Sonntag, 22. Februar 2004

Wie kam es zum Drafting-Gate?


DTU gesteht Fehler ein, deutsche Triathlonszene atmet auf könnte die Schlagzeile lauten. Doch wie ist es eigentlich zu dieser Entwicklung mit dem Wunsch der Funktionäre auf eine Verkürzung der Windschattenbox gekommen und welche Rolle spielte Drafathlon?
Das "Who is Who" der deutschen Triathlon-Szene hat sich auf Draftathlon.com gemeldet und die aktuelle Entwicklung kommentiert. Photo: Draftathlon.com
September 2003 - kurzer Blick zurück 
Die Deutsche Triathlon Union (DTU) hat im Herbst im Rahmen mehrerer Änderungen der Sportordnung unter Anderem die Größe der Windschattenbox für das Radfahren im Spätherbst 2003 um 2/3 der ursprüngliche Größe auf 5 x 2 Meter, statt 10 x 3 Meter reduziert. Maßgebliches Argument auf Seite des Verbandes waren die Vorgaben der International Triathlon Union (ITU), die jene Regelung für Wettkämpfe der Altergruppen ebenfalls vorsieht und auf nationaler Ebene bis in die untersten Leistungsklassen umgesetzt werden müsse.
Dieser elementare Eingriff stellte die Kernidee und Seele des Sports, den „Einzelkampfcharakter“ unnötigerweise ad absurdum und gefährdet zudem die Freizeitsportler durch erhöhte Sturzgefahr im Feld. Veranstalter der Rennen werden durch die Einschnitte vor Probleme in den Genehmigungsverfahren bei den örtlichen Behörden für die Radstrecke gestellt. 

Oktober 2003 - kritische Stimmen kommen auf 
3athlon.de hat im Oktober und Dezember in Artikeln mehrfach auf die Probleme mit der neuen Ordnung hingewiesen und eine offizielle Informationspolitik der DTU gefordert.

Die für die Umsetzung der Änderungen zuständige Technische Kommission bringt das Präsidium der DTU im weiteren Verlauf zunehmend in Verlegenheit, fehlende Koordination der Zuständigkeiten und mangelnde interne Kommunikation und Sachreflektion sind bei der Umsetzung der internationalen Vorgaben erkennbar und deuten auf fehlenden Praxisbezug der Verantwortlichen hin.

Januar 2004 - Draftathlon.com: Protest formiert sich
Als im Januar noch immer keine offiziellen Meldungen aus dem Verband in der Sache an die Mitglieder oder die Öffentlichkeit getragen wurden und auch keinerlei öffentliche Meinungsbildung durch die DTU im Vorfeld betrieben wurde formiert sich ab dem 1. Februar auf Initiative der Betreiber von 3athlon.de unter der Domain Draftathlon.com der demokratische Widerstand in der deutschen Triathlonszene: Rufe der Besucher nach einem neuen Triathlonverband, der die Interessen seiner Mitglieder besser vertreten solle, als der bisherige spiegeln die Spitze der Entrüstung wider.

Februar 2004 - Profis und Veranstalter sagen Nein!
Die gesamte deutsche Triathlonelite über die Langdistanz bezieht ebenso klar Stellung, wie auch die drei großen deutschen Veranstaltungen Holsten City Man (Hamburg), Opel IRONMAN Germany Triathlon (Frankfurt) und Quelle Challenge Triathlon (Roth).

Zahlreiche Pioniere des deutschen Triathlonsports und aktuelle Größen sagen „Nein zu 5 x 2“ und fordern die Rückkehr zum alten Format. Selbst der DTU nahestehende Kreise geben in privaten Stellungnahmen zu erkennen, daß sie von den Änderungen wenig halten aber Hemmungen vor einer öffentlich bezogenen Position haben und Benachteiligungen befürchten. 

Februar 2004 - DTU reagiert
Nachdem sich über 800 Sportler, Veranstalter und Vertreter der Industrie innerhalb von 3 Wochen klar gegen „5x2 Meter“ in einer Petition ausgesprochen haben und auch die Süddeutsche Zeitung und das Portal Tri2b.de das Thema aufgegriffen haben, lenkt die DTU nach Wochen des Schweigens und kurzen informellen Gesprächen mit Draftathlon.com ein. Sie nimmt die eingebrachten Vorschläge und Argumente auf und in der Folge die Regeländerung am 21. Februar 2004 mit sofortiger Wirkung in ihrem Hoheitsgebiet zurück. Sie kündigt zudem Gespräche auf internationaler Ebene an, um eine verbindliche Lösung für alle nationalen Verbände zu erarbeiten.

Die DTU zeigt nach zunehmendem Druck der Basis mit diesem Schritt zurück den Mut eine Fehlentscheidung und Fehleinschätzung ihrer Organe zurückzunehmen und eine Sachdiskussion neu anzustoßen. Ein guter und wichtiger Wesenszug, der in der heutigen Gesellschaft nicht selbstverständlich ist und einer jungen und dynamischen Sportart gut zu Gesicht steht: „ Die Einwände gegen die Verkürzung der Windschattenbox von 10 x 3 Meter auf 5 x 2 Meter sind berechtigt. Das muss - auch international - noch mal auf den Prüfstand!" erklärt Präsident Dr. Klaus Müller-Ott in einer offiziellen Presseerklärung der DTU Pressestelle am Ende der Beratungen am 21.02.2004.

Fader Beigeschmack bleibt
Ein fader Beigeschmack bleibt trotzdem bestehen. Der Einzelkampfcharakter und ursprüngliche Gedanke der Sportart wird in der Mitteilung argumentativ nicht aufgegriffen. Die Grundhaltung der DTU scheint noch immer fest im Draftingformat verharren zu wollen - Triathlon soll mit dem Olympischen Drafting Triathlon in der allgemeinen Definition gleichgesetzt werden: schnell Schwimmen, eine gemeinsame Radausfahrt in der Gruppe inkl. entsprechender (Mannschafts-) Taktik und ein abschliessender Ausscheidungslauf über 10 Kilometer sind das angestrebte Ideal des "neuen" Triathlon.

Ansprüche im Hochleistungs- und Breitensport
Das Argument in obiger Erklärung, dass „ die olympische Sportart Triathlon nach den Vorgaben des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ein weltweit harmonisiertes Regelwerk braucht“ lässt eine Fragestellung völlig unbeantwortet, die andere Sportverbände problemlos für sich gelöst haben. Das internationale Hochleistungsniveau des Triathlon über die Olympische Distanz kann man durchaus als zwingenden Grund für Änderungen im Regelwerk ansehen, die das Radfahren im Windschatten für die Weltelite vorsehen. Diese Mitte der neunziger Jahre im Zuge der Olympiabewerbung der Sportart Triathlon aufgeworfene und umgesetzte Änderung bedingt aber keineswegs die zwingende Umsetzung oder Annäherung in den Formaten des Breiten- und Freizeitsports an diese Spielart! 

Ursprungscharakter des Triathlon erhalten
Der Weltcup Zirkus mit seinem hoch spezialisierten Wettkampfformat hat wenig mit der Grundidee des Triathlon, dem Kampf des Individuums gegen die Elemente und dem Erbringen einer Einzelleistung in den drei Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen gemein. Es ist daher durchaus vertretbar, dass spezielle Arten der Wettkampfdurchführung in den höchsten Leistungsklassen gestattet sind, an anderer Stelle aber keinerlei Daseinsberechtigung besitzen – der Breitensport sollte folglich bei den Wurzeln des Sports bleiben.

Was hat sich geändert?
Die Diskussion hat das Potential Basis und Präsidium ein Stück zusammenrücken zu lassen. Sie muss in den nächsten Wochen öffentlich, fair und konstruktiv fortgeführt werden.

Das Funktionärswesen musste feststellen, dass Entscheidungen am grünen Tisch, weit weg von der Basis nicht das Optimum darstellen und mehr Nähe zur Sport treibenden Masse nötig ist. Gleichzeitig hat das einzelne Mitglied erkannt, dass seine Stimme durchaus einen hohen reellen Wert darstellt. Legitim und koordiniert in Aktionen als Mittel der demokratischen Interessensvertretung eingesetzt wirbt sie nachdrücklich um eine weitere gesetzliche Verankerung direkter Demokratie in den Statuten des Verbands.

Direkte Demokratie gefordert
Grundsätzlich zeigt die Windschattendiskussion ein Grundproblem der heutigen Zeit, wenn sich Funktionärwesen und sportliche Basis so weit voneinander entfernt haben, dass die Eingaben und Wünsche der einzelnen Mitglieder oder kleinerer Gruppierungen kein Gehör im „bürokratischen Elfenbeinturm“ finden.

Andere Verbände, wie der USA Triathlon (USAT) wählen ihre Funktionäre im direkten Mandat und die Mitglieder können die Arbeit der offiziellen Vertreter unmittelbar nach einer Amtsperiode mit ihrer Stimme honorieren. Sicherlich eine interessante Alternative oder Ergänzung zu den in Deutschland praktizierten föderalen Strukturen mit indirekter Wahl.

„Volksabstimmungen“ in substanziellen Fragen, wie etwa der Aufhebung eines Windschattenverbotes könnten und sollten ebenfalls Einzug in die Sportverbände einhalten. Länder, wie die Schweiz praktizieren auf staatlicher Ebene die Entscheidungsfindung durch die Basis in zentralen Fragestellungen seit Jahren erfolgreich. Warum nicht im Triathlonsport, wenn es um wesentliche Änderungen geht?

Die Gegenwart - was wird bleiben ?
Was bleibt ist die Aufforderung an all die Athleten, dass sie sich im Sommer in den unzähligen Rennen Deutschlands bewusst machen, dass sie für „10x3“ gestimmt haben und es neben der sportlichen Leistung vor allem um den Spaß und Fairplay gehen sollte – dazu zählt auch die Einhaltung des Regelwerks und ein Hauch weniger Verkrampftheit im sportlichen Miteinander.

Die Trainer, Eltern und Verantwortlichen für den Nachwuchsbereich sollten sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein und in ihrem täglich praktizierten Lehrauftrag deutlich herausstreichen, welche differierenden Versionen von Triathlon existieren und sich bewusstmachen, dass die Verdeutlichung der Grundidee der Sportart zentrales Ziel sein sollte. Die Erkenntnis, dass Sieg und persönliche Bestleistung nur ein Ziel im Sport sein können und nur auf sauberem Weg einen erfüllenden Wert besitzen sollte ebenfalls auf den Weg mitgegeben werden.

Den Funktionären, Veranstaltern, Landesverbänden und Kampfrichtern schlagen wir für den Breitensport vor Radstrecken selektiv, als Einzel- oder Doppelrundenkurs auszuschreiben. Maßvoll bestückte Startfelder, die gleichzeitig auf die Strecken gelassen werden oder anderweitig für die Sicherstellung der Regeleinhaltung und Sicherheit der Teilnehmer sorgende Maßnahmen sollten ebenfalls Pflicht sein.

Die Zukunft - was wird kommen ?
Die ITU ist nun als nächste Instanz für die Umsetzung einer weltweit verträglichen Windschattenregelung vorgesehen.

Die dort zu erwartenden Entscheidungen sollten für die DTU nicht Grund sein, den "schwarzen Peter" einfach weiterzugeben. Vielmehr sollte sie sich für den Erhalt von 10x3 stark machen und an seinem Profil durch den Auftrag der Interessensvertretung seiner Mitglieder im eigenen Land gewinnen. Allenfalls die Möglichkeit von Sonderanträgen für Veranstalter mit besonders für das Drafting anfälligen Radstrecken ist ein diskussionswürdiger Konsens. 

Bis zu einer endgültigen Entscheidung und die Umsetzung in den nationalen Verbänden wird Draftathlon.com als "Mahnmal" und "Pool zum Brainstorming" weiter betrieben werden, den Verlauf beobachten und sich gegen eine erneute Aufweichung der Regelung und einer Änderung der Grundidee im Sport auf jeder Ebene einsetzen.

Mittwoch, 18. Februar 2004

Online-Petition Draftathlon.com ein Erfolg, 10x3 bleibt!


Der Protest war groß, der sich auf Draftathlon.com Anfang Februar formiert hat. Grund allen Übel war die von der Deutschen Triathlon Union (DTU) beschlossene Änderung der Sportordnung. Die Windschattenbox wurde im Spätherbst vergangen Jahres auf 5 x 2 Meter, statt 10 x 3 Meter verkürzt.
Der Präsident der DTU Dr. Klaus Müller-Ott: "Die Einwände gegen die Verkürzung der Windschattenbox von 10 x 3 Meter auf 5 x 2 Meter sind berechtigt. Das muss - auch international - noch mal auf den Prüfstand!" Photo: Kiel Triathlon

Diese elementare Regeländerung stellte die Kernidee des Sports unnötigerweise auf den Kopf. Nachdem sich über 800 Sportler und Veranstalter innerhalb von 3 Wochen klar gegen die Regeländerung in einer Petition ausgesprochen hatten, lenkt die Deutsche Triathlon Union (DTU) jetzt ein und nimmt die Regeländerung zurück. 

Unter weiterer Beobachtung
Weitere Informationen zu den Hintergründen der Entwicklung und den Möglichkeiten, die sich aus einer Weitergabe des Anliegens an die nächsthöhere Instanz (ITU Weltverband) und die dort zu erwartenden Entscheidungen folgen in einem bewertenden Bericht mit Kommentar am Sonntag. Bis zu einer endgültigen Entscheidung durch die ITU und die Umsetzung in den nationalen Verbänden wird Drafathlon.com als "Mahnmal" und "Brainstormingpool" weiterlaufen.



Die Pressemitteilung der Deutschen Triathlon Union (DTU) lautet wie folgt:

Windschattenbox bleibt national bei 10 x 3 Metern
DTU-Präsidium passt Sportordnung an
Initiative auf internationaler Ebene angekündigt
" Die Einwände gegen die Verkürzung der Windschattenbox von 10 x 3 Meter auf 5 x 2 Meter sind berechtigt. Das muss - auch international - noch mal auf den Prüfstand!" Mit dieser Feststellung fasste Präsident Dr. Klaus Müller-Ott das Ergebnis der Beratungen im Präsidium der Deutschen Triathlon Union (DTU) zu einer Regeländerung zum Windschattenfahren zusammen.

Die DTU hatte die bisher in der Sportordnung (§ 5.2.3) enthaltene Regel, dass das Windschattenfahren in einer "Box" von 10 x 3 Metern hinter dem Rad jedes Teilnehmers verboten ist, geändert und - in Angleichung an die entsprechenden Regeln des Weltverbandes ITU - das Verbot auf den Bereich von 5 x 2 Metern verkürzt. Diese Entscheidung erfolgte, so Müller-Ott, weil die olympische Sportart Triathlon nach den Vorgaben des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ein weltweit harmonisiertes Regelwerk braucht - daran muss sich auch die DTU halten. "Die breite und mit guten Argumenten vorgetragene Kritik vieler Veranstalter, Athletinnen und Athleten dagegen darf aber nicht übergangen werden. Wir reagieren darauf flexibel."

Das DTU-Präsidium hat dazu in seiner Sitzung am Samstag in Oberstaufen erste Beschlüsse gefasst: Für alle windschattenfreien Wettkämpfe im Zuständigkeitsbereich der DTU wird die alte Windschattenbox (10 x 3 m) wieder in Kraft gesetzt.

Im internationalen Bereich wird eine Initiative gestartet, um dieses Maß auch auf Ebene der ITU als Standard zu etablieren; zumindest soll erreicht werden, dass die einzelnen Ausrichter das Maß der zulässigen Windschattenbox im Einzelfall bestimmen können, um etwa Auflagen der Ordnungsbehörden und der Unfallverhütung zu entsprechen.

Der Weltverband hat bereits signalisiert, dass eine für alle Seiten befriedigende Lösung gefunden werden kann. Darüber wird kurzfristig berichtet. (DTU Pressestelle)