet der Australier sogar auf die Titelverteidigung auf Big Island, Hawaii, soweit zu den offiziellen Presseerklärungen. McCormack tritt dabei nicht als Top-Scorer mit dem Ziel Podiumsplatzierung auf, sondern möchte als Edel-Domestike für die wieselflinken Läufer im australischen Kader solide Nachführarbeit leisten.
Wird der Olympische Triathlon von London 2012 mit Alistair und Jonathan Brownlee ein ganz besonderes Dream-Team in perfekter Harmonie erleben? Photo: Delly Carr/ITU Media
Macca wäre aber nicht Macca, wenn er sich bei entsprechend positiver Entwicklung seiner Laufleistung von derzeit rund 31 Minuten auf 10 Kilometer nicht auch hier seine ganz eigenen Gedanken für den Tag der Tage im August 2012 gemacht hätte. Vielleicht sehen wir am Hyde Park eine verkehrte Welt. Teamkollegen wie Courtney Atkinson arbeiten für den cleveren Mann aus Sydney, der sich vorab im internen Qualifikationsprozeß etwaiger Konkurrenz entledigt hätte.

Australien diskutiert offen über Teamtaktiken und Helferrollen. Gibt es in den anderen Ländern, vielleicht auch bei den Nationen mit Favoriten vergleichbare Konstellationen? Der zweifache Medaillengewinner Simon Whitfield  aus Kanada hatte Colin Jenkins bei Olympia 2008 in Beijing an seiner Seite. Die Spanier bauten bereits vor ein paar Jahren um den ehemaligen Weltmeister Ivan Rana ein Helfersystem auf. Rana, mittlerweile nur noch die Nummer 2 oder 3 im spanischen Aufgebot wird sich 2012 wohl wie schon 2008 mit einer Helferrolle begnügen müssen. Gelegentliche Ausflüge in die Welt des Profiradsports haben ein ausreichend solides Fundament für die zweite Disziplin gelegt.

Deutschland hat derzeit mit seinen 4-6 potentiellen Olympiakandidaten Jan Frodeno, Steffen Justus, Sebastian Rank, Maik Petzold, Jonathan Zipf und dem mit einem sehr großen Fragezeichen versehenen Daniel Unger eher Einzelkämpfer im Portfolio, die erst beim Testwettkampf in London im kommenden August eine erste Hackordnung festlegen werden.
Olympiasieger Jan Frodeno ist nach den schwächeren Rennen im Frühjahr, etwa durch Raddefekt im Triathlon von Hamburg noch keineswegs sicher für London 2012 qualifiziert. Noch geben die Youngster, allen voran Sebastian Rank in der Deutschen Triathlon Union in der laufenden Saison den Ton an. Photo: Delly Carr/ITU Media
Rußland scheint prädestiniert für Teamtaktiken. Schließlich stellt das Land  regelmäßig exzellente Schwimmer und bärenstarke Biker im ITU Circuit. Noch fehlt es an einem Top-Läufer. Alexander Brukhankov konnte 2011 lediglich in Kitzbühel bei eher sibirischem Wetter überzeugen.

Überzeugen konnte in Kitzbühel auch der Brite Alistair Brownlee. Zusammen mit seinem Bruder stellen sie bereits die Zwei-Mann-Mannschaft, der derzeit beliebig und nahezu spielerisch die Felder auseinandernimmt und die Reste spätestens auf der Laufstrecke zerpflückt. Die hohe Tempohärte der zwei Brüder und der stete Drang bei jedem Start den Triathlon aktiv von vorne zu führen und mitzugestalten macht sie zu siamesischen Zwillingen mit situativer Arbeitsteilung. Zuarbeiten könnten die starken Radfahrer William Clarke, der erstmalig in Hamburg international auf Top-Niveau läuferisch glänzen konnte und Stuart Hayes. Ex-Welrmeister Tim Don ist wegen seiner nur durchschnittlichen Radfahrfähigkeiten und seinem bisweilen unerreichten läuferischen Stehvermögen dann doch eher der Mann für die Einzelwertung.

Ein dunkles Kapitel möglicher Teamtaktik öffnete ein anderer Brite in der laufenden Saison. Harry Wiltshire blockierte Gomez als einen Mitfavoriten für London 2012 beim ITU WCS Series Rennen von Madrid, schlug ihn im Wasser, drängte ihn ab und setzte das unsportliche Verhalten in der Wechselzone und auf der Radstrecke fort. Der arme Tropf wurde noch während des laufenden Triathlons herausgewunken und disqualifiziert.

Kein Betrugsversuch im eigentlichen Sinne. Beim ITU WCS Triathlon Madrid 2011 drängte der Brite Harry Wiltshire den Spanier Javier Gomez Noya mit Vorsatz von der Ideallinie ab, blockierte seinen Schwimmausstieg und auch den folgenden Wechsel. Wiltshire wurde von der ITU rückwirkend vom 28. Juni für 6 Monate gesperrt. Ein Start im leistungsstarken Team für die Olympischen Spiele in London und Einsatz vor heimischen Publikum ist mit der Strafe nahezu unmöglich.

Wenige Wochen später folgte eine offizielle sechsmonatige Sperre, rückwirkend ab 28. Juni 2011 durch die ITU. Wiltshire wird London wahrscheinlich nur von der Zuschauertribüne verfolgen können. Wiltshire zeigt sich indessen uneinsichtig: "Ich bin extrem über die sechsmonatige Wettkampfsperre wegen unsportlichem Verhaltens aufgebracht. Nach 14 Jahren Teilnahme ist dies ein (echter) Schlag."

Während der Beratung über das Strafmaß wegen unsportlichem und andere Athleten gefährdenden Verhaltens konnte kein Nachweis erbracht werden, dass Wiltshire auf Anweisung eines Teamkameraden oder eines Offiziellen der britischen Federation gehandelt hatte. Die Brownlee Brüder haben so eine Hilfe derzeit gar nicht nötig. Ohne Beweis, erging folgerichtig keine Sanktion oder Strafmaßnahme gegen das gesamte britische Team.

Der Vorfall im britischen Team ist ein sehr gutes Beispiel von negativ-destruktiver Teamorder, die man aus anderen Sportarten sehr wohl als taktisches Foul kennt. Die International Triathlon Union tut sehr gut daran bei weiteren Verdachtsfällen konsequente Sanktionen auszusprechen. In London werden wir wahrscheinlich trotzdem - im kleineren oder größeren Umfang - vor allem unter das Wasseroberfläche und an den Wendebojen beim Schwimmen den ein oder anderen Ausflug in die Vollkontakt-Kampfsportszene sehen. Weiter vorne sorgen indessen die Wellenbrecher im Wasser und auf dem Rad für ruhiges Fahrwasser der Laufraketen. Sofern, die beiden Brownlee Brüder scheinbar spielerisch nicht einfach das Rennen im Paarzeitfahren gegen den Rest der Triathlon-Elite für sich entscheiden.

Montag, 25. Juli 2011

Triathlon Grand Prix, Vor- und Nachteile einer Ironman Grand Slam Series

Die World Triathlon Corporation (WTC), Inhaberin der Ironman- und Ironman 70.3 World Champion Series mit jeweils einem Serienfinale muss sich ähnlich, wie die International Triathlon Union abseits von quantitativen Gesichtspunkten klassischer Expansion weiterentwickeln.

Die Ironman Hawaii Triathlon World Championships müssen nicht zwingend  in das Modell eines Triathlon Grand Slams einfließen. Tradition und Wurzeln der Sportart lassen aber eigentlich keine andere Option zu. Photo: Moritz Gmelin
Auch in der Welt des Ironman Triathlons könnte mittelfristig ein neues, der ITU nicht unähnliches Format etabliert werden. Ein Grand Prix, quasi der Grand Slam der jeweiligen Regional- und Kontinentalmeisterschaften ließe sich perfekt zu einem exzellent zu vermarktenden Paket kombinieren. Mit einem satten Preisgeld nach dem Saisonfinale ausgestattet, muss sich die WTC dabei zwangsläufig nicht nur innerhalb einer ihrer eigenen Serien bewegen. Letztlich kann man sich auch wegen des vergleichbaren Anforderungsprofils eine attraktive Mischung aus Ironman 70.3 und Ironman Triathlons vorstellen.

Aus der Liste aktuell bekannter Events mit hohem Prestige und guter Vermarktungsmöglichkeit sind die beiden Metropolregionen Frankfurt mit den Ironman European Championships (Juli) und New York mit den Ironman US Championships (Premiere August 2012) nicht herauszudenken. Ebenfalls einen festen Platz hätten unter Prestige-Gesichtspunkten die Ironman Hawaii World Championship (Oktober) und die asiatisch-pazifischen Meisterschaften im australischen Melbourne (Premiere März 2012) inne. Die Äquivalente im Ironman 70.3 sind derzeit die EM in Wiesbaden (August), die WM am Lake Las Vegas (September) und die asiatisch-pazifische Meisterschaft im thailändischen Phuket (Dezember). Ergänzung könnten die Planungen noch durch Events in den aufstrebenden Märkten China und Südamerika erfahren und bedürfen natürlich weiterer terminlicher Anpassungen, um den Spannungsbogen bis zum Finale zu halten.

Limitierender Faktor ist bei einem solchen Ironman Grand Slam in Form einer Premium-Serie die Anzahl der einzubringenden Langdistanzen. Gilt Hawaii aus emotionalen Gesichtspunkten als gesetzt, ist nach derzeitigen Qualifikationskriterien für Elite-Triathleten ein weiterer Ironman zumindest ins Ziel zu bringen, sofern zu diesem Zeitpunkt ausreichend Punkte auf Unterdistanzen erzielt wurden oder der letzte Titelgewinn auf Hawaii länger als 5 Jahre zurückliegt.

Frankfurt muss man trotz aktueller strategischer Konsolidierung innerhalb der europäischen Dependance für die nächsten 2-3 Jahre oder länger als fest gesetzt einplanen. An New York kommt ein weltweit tätiges Lifestyle-Unternehmen mit Sitz in den USA und mit Option auf einen Börsengang eigentlich nicht vorbei. Mit Kona, New York und Frankfurt ist aus trainingsmethodischer und medizinischer Sicht schon das Maximum an möglichen Langdistanzen pro Jahr ausgeschöpft, weil weitere Triathlons in den Grand Slam eingebracht werden (sollten).

Athleten mit echtem Interesse in die Punkt- und Preisgeldränge dieses Grand Slams zu kommen, sehen sich bei einer solchen Jahresplanung kaum noch in der Lage andere Rennen  - anderer Veranstalter - ernsthaft einzuplanen. Schließlich stehen sie unter dem Druck der Qualifikation für die WM. Die ebenfalls der WTC zugehörigen 5i50-Triathlons über die klassische Kurzdistanz ohne Windschattenfreigabe (1,5-40-10) sind in diese Überlegungen noch gar nicht eingebunden worden. Des Moines (U.S. Championship) und Clearwater (Serienfinale) mit ihren satten Preisgeldern warten eigentlich auch auf eine nahtlose Integration.

Ob ein Grand Slam mit fortgeschrittener Integration der verschiedenen Rennserien unter einem Dach in dieser oder leicht abgewandelter Form wirklich Sinn macht, ob die Athleten, Medien und Sponsoren ein solches Konzept mittragen werden - dies ist zu diskutieren. Die Ausdifferenzierung von Premium-Triathlons (A-Events) und Veranstaltungen mit nachgeordnetem Charakter (B-Events) wird auch bei der WTC voranschreiten. Eine Analogie zum aktuellen Modell der ITU mit World Series, World Cup, Continental Cup ist offensichtlich und verspricht durchaus Erfolg. Die Belastung der Athleten gilt es neben dem Preisgeld, der Medienverwertung und dem Terminkalender als wichtige Rahmenbedingungen sauber auszutarieren.