Sonntag, 15. Oktober 2017

2:40:00 Marathon und Streckenrekord mit 8:01:40: Patrick Lange zeigt beim IRONMAN Hawaii seine Klasse

„Hoffentlich nimmt er die Schwämme beim Zieleinlauf aus dem Trikot. Er wird sich sein Leben lang ärgern, wenn er das nicht macht“ war einer meiner ersten Gedanken, bevor der gebürtige Nordhesse aus Bad Wildungen die letzten zwei 90 Grad-Kehren in Richtung Ali'i Drive vor sich hat. Doch auch hier zeigt sich, bei aller Emotionalität im Zielkanal die Abgeklärtheit des Killer-Läufers. Patrick Lange wird nicht, wie seinerzeit Chris McCormack auf dem Cover der Fachmedien, enden. Den engen Renneinteiler halb geöffnet und vollgestopft mit Schwämmen, die dem in Bild und Video festgehaltenen Zieleinlauf für immer eine ganz besondere Note aufdrücken.
Patrick Lange, zweifacher Rekordhalter für die Gesamtstrecke (2017) und den Marathon (2016) bei den IRONMAN World Championship auf dem Weg in das Natural Energy Laboratory of Hawaii Authority. Die Schwämme entsorgt der gebürtige Nordhesse noch rechtzeitig vor dem Zielkanal. (Photo by Tom Pennington/Getty Images for IRONMAN)

Der gelernte Physiotherapeut hat einen langen Weg hinter sich. Nach Lauftreff und einer frühen Karriere im Cross Country MTB, die von einem schweren Sturz und späteren Ängsten beim Bergabfahren geprägt waren, lernte er in Martin Zülch und Rolf Kather zur richtigen Zeit die passenden Personen kennen, die die Energie des Leichtgewichts in die richtigen Triathlon-Bahnen lenkten. Schnell stellten sich Erfolge im Duathlon ein und auch der Einsatz in der Bundesliga der Triathleten wurde schnell zur Routine. Trotz sehr guter Ansätze im Laufen reichte es für den Sprung in die Top-Mannschaften der Deutschen Triathlon Union (DTU) nur selten. Die Auswahlkriterien mit einem großen Schwerpunkt auf die Rennen mit Windschattenfreigabe stachen in langes wunden Punkt: dem Schwimmen.
Fassungslos am Boden, von Vater und Lebensgefährtin empfangen. Patrick Lange (GER) mit seinem 1. Sieg und Streckenrekord bei den IRONMAN World Championship in Kailua-Kona, Hawai`i.(Photo by Tom Pennington/Getty Images for IRONMAN)

Einige Jahre und ein Trainingscamp weiter lernte Lange seinen jetzigen Trainer Faris Al-Sultan kennen. Der bescheinigte ihm kein richtiges Talent und auch nach dem überraschendem dritten Platz beim IRONMAN Hawaii 2016 keinerlei Chancen auf den Sieg. Dabei drückte der Champion von 2005 bewusst oder unbewusst bei Lange den richtigen Knopf und weckte den Ehrgeiz. Mit lediglich drei und einer weiteren, etwas verkürzten Langdistanz in den Knochen liegt es neben dem 6. IRONMAN Hawaii Weltmeister aus Deutschland an seinem Manager Jan Sibbersen, der bestenfalls nicht-endemische Sponsoren akquiriert, dass sich der Überläufer mit Marathon-Streckenrekord (2:39:45, 2016) und Gesamt-Streckenrekord (8:01:40, 2017) die nächsten Jahre voll auf das Projekt Titelverteidigung und Verbesserung der Rad- und Schwimmleistung konzentrieren kann: Jan Frodeno, Javier Gomez, Alistaier Brownlee, Lionel Sanders und Co. werden ebenfalls nicht untätig an der Seitenlinie verharren…

IRONMAN Hawaii 2017, Daniela Ryf entwickelt sich zum echten Champion

Es ist nur eine kleine  Anekdote in den zahlreichen Interviews, die die Schweizerin Daniela Ryf in den zahlreichen Interviews nach dem IRONMAN Hawaii 2017 erzählt. Sie ist aber wichtig und stellt einen wichtigen Meilenstein beim dritten Sieg in Folge für die Eidgenössin dar. Drei Siege in Folge, ein illustrer Kreis, in dem sich Ryf einreiht: Paula Newby-Fraser, Natascha Badmann, Chrissie Wellington, Dave Scott, Mark Allen – Daniela Ryf. Ein Triumph der Selbstständigkeit, der Rennintelligenz.

Die dreifache IRONMAN World Championesse, Daniela Ryf (SUI) sichert sich im Marathon den dritten Titel in Folge und tritt damit einem sehr exklusiven Club mit wenigen Mitgliedern bei. (Photo by Tom Pennington/Getty Images for IRONMAN)


Nach solidem Schwimmen soll die ehemalige 3-fache Weltmeisterin im IRONMAN 70.3 auf den gesamten 180 Radkilometern nicht so richtig in Tritt kommen. Gerade in der Paradedisziplin drohen ihr neu Wilde, wie Lucy Charles und Sarah Crowley den Rang abzulaufen und uneinholbar zu enteilen. Ryf fasst sich 40 Kilomter vor der zweiten Wechselzone schließlich ein Herz und fegt die letzte knappe Stunde, alle Energie in die Pedale legend, Richtung Downtown Kailua-Kona.

Daniela Ryf feiert im Zielbogen auf den Knien den 3 Sieg in Folge beim IRONMAN World Championship, bevor Sie sich erschöpft bäuchlings auf den Boden austreckt. (Photo by Sean M. Haffey/Getty Images for IRONMAN)


Die Championesse spekuliert nicht auf Platz, sondern setzt den Sieg, pfeffert an den Mitbewerberinnen vorbei und brummt den verbliebenen Damen entscheidende Minuten Rückstand auf. Sie rettet sich durch ihre mentale Stärke, Physis und kluge Ernährungsstrategie über den Marathon bis auf den Ali'i Drive. Eine Taktik echter Weltmeisterinnen, die mit hohem Risiko behaftet, naturgemäß auch in grandiosen Niederlagen münden kann. Doch auch eine Niederlage hätte nach einer solchen Renngestaltung sicher nicht nur ein klein wenig bittersüß geschmeckt.

IRONMAN Hawaii 2017: DNF is no option. Jan Frodeno zollt dem Wimbledon des Triathlons seinen Respekt

Jan Frodeno sah beim IRONMAN Hawaii 2017 lange so aus, als habe er das Rennen voll im Griff. Zwar schaffte er es nicht, wie ursprünglich wahrscheinlich angedacht, zusammen mit dem Australier Josh Amberger gemeinsam aus dem 26°C warmen Pazifik. Dennoch ließ sich der zweifache Champion und amtierende Titelverteidiger von einer rund 30 Köpfe zählenden Spitzengruppe in Wechselzone 1 nicht irritieren.

Der Wahl-Spanier wirkte bis zum Anstieg und Wendpunkt nach Hawi jederzeit Herr der Lage und musste erst dann den Attacken von Lionel Sanders, Cameron Wurf und Sebastian Kienle den nötigen Tribut zollen. Er musste etwas abreißen lassen, wirkte deutlich angestrengter an jenem historischen Tag, an dem der Radrekord von Normann Stadler (4:18:23, 2006) durch Wurf (4:12:54, 2017) und weitere Mitstreiter (Sanders 4:14:18, Kienle 4:14:57) pulverisiert wurde. Noch war nicht abzusehen, dass mit Patrick Lange ein Landsmann in 8:01:47 Stunden sogar den Streckenrekord von Craig Alexander (8:03:56, 2011) brechen sollte.

Für „Frodo“ sah es auch in der Wechselzone 2, nach dem Abstellen des Rades noch immer nach einem anstrengendem aber dennoch kontrolliertem Rennen und ebensolcher Konkurrenz aus. Doch schon bald zwang ihn eine Blockade des IS-Gelenks im Beckenbereich zum Gehen, Stehen und Dehnübungen. Ein DNF und Start bei einem beliebigen anderen IRONMAN in wenigen Wochen, um wichtige Quali-Punkte einzusammeln, hätte jeder Profi-Athlet und Industrie-Insider nachvollziehen können.

Frodeno hat sich in der Lavawüste auf Big Island, während dieses für ihn rund 4 Stunden andauerenden Marathons, wohl unendliche Male für ein Weitermachen entschieden. 9:15:44 Stunden zeigte die Uhr am Zielbogen, als er die Ziellinie auf dem abgeschlagenen 70. Platz überquerte. Das Ehrengeleit von Mike Reilly war sein Lohn: "Jan, you’re an Ironman". Der Respekt der kleinen und großen Triathlon-Fans wohl eine noch größere Belohnung.