Sonntag, 28. September 2008

Deutsche Triathlon Union: Daniel in der Löwengrube. Ein Kommentar zur Nachfolgefrage von DTU-Präsident Rainer Düro.


Es scheint geradezu surreal, was sich hinter den Kulissen der Deutschen Triathlon Union und den angeschlossenen Landesverbänden abspielt. Da wurde mit großem Getöse der alte international durchaus verdiente Präsident Dr. med. Klaus Müller-Ott, der die Weltmeisterschaft 2007 und einen erstklassigen Worldcup ins Land geholt hatte im Februar 2008 per Misstrauensvotum abgewählt – gefolgt von seinen drei Flügelmännern im Präsidium.
Dr. med. Klaus Müller-Ott konnte sich innerhalb der Deutschen Triathlon Union nicht dauerhaft halten. In der jungen Rechtsanwältin Claudia Wisser will er die Königsmörderin und Dolchstoßführerin ausgemacht haben. Der Verband versinkt zeitweilig im Chaos. Photo: Kiel Triathlon
Keine sieben Monate später schafft es der deutsche Spitzenverband im Triathlon nicht ohne öffentlichen Krach einen seriösen zweiten Wechsel an der Spitze durchzuführen und den für den November geplanten Nachfolger von Interrims-Präsident Rainer Düro zu bestimmen. Düro ließ sich unlängst zur öffentlichen Rüge eines Präsidiumsmitglieds hinreißen – in einer Phase, als der Machtkampf nach dem Machtkampf auf dem Höhepunkt angekommen war und die Nerven blank lagen.

Blick zurück: Krise um Ex-Präsident Müller-Ott
Auslöser für die Abwahl Müller-Otts war in der Außenkommunikation der von ihm eigenmächtig anvisierte Umzug der Geschäftsstelle von Frankfurt am Main nach Hamburg. In der Innendarstellung ging es aber immer auch um den Vorwurf der Verschwendung und schlimmer noch der Veruntreuung und eines Vertrauensverlust. Die Untersuchung einer Wirtschaftsprüfungsagentur brachte schließlich im Spätsommer 2008 den Verdacht erhärtende Indizien, die noch im September zu einer Strafanzeige des Nachfolgepräsidiums gegen Müller-Ott nach Paragraph 266a geführt haben.

Strukturen sollten geändert werden
Immanent mitschwingendes Thema war als Nebenaspekt immer die mit dem Umzug verbundene und angedachte Umstrukturierung des Verbands - durch die Hintertür - mit vielen personellen Änderungen. Die Kündigung des seit vielen Jahren in der Kritik stehenden aber langjährig beschäftigen Geschäftsführers Jörg Barion, den auch viele Landespräsidenten lieber heute als Morgen loswerden würden war ein zentrales Mosaiksteinchen des Masterplans von Müller-Ott. Konsequent umgesetzt hat dieses Vorhaben bisher noch immer kein Gremium.

Als Drahtzieher der Aufstands in der DTU, der zwischenzeitlich in Müller-Ott und den Trierer Rainer Düro gleich zwei Präsidenten mit ihrem jeweiligen Präsidium generierte, vermuteten seinerzeit viele Insider Geschäftsführer Barion. Wenngleich dieser immer seine Loyalität betonte und letztlich unangetastet aus der Abwahl Müller-Otts hervorging und vielmehr als gestärkt und weniger kontrollierbar gilt.

Dr. jur. Thomas Bach griff ein
Die drohende rechtliche Handlungsunfähigkeit im Olympiajahr mit den zwei konkurrierenden und mindestens einem unrechtmäßigen Präsidium musste ein schlichtendes Machtwort von DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach beenden. Doch schon Stunden danach wurden die ersten Verstöße gegen Punkt 8 des als Kompromiss geltenden Einigungskatalogs bekannt.

Vizepräsidentin Claudia Wisser brachte Stein ins Rollen
Ausgelöst hatte den Aufstand gegen Müller-Ott und den offenen Machtkampf im Winter 2007/ 2008 Vizepräsidentin Claudia Wisser gemeinsam mit weiteren Kräften aus den Landesverbänden und mit Unterstützung von Teilen des Präsidiums. Jene Teile, die sich selbst nicht als Bestandteil der sich möglicherweise ausweitenden Strafanzeige gegen Müller-Ott und Co. sehen und die Verantwortung für die Fehler und Verfehlungen von sich weisen.

Anwältin Wisser, von Müller-Ott als Königsmörderin und Brutus betrachtet, schaffte im Februar erneut den Sprung ins neue Präsidium und widmete danach viel Energie in die Neugestaltung der Satzung. Mindestens ebenso viel Energie brachte Wisser dafür auf, keine offenen Ambitionen auf ein noch höheres Amt zu bekunden. 

Den Sprung als Alt-Präsidialmitglieder in das neue Gremium vollzogen ebenfalls Dr. med. Michael Kraus, Gerd Lücker, Peter Kernbach und Sandra Weber. Ergänzt wurden sie von Neumitglied Bernd Rollar, der sich um das vakante Amt der Finanzen kümmern sollte und dies weiterhin erfolgreich tut. 

Öffentliche Denunzierung
Für die ausgeschiedenen Befürworter Müller-Otts, in persona Arnd Schomburg, Richter Reinhard Wilke und Martin Bentele war zu diesem Zeitpunkt schon länger Schluss. Nach einer Auseinandersetzung, die zum Teil offen in den Medien ausgetragen wurde warfen sie entnervt einer nach dem anderen das Handtuch. 

Die Höhepunkte der Schlammschlacht sind offensichtlich gefälschte und an Agenturen verschickte E-Mails und der Versuch gefälschte Ausdrucke von Forenbeiträgen abfälliger Natur über DTU-Ehrenpräsident Dr. med. Martin Engehardt, sowie weitere Nettigkeiten aus dem Nähkästchen realpolitischer Umgangsweise publikumswirksam an den geneigten Triathleten zu bringen.

Sonnenkönige und ein Treffen der Karnickelzüchter
Dem Sonnenkönig Müller-Ott, der sich noch immer selbst als Opfer der Übernahme einer Vielzahl von Aufgaben eines inkompetenten Geschäftsführers sieht, folgte Pharmareferent Rainer Düro. Enthusiastisch und bildhaft nach der Wahl über „Korona“ redend – assoziierte zu diesem Zeitpunkt sicherlich weniger sich als Sonnenkönig im Zentrum der Macht, mit den Landespräsidenten als wohlfälligen Strahlenkranz, als Satelliten, die um ihn herumschwirrten.
Rainer Düro kann während seines Mandats viele entscheidende Impulse geben, kämpft mit Claudia Wisser im Präsidium aber von Beginn an mit "einer Natter an seiner Brust". Photo: RTV
In der Nachbetrachtung entbehrt dieser Ausdruck nicht einer gewissen Ironie und Komik – strahlend oder sonnig war an diesem Tag nicht viel. Für sprachliche Highlights sorgten allenfalls mit dem Wittener Richard Gutt und dem Maintaler Kurt Denk Außenstehende. Die beiden umtriebigen Interessensvertreter des kommerziellen Triathlons gingen nicht, ohne den 16. Februar 2008 als „Veranstaltung eines Karnickelzüchtervereins“ (Gutt) und „Putsch“ (Denk) abqualifiziert und damit überspitzt aber durchaus treffend den Nerv getroffen zu haben.

Stockende Reformen
Düro selbst brachte 2008 in der Nachfolgezeit mit seinem Präsidium einige Reformen auf den Weg. Allen voran die wichtige Konsolidierung der Finanzen und Reparatur des entstandenden wirtschaftlichen und Imageschadens. 

Allerdings schien Düros Mandatschaft oft auf halben Weg steckenzubleiben: Inkonsequenz beim eigenen Anti-Doping Programm, Inkonsequenz bei der Aufarbeitung des offiziell vom alten DTU-Präsidium unter Reinhard Wilke eingeleiteten Untersuchungsverfahren gegen den Ausnahme-Triathleten und mehrfachen Deutschen Meister der 90er Jahre Lothar Leder sind nur einige Ecken, in den der Staub im DTU-Büro gleich in Zentimeterhöhe anzutreffen ist. Die sich abzeichnenden Querelen um die Neuwahl im November 2008 kratzen weiterhin am Image des Verbands.

Strukturelle Schwäche
Düro schien sich mit fortschreitender Amtszeit zunehmend im Netz der Seilschaften und Lobbyisten zu verlieren und zeigte zugleich einmal mehr die strukturelle Schwäche der DTU-Satzung. Ein ehrenamtlicher Präsident kann die ihm auferlegten Aufgaben nicht mehr ausreichend ausfüllen. Eine Änderung in einen „geschäftsführende Präsidentschaft“, wie seinerzeit wohl von Müller-Ott angedacht, aber nicht ausreichend mit den Landesverbänden kommunziert oder rechtlich untermauert scheint unumgänglich.

Die Sonne wird zum schwarzen Loch
Das von Düro im Februar gezeichnete Bild nahm im weiteren Verlauf wieder stärkere Wesenszüge an, die den Begriff von Sonne und dem sie umgebenden Strahlenkranz neu definierten. Mit Dauer des auf kein ganzes Jahr beschränkten Mandats hatte sich Düro offensichtlich an den Status eines Präsidenten gewöhnt und wollte nicht ohne Widerstand weichen. 

Zuerst beharrte er nach einigen Monaten darauf, nicht als Interimspräsident gehandelt und benannt zu werden. Ein erstes Anzeichen, dass früh bei 3athlon.de für Skepsis sorgte. Dann - nach den erfolgreichen Spielen von Beijing - hatte der ehemalige Landespräsident von Rheinland-Pfalz offensichtlich endgültig Blut geleckt und versuchte sich aus der gegebenen Zusage des zeitlich klar beschränkten Mandats zu lavieren.

Zuerst stand die offene Kandidatur im Raume. Nach Widerstand der großen Landesverbände erfolgte der Vorschlag Dr. med. Klaus Steinbach als neuen DTU-Präsidenten zu wählen, das eigentliche Geschäft selbst wollte aber gleichwohl Düro als „operative Einheit“ für sich reklamieren – gewissermaßen wollte Düro das schwarze Loch hinter der Sonne spielen. Steinbach sollte lediglich repräsentieren – ein Deal der einen Mann dieses Formats allenfalls zu leisem Gelächter und abwinkender Geste genötigt haben dürfte.

Diagnose: DTU leidet an Doktoritis
Klaus Steinbach sollte sich sehr genau überlegen, ob er den Sprung in die Löwengrube wagen sollte. Vielleicht gelingt ihm wie Daniel das Wunder, vielleicht wird er aber schlicht aufgefressen oder - noch schlimmer - böswillig von den Schlangen bezirzt, verraten und anschließend öffentlich und den Verband schädigend verschlungen.

Nun soll es also wieder ein „Dr. med.“ richten. Die Nominierungskommission ist anscheinend noch nicht auf den Gedanken gekommen, dass ein Mediziner vielleicht nicht „tough“ genug sein könnte, den Kuss mit den Bewohnern der Schlagengrube zu überleben und die Interessen der Altersklassensportler und sich aus dem Mandat ergebende Anforderungen erfolgreich durchzusetzen.

Wisser auf dem Sprung an die Macht?
Eine Nutznießerin der dümmlichen Lage könnte ein bestehendes Präsidiumsmitglied sein. Claudia Wisser, seinerzeit direkt an der damals vermuteten Offenlegung der Unregelmäßigkeiten und dem Sturz gegen Müller-Ott beteiligt, wurde auch von Düro als direkte Konkurrenz und Bedrohung betrachtet. 

Die Anwältin, mit mehreren zivilrechtlichen Mandaten im Triathlonsport, wie etwa der Langstrecke von Roth außerhalb ihrer Verbandstätigkeit betraut und dadurch in der Kritik, sah sich indessen als neue Top-Kandidatin von wenigen Landesverbänden gestützt, öffentlich von Düro in Zeitungsberichten regelrecht abgewatscht. Vielleicht auch, um durch die öffentliche Diskreditierung eine Nachfolge dauerhaft zu verhindern und das an anderer Stelle gezeigte unloyale Verhalten abzustrafen. 

Déjà-vu-Erlebnis der besonderen Art
Der Bildsprache Müller-Otts folgend und für ein Déjà-vu-Erlebnis der besonderen Art sorgend wird Wisser nach vorliegenden Informationen auch vom scheidenden Präsidenten mit Reptilienallegorien in Verbindung gebracht.

Wer sollte es nun richten?
Statt eines „Dr. med“ oder mit Altlasten behafteter Präsidiumsmitglieder, sind DTU-Kritiker mit Insiderwissen gefragt, die mit Haaren auf den Zähnen und einem guten nationalen und internationalen Netzwerk die geplante Umstrukturierung der Deutschen Triathlon Union zu einem effektiven und schlagkräftigen Dienstleistungsunternehmen schaffen.

Die Unterstützung Wissers durch manche Landesverbände hinterlässt ein ungutes und unbefriedigendes Gefühl. Düro, der formal und offiziell am 23. September seine Person aus der Diskussion um die Nachfolge genommen hatte, hat ein Loch hinterlassen. Der eigenmächtige Vorstoß Düros bei der Kontaktaufnahme mit Steinbach und der öffentliche Disput mit Wisser hat beide Kandidaten effektiv geschwächt oder gleich unmöglich gemacht.

Der Triathlonsport in Deutschland, der neben der phantastischen sportlichen Einstellung der DTU-Athleten Jan „Frodo“ Frodeno, Daniel „Ungerman“ Unger und Christian „Paule“ Prochnow 2008 erfolgreich wie nie war, verdient eine würdige und starke Führung.

Der Verband muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit sportliche Top-Leistungen der Olympia-Athleten und der Ironman-Triathleten um Normann Stadler, Faris Al-Sultan und Thomas Hellriegel und die großartige Veranstaltungslandschaft mit den Höhepunkten Frankfurt, Hamburg und Roth weiter erhalten bleiben. Der Olympiasieg Frodenos muss sich prosperiend und synergetisch auf alle Facetten der faszinierenden Sportart Triathlon auswirken.

Die sportliche Leistung der Olympioniken ist neben der sportlich richtigen Einstellung der Athleten ein Verdienst des scheidenden sportlichen Direktors Rolf Ebeling und des amtierenden Cheftrainers Wolfgang Thiel, der als Nachfolger Ebelings gehandelt wird. Eingeleitet hat den Wandel seinerzeit der nicht mit schwarzen und weißen Farben zu fassende Ex-Präsident Dr. med. Klaus Müller-Ott. Auch dessen sollte sich der Nachfolger Düros bewusst sein und die Wurzeln und Geschichte des Sports kennen und achten.

Vielleicht hilft ein gutes Abschneiden deutscher Triathleten bei der Mutter aller Schlachten, dem Ironman Hawaii am 12. Oktober die Konzentration der Entscheidungsträger neu zu beflügeln, weitreichende Reformen anzugehen und die richtige Wahl möglich zu machen.

Samstag, 13. September 2008

Ironman Hawaii 2008 wirft seinen Schatten voraus

Die Ford Ironman Hawaii Triathlon World Championships werfen ihren Schatten voraus. Die Rennen aus dem Vorjahr mit der Chrissie Wellington und dem Australier Chris McCormack haben ein Fragezeichen hinterlassen… Können die im Vorjahr am Renntag oder unmittelbar zuvor ausgefallen Mitteleuropäer Natascha Badmann (Radsturz), Normann Stadler (Virusinfekt und DNF auf dem Rad wegen Erbrechen) und Faris Al-Sultan (DNS wegen Virusinfekt am Renntag) beim Showdown auf Big Island zu neuer Stärke finden?

Was machen die „neuen“ Triathleten a la Craig Alexander (Australien), die von den kurzen Strecken, wie dem olympischen Triathlon und dem Ironman 70.3 auf den Ironman gewechselt sind? Wie wird sich die Hannoveranerin Sandra Wallenhorst, derzeitig schnellste Athletin auf der offiziellen Ironman-Events und eine der schnellsten 5 Frauen überhaupt bei ihrere Premiere schlagen?

Viele Fragen, die im Oktober eine Antwort in der heißen Lavawüste finden werden. Wir freuen uns darauf und werden vielschichtig und reich an Facetten aus dem Epizentrum des Triathlons bloggen…

Mittwoch, 27. Februar 2008

Wechsel in der DTU-Führung, eine kurze Betrachtung und Kommentar aus Sicht der Athleten und Vereine


Nun hat man sich also gütlich geeinigt. Der vor gut einer Woche neu gewählte DTU-Vorstand bleibt bis zum nächsten Außerordentlichen Verbandstag Anfang November im Amt.

Die alte DTU-Führungsspitze mit Sitz im Elfenbeinturm hat es über Jahre versäumt für Transparenz und Vertrauen innerhalb ihrer Organe und insbesondere zu den Mitgliedern zu sorgen. Angebliche Ungereimtheiten bei den Reiseabrechnungen ihres Präsidenten Klaus Müller-Ott, Interessenkonflikte derselben Person in Bezug auf die Mitgliedschaft in der Geschäftsführung einer privaten Veranstalteragentur, der bis Ende 2007 so gut wie abgebaute Kassenbestand und schlussendlich vor allem Alleingänge wie die Einführung der 2. Bundesliga im Jahr 2006 sowie der dicke Klops mit dem gewollten, jedoch nicht plausibel vermittelten Umzug nach Hamburg waren in der Summe zuviel für die Landesverbände.

Über den Zeitpunkt der Neuwahl kann man streiten, genauso wie über die Abwägung zwischen guten Leistungen des alten Vorstandes und dem undemokratischen Führungsstil. Es hätte jedoch nicht soweit kommen müssen, dass alles mit derart viel Kanonendonner vonstatten gegangen ist. Der Zeitpunkt für die saubere und geräuscharme Abwahl eines DTU-Vorstandes, ob mit oder ohne Kampfabstimmung, ist immer der alle vier Jahre stattfindende Ordentliche Verbandstag. Der letzte war im November 2006 in Leipzig. Dort wurden Klaus Müller-Ott sowie der engere und jetzt abgesetzte Führungskreis um die Vizepräsidenten Reinhard Wilke und Martin Bentele von den Landesverbänden wiedergewählt, wie auch Kernbach, Lücker, Krause und Co., die es erneut ins „aktuellste“ Interims-Präsidium geschafft haben. Und dies obwohl bereits einiges im Argen lag und die Vertrauensbasis stark angegriffen war. Nun konnte man angesichts der immer weiter strapazierten Beziehungen nicht mehr bis 2010 warten, dazu muss man die öffentlichen Aussagen einiger Landesverbände nicht mal zwischen den Zeilen lesen.

Bevor ein alter Vorstand übergangslos abgelöst werden kann, sollte ein neuer mit möglichst optimaler Besetzung bereitstehen. Deutschland ist Lobbyistenland, somit benötigt dieser Vorstand im besten Fall Personen mit den richtigen Kontakten zur (Sport-)Politik. Klaus Müller-Ott war dabei sich diese zu erarbeiten, sowohl national wie auch international als Mitglied im Executive Board des Weltverbandes. Dieser Posten sowie der Schmusekurs mit der zuletzt wütenden International Triathlon Union (ITU) pflasterten den Weg zu einer tollen WM in Hamburg. So betrachtet ist dieser straffe Schnitt nicht gerade ein Fortschritt, sondern geht eher in die andere Richtung. Auch wenn durch die informelle Einbeziehung des alten Präsidenten der Kontakt nach der Trennung beibehalten werden soll. Was hierbei herauskommt, wird man bald sehen.

Was sind nun die vordergründig anzustrebenden Ziele für den neuen Präsidenten Rainer Düro und sein Team? Zunächst muss Vertrauen und Reputation in Richtung Basis, den Vereinen und ihrer Mitglieder endlich mal hergestellt werden. 

Zugegebenermaßen interessiert die Verbandsarbeit kaum einen Triathleten in Deutschland wirklich. Und genau da liegt das Problem. Laut glaubhaften Schätzungen betreiben ca. 200.000 Leute in Deutschland aktiv den Triathlonsport. Die große Mehrheit davon ist nicht in Vereinen organisiert und noch weniger (~ 27.000) haben einen Startpass. Hier liegt ein sehr großes Potential um an mehr zahlende Mitglieder zu kommen, und die machen sich am Ende auch bezahlt, wenn es um die Verteilung öffentlicher Gelder geht. Deren Anwerbung haben die alte DTU-Führung und auch die Landesverbände nicht einmal halbherzig betrieben. Dabei war schon kurz nach dem Beginn des gewaltigen Booms bei den Laufveranstaltungen vor etwa 10 Jahren abzusehen, dass es eine ganze Menge Läufer am Ende nicht dabei belassen, sondern die weitaus gelenkschonenderen Sportarten Schwimmen und Radfahren hinzunehmen würden. Aus einer Laufbewegung ist der Triathlonsport Anfang der 1970er Jahre in den USA hervorgegangen. Dessen hätte man sich erinnern sollen.

Ein Beispiel mehr, dass die meisten Landesverbände und ihr Dachverband in den vergangenen Jahren die Basisarbeit vernachlässigt haben, sind die Veranstaltungen. Hier öffnet sich immer mehr die Kluft zwischen einer nach Verdienst und Ansehen strebenden Upperclass samt ihrer Kielwasserschwimmer und demgegenüber den vielen kleineren Veranstaltungen, die mit weit weniger Budget und Organisationsaufwand auskommen müssen. Die großen Veranstalter können teure Profis bezahlen, haben damit das Damoklesschwert Dopingvergehen über sich und verlangen folglich neue Bestimmungen gegen moderne Dopingmethoden. Den Kleinen fehlt immer mehr eine Fokussierung auf das Essentielle, den Hauptwettkampf, idealerweise in Form einer Kurzdistanz sowie geeignete Wettkampfstrecken. Diese Veranstaltungen verwässern sich selbst durch eine Vielzahl an Rennen und Wertungen, leiden unter mangelhaften Wettkampfstrecken und oftmals notgedrungenem Drafting. Frust macht sich breit, vom Teilnehmer bis zum Kampfrichter. Davon zeugten einige üble Vorkommnisse der letzten Saison in NRW und auch anderen Bundesländern. Neben einer nicht mundgerechten Verarbeitung für die Medien führt dies logischerweise zu einer Spaltung zwischen Vereinssportlern und unorganisierten Triathleten nach dem Motto: Vereinsathleten starten in der Provinz bei Liga- und Wald-und-Wiesen-Veranstaltungen. Wer was auf sich hält, startet auf den teuren Super-Events, weltweit. Hier liegt viel Arbeit für die Landesverbände, aber auch für die neue DTU-Führung. Die Bedingungen für die vielen kleinen Veranstalter, alte wie potentielle, müssen verbessert werden. Beispielsweise durch Unterstützung bei Genehmigungsproblemen mit den Behörden. Jedoch auch durch die kritische Begleitung bei der Abwägung von Konzepten und Auswahl von Wettkampfstrecken. Die Kurzdistanz gilt es hervorzuheben. Sie ist für die meisten Breitensportler immer noch das aufwandkompatible Ziel das es zu bewältigen gilt.

Indem man sich verstärkt in diese Richtung und hin zur sporttreibenden Basis bewegt, und dafür die große Politik zunächst mal sausen lässt, kann man am Ende, letztlich durch den Hebel Mitgliederzuwachs, viel mehr erreichen, als dies die alte DTU-Führung mit ihrer Hast nach vorn wohl vorhatte.


Gastbeitrag von Robert Stabrey