Freitag, 27. April 2012

Simon Whitfield und Lance Armstrong im Wortduell

Marketingstrategie von Simon Whitfield vor seiner vielleicht dritten Medaille im Olympischen Triathlon oder war der Kanadier tatsächlich aufgebracht als Lance Armstrong wenig schmeichelnd die olympische Version des Kraftausdauer-Dreikampfs als Haarwäsche, Lufttrocknen und 10km Lauf (“a shampoo, blow dry and 10 k foot race”) auf Twitter bezeichnete?

Ein kleines verbales Fernduell fand zwischen Lance Armstrong und Simon Whitfield auf Twitter statt. Photo: Xterraplanet.com
Aus der Kritik Armstrongs, die in Brett Sutton durchaus veritable Kaliber des Sports vergleichbar geäussert hatten, entspannte sich etwas, dass sonst nur in der Off-Season zu beobachten ist: "Disappointed to read Lance Armstrong’s comments that those of us working so hard towards our Olympic Tri dreams are participating in ‘a joke,’" führte Whitfield aus, bevor es im bekannten Tenor weiterging
  • Lance Armstrong: "is a draft legal tri ‘the race of truth?’ NO. I certainly never called it a joke."
  • Simon Whitfield: "I interpret ‘shampoo, blow dry &10 k run’ as ‘joke’, we work bloody hard & we love our sport, a sport you helped build."
  • Lance Armstrong: "Not bagging you or your peers. Just feel as if drafting ought NEVER to be allowed."
  • Simon Whitfield: "I think u underestimate what it means when u disregard it, a lot of us looked up 2yu."


Armstrong wird sich schon bald, beim Ironman 70.3 St. Croix am 6. Mai mit dem ein oder anderen Olympioniken und 70.3-Spezialisten die Diskussion Vis-à-vis unter tropischer Sonne fortführen können, wenn er seine Jagd nach Kona-Punkten fortführen wird.

Olympia-Selektion der Australier und Briten wird zum Nervenkrimi

Stellen wir uns vor, es ist Olympia und die großen Namen aus Großbrittannien, Australien und Deutschland gehen nicht hin? Unmöglich? Keinesfalls. Die australische Olympiasiegerin Emma Snowsill gilt keinesfalls als von ihren Nominierungsgremium für den London Triathlon gesetzt. Der Brite William Clarke kämpft indessen mit den hohen Leistungserwartungen und der internen Konkurrenz. Die Dynamik und Dramatik der olympischen Selektion der nationalen Verbände nimmt weiter zu. In den letzten 7 Tagen  überschlugen sich die Ereignisse bei den involvierten Parteien. Athleten, Trainer, Selektoren und die Funktionäre stehen bei den erfolgsverwöhnten Verbänden massiv unter Druck - Sportpolitik und Spitzensport rasseln aneinander.
Jan Frodeno muss seinen Startplatz für London noch durch eine Top 10 Platzierung in der ITU World Series bestätigen. Wahrscheinlich wird er Ende Mai in Madrid sein Glück versuchen. Photo: Petko Beier
William Clarke, bisher drittbester Brite nach Alistair und Jonathan Brownlee wurde am Montag mit einem Anruf der unangenehmen Art konfrontiert. Wenn er beim Triathlon der ITU World Series im kalifornischen San Diego am 12. Mai nicht auf das Podium kommt, darf er noch nicht einmal als Wasserträger beim Heimspiel am Hyde Park auflaufen. Vergleichbares gilt für den ehemaligen Weltmeister Tim Don, dessen Zug wegen aktuellen Defiziten im Schwimmen und auf dem Rad quasi schon abgefahren ist. Andere Teammitglieder, wie etwa Stuart Hayes, die als geborene Schwimm-Läufer wichtige taktische Hilfsarbeit für die Brownlees leisten könnten, erhalten bei einer schlechteren Platzierung Clarkes in San Diego den Vorzug. Das Damokles-Schwert wackelt nicht mehr nur bedrohlich über Clarkes Blondschopf - obwohl er in den letzten zwei Jahren vier solide Ergebnisse in den Top 10 (2. Hamburg 2011, 4. Kitzbühel 2011, 8. Sydney 2012, 9. Sydney 2011) der World Series unterbringen konnte.

Noch dramatischer sieht es Downunder im Land der bisher stärksten Triathlonnation aus. Nicht nur, dass der Australier Chris McCormack seinem Traum von London 2012 mehr oder minder konsequent hinterhereilt und sich gegen Brendan Sexton und den angeschlagenen Courtney Atkinson durchsetzen muss. Das eigentliche Drama spielt sich bei den Frauen ab, von denen mindestens 4 Triathletinnen realistische Medaillenschancen haben. Für Emma Snowsill und ihre Kolleginnen kommt es derzeit ziemlich Dicke. Möglicherweise wird sie ihre Goldmedaille im Olympischen Triathlon nicht verteidigen können. 2011 stand für die zierliche Ausnahmeläuferin ganz im Zeichen von Verletzungen und Krankheiten, die ein nachhaltiges Comeback erschwerten und die dringend erforderlichen Punkte für das WM-Ranking nicht im gewohnten Umfang nach Australien schickten. Ihre Leistungskurve zeigt aktuell in die richtige Richtung, durch die interne Konkurrenz von Emma Jackson, Ashleigh Gentle und inbesondere Erin Densham, die in die Saison mit zwei Siegen in Mooloolaba und Sydney bestmöglich gestartet ist, nimmt der Druck auf Snowsill massiv zu.

So sehr, dass Michelle Gallen von ihrem Posten als Mitglied des Vorstands und des Selektionskommitees von Triathlon Australia zurückgetreten ist. Grund sind augenscheinlich Differenzen durch einen Interpretationsspielraum des komplexen Nominierungssystems der Australier. Es erging die Aufforderung des Vorstands von Triathlon Australia an das Selektionsgremium, die nach dem Triathlon von Sydney vorgeschlagene Nominierungen auszusetzen und die weiter zurückliegenden Rennen von San Diego und Madrid abzuwarten. Ein späterer Qualifikationsstichtag spielt eindeutig Snowsill in die Hände, die noch nicht ganz vorne mitmischen kann. Die Chancen Chris McCormack als Edelhelfer für Brad Kahlefeldt zu sehen, korrelieren in ähnlicher Weise mit dem späten Termin im Mai. Ob dann knappe 8 Wochen Vorbereitung bei den später nomrinierten Triathletinnen und Triathleten für eine Medaille bei den Spielen ausreichen werden steht auf einem ganz anderen Blatt. 
Steffen Justus hat sein Startrecht für London durch den Sieg in Sydney eindrucksvoll bestätigt. Photo: Petko Beier, DTU
Das Schicksal meint es bis dato auch mit Olympiasieger Jan Frodeno aus Deutschland nicht sehr gut. Eine hartnäckige Wadenverletzung gefährdet mittlerweile nicht nur die Chance auf eine ansprechende Titelverteidigung sondern versieht auch einen Start mit einem mittelgroßen Fragenzeichen. "Frodo" muss sein Startrecht noch durch eine Platzierung in den Top 10 der World Series, etwa am 27. Mai in Madrid bestätigen. Der Überraschungssieger von Beijing könnte, wenn es ganz dumm läuft, um das Erlebnis Titelverteidigung kommen. Ersatzmann ist nach aktuellem Sach- und Leistungsstand Maik Petzold, der vor Beijing 2008 denkbar knapp an der Norm scheiterte. Ihm sitzt ebenfalls die Konkurrenz im Nacken. Lediglich Anja Dittmer und Steffen Justus haben durch ihre Leistungen in Sydney das Ticket in trockenen Tüchern und befinden sich in der heißen Phase der Vorbereitung.
Anja Dittmer hat ihr Ticket für London sicher in der Tasche. Photo: Petko Beier, DTU
Ganz andere Probleme haben die US-Amerikaner. Durch den 2011er Tsunami von Japan haben viele aus dem US-Kader das an das Ende der Saison verschobene Rennen im japanischen Yokohamo ausgelassen und wertvolle Punkte der Weltrangliste verpasst. Die Nordamerikaner zittern nun um ihr Startrecht beim Heimrennen im San Diego, weil sie nicht ausreichend Punkte haben, um bei ihrem eigenen (!) Qualifikations-Event für London auf dem Startponton stehen zu dürfen. Letzte Rettung, sofern man nicht die Nominierungskriterien aufweichen will? Die maximal 5 der ITU zur Verfügung stehenden Startplätze für besondere Zwecke, die normalerweise an Nachwuchsathleten aus dem internationalen Förderungsprogramm vergeben werden. Ironman Weltmeister Chris McCormack nahm 2011 in Kitzbühel einen solchen Platz in Anspruch.

Im Olympischen Jahr werden die Karten tatsächlich neu gemischt. Die Athleten erhöhen zum Teil Umfang und Qualiät des Trainings, Politik und Teamtaktik erhalten eine stärkere Gewichtun. Der Kanadier Simon Whitfield, Olympiasieger von Sydney 2000 spricht als zweifacher Medaillengewinner von Risiken, die einzugehen sind, um die Lücken zu den Brownlee-Brüdern zu schließen. Vergleichbares lässt der zweite Doppelmedaillengewinner Bevan Docherty aus Neuseeland verlauten. Weitere dramatische Wendungen sind im Zielspurt der Selektion in San Diego und Madrid zu erwarten. Lediglich Javier Gomez ist neben dem jüngeren Brownlee der einzige Top-Favorit, der sich ohne körperliche Probleme auf das Projekt Edelmetall konzentrieren kann und gewohnt souverän seine Leistung wie bei der EM in Eilat abliefert. Es bleibt spannend...