Mittwoch, 31. Dezember 2008

Recherche ohne Kommunikation, Kontaktlosigkeit der DTU-Präsidenten Müller-Ott, Düro und Wisser sorgt für Eklat.


Es ist eine verfahrene und vertrackte Situation in der sich die Deutsche Triathlon Union befindet. Ehrenpräsident Dr. med. Martin Engelhardt hatte just vor der Kandidatur des Olympiazweiten Stephan Vuckovic zur Wahl des BWTV-Präsidenten ein Schreiben an die DTU lanciert, das „Vucko“ des EPO-Dopings vor rund 7 Jahren im Rahmen der EM im tschechischen Carlsbad bezichtigt. Der Mitwisserschaft und Deckung beschuldigt werden in dem Schreiben auch Verbandsarzt Dr. Andreas Marka, der auch der Anti-Dopingkommission der DTU angehörte und der damalige Präsident und Ziehsohn Engehardts Dr. med. Klaus Müller-Ott.
Claudia Wisser ist primär mit dem Umbau der Satzungen und Ordnungen der Deutschen Triathlon Union (DTU) beschäftigt, um mehr Einfluß und finanzielle Mittel zur Eigenverwendung Verfügung zu haben. Photo: Michael Rauschendorfer
Eine lückenlose Aufklärung der Affaire, nein des Skandals erscheint angebracht und überlebensnöitg. Doch ohne die notwendigen medizinischen Gutachten und Akteneinsicht wird dieser Schritt schwerlich möglich sein.

Fehler in der Geschäftsstelle?
Dieses als vertraulich gekennzeichnete Schreiben wurde seitens der DTU- Geschäftsstelle an die Landesverbände verschickt und damit zwangsläufig einer breiten Öffentlichkeit preisgegeben.

Während Vuckovic auf Druck der damals noch amtierenden BWTV-Präsidentin Susanne Mortier seine Kandidatur auf das Spitzenamt zurückzog und mit der Rolle des sportlichen Leiters Vorlieb nehmen musste, suchte sich das Schreiben seinen Weg in die Presse. In der ersten Folge rasierte es die positiven Entwicklungen des Olympiasiegs von Jan Frodeno (Beijing 2008) und des in den letzten Jahren vorangetriebenen Anti-Doping-Kampfs des Spitzensportverbands mit den meisten Kontrollen aller deutschen Verbände ab.

Politische Motiviation?
Die Süddeutsche Zeitung brachte die Vorwürfe in Form eines Gedächtnisprotokolls an die Öffentlichkeit, vermied aber detailliert nach den Beweggründen der Lancierung zu fragen. Gemeinhin wird kolportiert, dass Engelhardt aus politischen Gründen die Wahl von Vuckovic verhindern wollte.

Vuckovic wäre stimmberechtigt für die wenig später folgende DTU-Wahl gewesen und sein mächtiger Verband galt dann nicht mehr als unbedingter Befürworter der mögichen und tatsächlichen neuen DTU-Präsidentin Claudia Wisser. 

Brot und Peitsche
Juristin Wisser, die nach und nach den Verband remodelliert und zunächst die Doppelsitze Geschäftsführer-Präsidentin abschaffte gilt nunmehr als geschäftsführende Präsidentin. Noch ist die Satzung nicht veröffentlicht, dennoch hält sie Brot und Peitsche gleichsam in der Hand.

Ehrenpräsident Engelhardt fühlte sich anscheinend vom Gewissen getrieben, um in der heißen Wahlkampfphase und in der Rolle des Wahlleiters aktiv in die Wahlen einzugreifen. So und nicht anders kann man die Handlungen auffassen, wenn man die Vorgänge in chronologischer Reihenfolge betrachtet. Unter dem Strich bleibt die Einflussnahme auf die Wahl, ein potentielles Desaster für den Triathlonsport und den Verband. 

Keine Handlungsmotivation
Der Osnabrücker Orthopäde verzichtete nach erster Kenntnis des Falls durch, wie er vorgibt, telefonische Information vom damaligen DTU-Präsident Klaus Müller-Ott auf Ausräumung der Vorwürfe und deckte, wie er zu Protokoll gab, zusammen mit dem DTU-Arzt Andreas Marka und dem Müller-Ott den angeblichen Skandal. Beide widersprechen indessen diesen Einlassungen heftig.

Auch einen olympischen Zyklus später, als sich der von der erlittenen Sepsis und Legionelleninfektion genesene Vuckovic um einen Startplatz bei den Spielen in Athen bewarb und denkbar knapp scheiterte, Schritt der im DOSB als Arzt aktive Funktionär Engelhardt nicht ein.

Spätestens zwei Jahre später, im Zuge der Spingstein-Affäre um den Mailverkehr zwischen Spingstein und dem spanischen Arzt Dr. Miguel Peraita hätte Engelhardt einschreiten müssen. Präsidentin Wisser hat sich zur Position Engelhardts auf Anfrage mit konkreten Fragestellungen von 3athlon.de noch nicht geäussert oder eindeutig Position bezogen. 

NADA macht Druck, Verjährung droht
Während die NADA auf Basis des Artikels der Süddeutschen Druck macht und auf nach 2006 neuerliche förmliche Untersuchung vor Verjährung im Juni 2009 drängt, zeigt sich die fatale Schwäche der DTU.

Kommunikationsstille
Es herrscht faktisch Kommunikationsstille zwischen den ehemaligen DTU-Präsidenten Müller-Ott, Düro und der amtierenden Amtsinhaberin Wisser.

Während sich der auf Gran Canaria weilende Düro, der als amtierender Präsident bei Bekanntwerden des Schreibens „sofort an dem Tag aktiv wurde“ und mit den damals in Carlsbad anwesenden Ärzten Marka und auch dem zuständigen Funktionär Dr. Michael Kraus (Vize-Präsident Leistungsport) sprach und diese allesamt den Sachverhalt dementierten, hielt es Wisser offenbar nicht für nötig nach Amtsantritt das brisante Schreiben, das letztlich als Steigbügel zum Amtsantritt gedient hatte nachzugehen und somit durch Aufklärung zu entschärfen.

Wisser reagiert, keine Aktion
Wisser, die in der Kritik steht keine Verantwortung zu übernehmen und stets nur zu reagieren will schon vor dem ITU-Kongress in Madrid den Sachverhalt telefonisch recherchiert haben. Also vor dem Veröffentlichungswochenende der Meldung, nachdem die zuständigen Redakteure ihre Telefonlisten abgeklappert hatten.

Doch erst durch öffentlichen Druck werden nun schriftliche Stellungnahmen eingefordert und Wisser als Mitglied der Anti-Doping-Kommission (AdK) muss aktiv werden. Ihr Vorgänger Düro behauptet hingegen, er habe seinerzeit diese Recherchen als Verantwortlicher und Vorsitzender der AdK eingeleitet. Eine Stellungnahme von Präsidentin Wisser steht diesbezüglich noch aus.

Welche Konsequenzen drohen?
Bereits Anfang November hat die DTU alle Obliegenheiten des Anti-Doping Beauftragten Marka in die Hände des Heidelberger Mediziners Herrn Professor Friedhelm Raue gelegt, Marka trat nach offensichlticher Aufforderung von Wisser offenbar nun von seinem Amt als medizinischer Sachverständiger der AdK zurück.

Vuckovic wird mit dem Makel der Dopingaffäre leben müssen, Engelhardt wird möglicherweise von den Parteien Marka, Müller-Ott und Vuckovic auf erheblichen Schadensersatz verklagt, sofern er keine gerichtlich zulässigen Beweismittel darlegen kann.

Die DTU hat den Olympiabonus verspielt, Ehrenpräsident Engelhardt sollte sein Amt nach Entdeckung seines Gewissens mit siebenjähriger Verspätung niederlegen, wie auch Mortier und Vuckovic im BWTV unter Entscheidungsdruck stehen. Mortier hat zwar die Präsidentschaft verhindert aber Vuckovic trotz der Anschuldigungen im Leistungssportamt toleriert und den anwesenden Vereinen nicht die nötige Aufklärung und Information zugestanden.

Rechtlich bleibt der Verdacht der Wahlbeeinflussung durch Ehrenpräsident und Wahlleiter Engelhardt im Raume. In der Folge besteht die Möglichkeit der juristischen Anfechtung der DTU-Wahl und damit der Rechtmässigkeit des aktuellen Präsidiums. 

Wisser sollte die Kommunikation mit den Alt-Präsidenten suchen und alle Karten in den für einen funktionierenden Verband relevanten Bereichen auf den Tisch legen lassen. Sie sollte sich auch fragen, ob sie nicht vor Erscheinen des Skandals hätte aktiv werden müssen, um eine glaubhaftere, weil aktivere Position im Kampf gegen das Doping zu vertreten. Die Kenntnis hatte sie eindeutig und zeitnah nach Übermittlung des Schreibens Mitte Oktober an die DTU.

Ebenso stellt sich die Frage, ob eine Einfachspitze in einem Verband unter solch hohen Erfolgsdruck mit den Titeln als Weltmeister, Olympiasieger, Ironman-Weltmeister in den letzten 3 Jahren das probate Mittel ist. Nicht alle Aufgaben können durch einen – noch nicht vorhandenen Mittelbau gelöst werden, insbesondere wenn die Verantwortlichen Personen Kraus und Rolf Ebeling die DTU verlassen oder bereits verlassen haben.

Ganz unabhängig bleibt einem als Betrachter ein mehr als fader Beigeschmack im Mund kleben und die entsprechenden Verbandsfunktionäre sollten die moralischen Grundsätze und grundsätzliche Glaubwürdigkeit ihrer Sportpolitik hinterfragen. Eine Revolution mit neuer Wahl muss es wohl nicht gleich sein, eine weitere Fehlzündung im stotternden Achtzylinder darf sich die neue Führung der DTU aber nicht mehr erlauben.